Mit ihrem letztjährigen Album ´This Machine Still Kills Fascists´ zeigten sich die Dropkick Murphys von einer ungewohnten Seite und vertonten zehn erstaunlich zeitlose Texte aus dem Nachlass von Folk-Ikone Woody Guthrie – akustisch, aber emotional und sendungsbewusst wie eh und je. Jetzt setzen die Bostoner Celtic-Punks ihre Mission, Guthries Geist und seine politischen Botschaften in die Jetztzeit zu tragen, mit dem Album ´Okemah Rising´ fort, kehren dabei aber mit den Folk-Punk-Legenden Violent Femmes, dem Bostoner Songwriter Jesse Ahern und der Country-Sängerin Jaime Wyatt als Gästen zu einem bisweilen wuchtigeren, lauteren Sound zurück.
Die Faszination der Dropkick Murphys für Woody Guthrie ist nicht neu. Bereits 2003 vertonte die Band mit ´Gonna Be A Blackout Tonight´ erstmals einen der Texte Woody Guthries, zu denen der von der unheilbaren Erbkrankheit Chorea Huntington gezeichnete Musiker selbst keine Melodie mehr schreiben konnte, und auch die Lyrics ihrer populärsten Nummer, ´I’m Shipping Up To Boston´, stammen von ihm. Trotzdem bedurfte es zunächst einer glücklichen Fügung, um Band-Mastermind Ken Casey und den Seinen den Weg zu ebnen.„Woodys Enkel Cole war als Teenager Punkrock-Fan und hatte ein Dropkick Murphys-Poster an der Wand seines Zimmers”, erinnert sich Casey im Westzeit-Interview. „Das erregte die Aufmerksamkeit seiner Mutter Nora, und Cole sagte: ´Ich glaube, Opa hätte die Band gefallen, denn es gibt eine Reihe Gemeinsamkeiten in puncto Ideologie.’ Anschließend hat Nora uns dann kontaktiert und uns eingeladen, das Woody-Guthrie-Archiv zu besuchen und einen Blick auf Woodys unveröffentlichte Texte zu werfen. Das muss 2002 gewesen sein, und damals waren die Manuskripte noch nicht digitalisiert. Das Archiv befand sich damals noch in New York, und man musste spezielle weiße Handschuhe tragen und ganz vorsichtig sein, wenn man sich die Original-Artefakte anschaute. Die echten Manuskripte in Händen zu halten, war wirklich bemerkenswert."
Aufgenommen haben die Dropkick Murphys ´Okemah Rising´ in Guthries Heimatstaat Oklahoma.
„Für gewöhnlich spielt der Aufnahmeort für uns keine große Rolle, aber in diesem Fall denke ich schon, dass uns Tulsa inspiriert hat, weil dort heute das Woody-Guthrie-Museum beheimatet ist“, gesteht Casey. „Den Vormittag dort zu verbringen und sich all die Ausstellungsstücke anzuschauen und dann am Nachmittag eine halbe Meile entfernt diese Musik aufzunehmen…"
Während der Titel des letztjährigen Albums ´This Machine Still Kills Fascists´ an den Slogan angelehnt war, den Guthrie einst als Reaktion auf Hitler-Deutschland und den zweiten Weltkrieg auf seine Gitarre gemalt hatte, erinnert ´Okemah Rising´ nun an die 3.000-Seelen-Gemeinde, in der Guthrie 1912 geboren wurde.
„Nach Okemah zu fahren war sicherlich der wichtigste Einfluss“, verrät Casey. „Du fährst die Hauptstraße entlang und nur jedes zehnte Geschäft hat noch geöffnet. Alle anderen sind geschlossen und verbarrikadiert. Da konnte man wirklich spüren, was die Pandemie mit kleinen Orten wie diesem gemacht hat, das war ein noch größerer Einfluss als Tulsa selbst."
Wenngleich Guthrie nur die Texte hinterlassen hat, gab es für Casey und die Seinen doch einige Anhaltspunkte, welche Art von Musik sich Woody zu seinen Zeilen vorgestellt hatte.
„Er hat den Texten oft das Datum und den Ort hinzugefügt und manchmal auch einen Satz oder zwei, die verraten, was him durch den Kopf ging“, erklärt Casey. „Zu wissen, wann und wo er war, hat mir geholfen, mich in seine Denkweise einzufühlen. Gleichzeitig dachte ich: Warum bin ich nicht smart genug, das auch beim Schreiben meiner Texte zu tun?"
Er lacht, denn auch wenn sich das Rad der Zeit nicht aufhalten lässt, kennt er doch selbst auch noch die Oldschool-Herangehensweise.
„Als wir mit den Dropkick Murphys Mitte der 90er angefangen haben, hatte ich keinen Word Processor beim Songschreiben, ich hab die Texte per Hand in ein Notizbuch geschrieben! Tatsächlich mache ich das auch heute noch oft, aber manchmal nutze ich mein Handy, um den ersten Geistesblitz festzuhalten."
Obwohl Billy Bragg und Wilco in den späten 90ern bereits drei Alben mit unveröffentlichten Guthrie-Texten aufgenommen haben, schlummern auch heute noch unzählige unvertonte Manuskripte im Archiv. Dennoch wussten Casey und Co. genau, wonach sie suchten. „Wir haben nach Sachen gesucht, die uns sofort zu Herzten gehen und uns sofort fesseln“, erklärt er.
„Uns ging es um die politischen Texte, in denen Woody über seine Liebe zu den Gewerkschaften schrieb, aber auch über die Geldgier der großen Unternehmen oder darüber, wie die Arbeiterschicht herumgestoßen wurde. Gleichzeitig sind wir natürlich auch noch über andere Botschaften gestolpert, wie seine scharfe Ablehnung des Faschismus – alles Themen, die heute noch hochaktuell sind, und genau danach haben wir gesucht."
Aktuelles Album: Okemah Rising (Dummy Luck / PIAS / Rough Trade)
Weitere Infos: dropkickmurphys.com Foto: Dave Stauble