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SILVESTER

Der Rote Faden

SILVESTER

Naima Husseini ist Songwriterin / Bandleaderin des aufstrebenden Hamburger Quintetts Silvester. Sie lebt primär für ihre Musik, geht dabei geradlinig ihren eigenen Weg! Oftmals über rote Ampeln. Jedoch nicht über rote Teppiche!

Naima ist es wichtig, nicht nur als hübsches, nettes Mädchen wahrgenommen zu werden.

„Weil ich einfach nicht so bin. Ich habe eine ziemlich große Klappe, will immer meine Ideen durchsetzen,“ sagt sie. „Vor allem geht es mir um das Musikmachen, um Songwriting! Nicht darum, hübsch herüber zu kommen. Dass wird recht schnell Zeitverschwendung."

Verkaufsfördernde Argumente, ohne inhaltlichen Bezug zur Musik, lehnt sie ab. Mehr Akzeptanz finden stilvolle S/W-Fotos, wie z.B. auf dem Single-Cover von „Du willst mehr“ zu sehen. Im dazu gehörigen Video schlängelt sich die Künstlerin an einem roten Faden entlang. Dieser (fiktive) Leitfaden führt sie nicht nur bei der Karriereplanung, sondern ebenso beim Interview.

„Provoziere mich ruhig,“ fordert Husseini spielerisch zu Beginn der Konversation, während Bassist Bert Gauda sich leicht genervt wundert, dass immer auch Verweise auf Silbermond, Juli oder Wir Sind Helden folgen. „Damit kannst Du mich aber nicht provozieren...,“ lächelt sie freundlich. „Ich will mich nicht verteidigen, oder nörgeln. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich fast losgelöst von Genres schreibe. Die meisten Bands, mit denen meine Musik dann verglichen wird, kenne ich kaum. Es ist einfach ein grundsätzliches Defizit in der Wahrnehmung deutschsprachiger Musik. Es gibt bereits seit langem Bands, die auf Deutsch schreiben. Das hört auch nicht auf, weil es mehr als eine Modewelle ist. Ich glaube, es gibt schon eine weitaus größere stilistische Vielfalt, als die meisten denken. Oder hören. Aber es gibt keine Offenheit in der Rezeption. Generelles Schubladendenken! Würde ich Englisch singen, käme wahrscheinlich niemand auf die Idee, Silvester mit besagten Bands in einen Topf zu werfen. Doch ich singe auf Deutsch, weil ich sonst nicht sagen könnte, was ich zu sagen habe. Weil es auch eine musikalische Herausforderung ist.“

Überhaupt steht für Husseini immer das Musikalische im Vordergrund. Das gilt auch für den Sound der Sprache.

„Oftmals baut in deutscher Musik alles auf den Inhalt, den Lifestyle der Texte. Die Musik selbst ist dabei Aussageschwach. Viel zu oft gibt es klischeehafte Gesangsstile! Davon grenze ich mich bewusst ab!"

Die Sängerin empfindet ihre Stimme eher als weiteres musikalisches Instrument, dass schlicht, so einfach wie möglich die Aussage transportieren soll.

Gerade auch in der Gesangsarbeit überzeugt das Debutalbum von Silvester, denn es ist fast durchgehend Zweistimmig angelegt.

„Die ganzen Chöre, Percussions, die speziellen Elemente sind total prägend. Vieles habe ich schon auf den Demos eingesungen, eingespielt. Das hat sich während der Produktion als sehr wichtiger Teil herauskristallisiert, der Live anfangs gefehlt hat. Deshalb ist es für die Musik wichtig, dass eine zweite Sängerin dabei ist.“

In persona Valeska Steiner, (die derzeit ihr erstes eigenes Album aufnimmt). Die ebenfalls in Hamburg lebende Schweizerin spielt neben Percussionsinstrumenten zudem Klavier. „Die kurzfristig angesetzten Shows mit Razorlight und The Airborne Toxic Event haben wir ohne Valeska gespielt. Es war wesentlich rockiger, auf eine andere Art gut... Doch ich glaube, stände ich im Publikum, würden mich die feinen Arrangements der vollständigen Besetzung mehr interessieren. Trotzdem ist es cool, dass wir in so einem frühen Stadium schon in der Lage sind, sehr verschiedene Versionen der Songs aus unserem Repertoire spielen zu können. Das macht Spaß!“

Egal, ob beim Schaufenster-Gig im Plattenladen, beim Rock am Ring / Rock im Park, auf dem Immergut-Festival oder mit The Ting Tings, „...der Sound entwickelt sich immer weiter.“

Einzig die Tatsache, dass Husseini alle Songs selbst komponiert, ändert sich nicht.

