Mit ihrem bisher letzten regulären Album hatten sie es geschafft: Sie waren, zumindest in Deutschland, der „Mittelpunkt der Welt“, und heimsten damit die erste `Goldene Schallplatte´ ihrer Karriere ein. Parallel dazu erfreuten sich die Romane vom Gründungsmitglied Sven Regener einer zunehmenden Beliebtheit - doch das ist ein anderes Blatt Papier...
„Frag nicht warum...“ überschrieb das Musikmagazin Spex bereits im Mai 1986 einen der ersten Aufsätze über die Band Element Of Crime.„Markus Schneider und Uwe Klinkmann waren die Berlin-Beauftragten der Spex. Die schrieben alle Artikel zusammen...“, erinnert sich Texter / Trompeter / Sänger Sven Regener mit einem Blick auf das alte Magazin. Seither entwickelte sich die Gruppe stetig weiter. Zwei Sprünge brachten die größten Fortschritte der Karriere: Vom ´86er Debut ´Basically Sad´ zum Nachfolger ´Try To be Mensch´ stiegen die Verkaufszahlen von 800 auf 10.000 LPs. Den Übergang zu deutschen Texten belohnten Absatzsteigerungen von 20.000 Einheiten bei ´Damals hinterm Mond´ (1991) auf 60.000 Ex. ´Weißes Papier´ (1993). ´Peanuts´ im Vergleich zum ´Mittelpunkt der Welt´. Das Album benötigte lediglich zwei Jahre, um mit über 100.000 verkauften Alben den Goldstatus zu erreichen. Fazit Regener: „Element Of Crime ist kein Allgemeingut. Wenn Du in diesem Land lebst, und die Toten Hosen, Die Ärzte und Herbert Grönemeyer nicht kennst, dann musst Du schon ganz schön blind, taub oder sonstiges sein. Es wäre schon komisch, wenn Du die nicht kennst. Doch es ist keine Schande, Element Of Crime nicht zu kennen. Die kennt man nur, wenn man sich für diese Art von Musik interessiert. Das ist der Unterschied. Das ist kein Allgemeingut, diese Art von Hits haben wir nie gehabt. Das ist für uns natürlich auch relativ angenehm. Es hat seine ganz großen Vorteile, man steht nicht so unter Beobachtung. Man wird auf der Straße nicht so beobachtet, kann ein ganz normales Leben führen. Wir müssen nichts speziell beweisen. Im Grunde genommen ... da kann nicht jeder mitreden. Jeder kann Campino auf der Straße anquatschen, auch Leute, die mit seiner Musik überhaupt nichts anfangen können. Uns bemerken solche Leute gar nicht, und lassen uns in Ruhe. Insofern ist die Band eigentlich ziemlich privilegiert.“
Und sie spricht alle Hörerkreise an: Egal, ob 8jährige Tochter, 16jähriger Sohn, 39jährige Mutter oder 44jähriger Vater – alle amüsieren sich beim Hören des neuen, zwölften Studioalbums ´Immer Da Wo Du Bist Bin Ich Nie´. Die Texte haben die Qualität eines „Hörbuchs“.
Regener: „Das ist eine gute Sache, ich habe nichts dagegen. Wir haben nie Musik gemacht, die sich auf eine bestimmte Altersgruppe bezogen hat. Es war nie die Idee, `wir machen Musik nur für Leute, die so und so drauf sind. So und so alt, die den gleichen Hintergrund haben´. Es ist eine Musik, für die man keine Voraussetzungen mitbringen muss. Das war, glaube ich, schon immer der entscheidende Ansatz. Es gab keine spezielle Szene, keine speziellen subkulturellen Hintergründe, wo man sagen kann, da gehörten wir dazu, da konnten wir sozusagen ´mitmachen´ - das war nicht. Wir waren eigentlich immer alleine, so, dass potenziell jeder mitmachen konnte. Meine Kinder auch. ´Scheiß auf den Hummer´ singen sie, `Scheiß auf den Hummer´. Mein Kleiner ist 3, der sagt immer ´Scheiß auf den Hummer, scheiß auf den Kaktus´ (lacht). Ich möchte nicht wissen, was sie im Kindergarten über ihn denken...“
Texte sind sein Revier, hier kennt Regener sich aus. Das müssen auch Gründungsmitglied Jakob Ilja (Gitarre), David Young (Bass) und der am Interview beteiligte Richard Pappik (Schlagzeug) einsehen.
Regener: „Das ist mein Ding. Wenn´s ihnen nicht gefällt, lassen wir ihn das Lied halt weg. Wenn ich etwas für richtig halte, dann würde ich das so machen. Oder gar nicht. Es ist aber völlig in Ordnung, wenn jemand sagt, `Du, dass ist mir peinlich. Das ist nichts, das kann ich nicht vertreten´. Dann würde ich sagen, ´Das machen wir gar nicht´, und nehmen andere Lieder. Aber ich würde keine Kompromisse schließen. Doch ich würde schon sehr genau überlegen.“
Bleibt die Frage, wie viele Inhalte autobiographisch geprägt sind:
„Direkt Autobiographisch ist gar nichts. Es gibt keine Möglichkeit, von den Texten einen Rückschluss zu ziehen auf mein Leben. Oder, wie es verlaufen ist. Das ist nicht möglich!“
Die besungene „Deborah Müller“ ist demzufolge keine reale Person?