„Du glaubst mir nicht, dass ich das mache? Du bist ja lustig... Ich habe alle Songs geschrieben! Ach so,... `Ohne Dich´ haben wir zusammen erarbeitet, weil wir im Studio sehr viel nach der richtigen Umsetzung vom Demo gesucht haben. Das Original- Demo klingt elektronischer als die Albumversion. Wir haben viel zusammen daran arrangiert. Deswegen empfinden wir es als gemeinsame Komposition.“

Schlagzeuger Jonas Honisch wurde, wie auch Valeska Steiner, erst nach Abschluss des Album-Songwritings Teil der Band.

„Mit Bert Gauda hatte ich vor ein paar Jahren schon ein anderes Projekt; Kontrabass, Gitarre und Gesang. Die anderen kamen nach und nach dazu.“

Den Gitarristen Lars Dahlke hatte Husseini bei einem Seminar an der Musikhochschule kennengelernt.

„Das war so eine Art Popmusikseminar. Die Zeit dort war wichtig für mich, weil sie mir die Initialzündung gegeben hat, mehr selbst zu schreiben. Oft sind dort Leute, die versuchen, perfekt das zu adaptieren, was es schon gibt. Eine Abteilung hat Soulmusik gemacht, eine andere Rock. Die nächste Raga und Hiphop. Dort habe ich erkannt, dass ich mich nirgends zuordnen möchte. Es gab einen langen Prozess, bis ich wusste, dass ist jetzt die Musik, die ich geil finde!"

Husseini behandelt in ihren Texten oft persönliche Themen.

„Doch wenn ich auf die Bühne gehe, erinnere ich mich immer wieder daran, die Dinge nicht zu ernst nehmen. Da ist die Gefahrenzone als Frontperson / Songschreiber vielleicht am Größten. Ich mag es, wenn die Musik mit einer Leichtigkeit wahrgenommen wird, obwohl schwere Themen angesprochen werden. In den Texten versuche ich festzuhalten, was man für sich denkt, aber ganz schwer greifen kann. Dinge, die man im Alltag nicht thematisieren würde.“

Die Musik von Silvester beschreibt ein positives Lebensgefühl, ohne inhaltlich Oberflächlich zu sein.

„Völlig verschiedene Gefühle mit Sprache und Musik kombinieren zu können, ist toll. Bei `Besser Allein´ z.B. geht es um die Frage, ob jeder nur an sein eigenes Interesse denkt. Trotz der Schwere des Themas hat der Song eine gut gelaunte Melodie, ist total lebensfroh und tanzbar.“

Die Komponistin beschreibt sich selbst als Gegenteil einer ´durchtrainierten´ Musikerin.

„´Durchtrainiert´ ist eine Metapher für Musiker, die ihr Instrument besonders gut spielen, aber dadurch nicht unbedingt musikalisch sind. Ich kann das, was gut für den Song ist, gut spielen. Alles andere kann ich gar nicht! Ich bin nicht darauf aus, alles bedienen zu können!“

Die Pflicht ist erledigt, die Bandmitglieder haben sich mittlerweile verabschiedet. Husseini öffnet sich zur Kür ein kühles Bier. Die perfekte Überleitung zu den rauen Tönen in der Rockmusik. Sie diskutiert die energetischen Riffs im Sound von Silvester.

„Ich kann mich mit meiner Musik gut abreagieren. Man muss nicht unbedingt eine Gitarre kaputt schlagen, um sich abzureagieren. Vielleicht kommt das ja noch, ich weiß es nicht. Manchmal habe ich zuviel Energie!“

Die sie, dem roten Faden folgend, in die richtigen Kanäle lenkt. Insidern ist bekannt, dass Husseini bereits Erfahrungen als Produzentin sammelte. Bevor jedoch diesbezüglich dezidierte Fragen gestellt werden können, kommt der Band-Manager. Genau richtig, um die Songschreiberin aus den Fängen der Presse zu befreien. Der rote Faden weht herüber zu einem Zitat der Malerin Paula Modersohn-Becker († 1907), in deren Haus in der Künstlerkolonie Worpswede Husseini als Kind einst nächtigte. Es beschreibt im übertragenen Sinn das Hinwegsetzen über Konventionen, die Hingabe an die Kunst der hier porträtierten Musikerin (die seit ihrem zwölften Lebensjahr Klavier, Gitarre und ein wenig Schlagzeug spielt) wohl am besten: „Dieses unentwegte Brausen dem Ziele zu, das ist das Schönste im Leben!“



Achtung! Album-VÖ wurde nach Redaktionsschluss kurzfristig auf 2010 geschoben....

Live:

31.07. Kassel, Kulturzelt

02.08. Trebur, Trebur Open Air

07.08. Jena, Kulturarena

29.08. Mainz, redrocks

19.09. Lingen, Rock am Pferdemarkt


Weitere Infos: www.silvestermusik.de Foto: Inga Seevers

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