„Nein, es gibt auch keinen Grund dafür. Wenn man so eine Autobiographie schreiben wollte, könnte man es ja tun. Ich halte mein Leben für so spannend auch wieder nicht. Und ich würde nicht wollen, dass es öffentliches Eigentum wird.“
In „Der weisse Hai“ wird der Mallorca-Tourismus durch den Kakao gezogen. Überzeugte Haltung oder Spaß?
„Die Songs sind genau das, was sie sind. Was Du da hörst, ist das, was ich sage. Weißt Du, was ich meine? Wenn ich singe `Scheiß auf den Hummer´, dann heißt das in dem Moment, dass ich singe ´Scheiß auf den Hummer´. Also...das meine ich damit. Der Rest liegt beim Hörer. Wenn Du das so siehst, ist das richtig, da kann ich nur zustimmen. Nächste Sache: ´Ich glaube, es geht um Sex bei dem Lied´ - auch richtig. Weil es gar nicht darauf ankommt, da noch Anweisungen zu geben, wie man damit umgehen sollte. Deshalb kann ich Dir zustimmen, es ist 100% Spaß. Die Texte sind deshalb da, weil es Spaß macht, sie zu singen, und damit aufzutreten. Es kann den Leuten durchaus eine Menge bedeuten. Was es im Einzelnen ist, wage ich nicht zu fragen.“
Richard Pappik gefällt die Live-Resonanz der neuen Songs.
„Wir haben drei Konzerte mit dem Grand Hotel van Cleef gemacht. Es war angekündigt, dass wir neue Stücke spielen werden. Klar, die alten, bekannten Stücke werden enthusiastischer aufgenommen, aber die neuen haben sich gut eingefügt. Es hat nichts gefremdelt. Ich denke, wir können uns auf die kommende Tour freuen.“
Besagte Konzertreise wird die Berliner Band am 06.02.2010 wieder in Regener´s Heimatstadt Bremen führen. Beim ´06er Gastspiel wurde dort mangelnder Enthusiasmus von der Bühne herab damit begründet, dass man ja in Bremen sei (jenes Publikum ist in vielen Teilen Norddeutschlands als eher „ruhiger“ bekannt).
Regener: „Das würde ich niemals sagen. Ich bin ja keine Stimmungskanone, ich verstehe das ja völlig. Pier 2, ja genau – Dock´s ist ja in Hamburg. Super, war doch geil. Ich habe gesagt, Leute, nehmt die Straßenbahnen, beim Pier fahren die Linien 2, 3 und 10. Das wusste ich noch. Wobei das immer heikel ist, weil, vor 15 Jahren, oder so, wurden alle Straßenbahnenlinien umbenannt in Bremen. Was ich damit sagen will, ist, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass ich jemals auf die Idee käme, den Leuten zu sagen, es wäre nicht genug Stimmung. Weil es ein Problem ist, was wir eigentlich nie hatten. Im Pier schon mal gar nicht. Ich glaube, Du verwechselst mich mit irgendjemandem... (Anmerk.: James Last hat ebenfalls in `06 fehlende Euphorie mit „... wir sind ja in Bremen“ von der Bühne herab bedacht) Vielleicht ist das ein Witz unter Bremern? Keine Ahnung. James Last kommt aus Sebaldsbrück, Bremen Ost. Neue Vahr (Regeners Heimat) nach Süden, dann komme ich nach Sebaldsbrück.“
Aufgrund der Getränkefrage bei Live-Konzerten mit der Straßenbahn anzureisen, ist einerseits eine gute Idee, andererseits eine gute Überleitung zu den geistigen Getränken im Vierviertel-takt aus ´Kaffee & Karin´.
Pappik: „Dreivierteltakt!“ Regener: „´Kaffee & Karin´ ist ein Walzer. Du warst wohl auch nicht auf der Tanzschule, genauso wie ich, was? (zu Pappik:) Da (Bremen & Umzu ist auch die Heimat des Autoren dieser Zeilen) geht man nicht auf die Tanzschule.“
Pappik lacht. Regener: „Das ist ein Walzer, ein Punk-Walzer. Eine unserer Spezialitäten. Dafür sind wir bekannt.“ Pappik: „Dafür lieben sie uns in Wien.“ Regener „Ja, aber auch schon 1987, zu ´Last Dance´, und so. Richtig auf die Kacke gehauen! Das ist schon lustig.“
Damals wie heute – fabelhafte Musik, hervorragende Texte, aktuell über radelnde Pillenschlucker, entgleisende Straßenbahnen, Hummer & Kummer. Das Leben - ein Picheln? „Nur wenn ich lachen muss, tut es noch weh!“ (Zitat „Kaffee & Karin“).
Aktuelles Album: Immer Da Wo Du Bist Bin Ich Nie (Universal / Polydor)
Weitere Infos: www.element-of-crime.de Foto: Goltermann/Wulf