Er gehört zu den arbeitswütigsten Folk-Musikern Amerikas, veröffentlichte zuletzt drei Alben auf einmal und gönnt sich auch sonst kaum Pausen: Jason Molina mag den Sturm, aber die Ruhe nicht. Mit seiner Band Magnolia Electric Co. und dem neuen Studiowerk „Josephine“ gilt es die eigene Vergangenheit zu bewältigen – was dem schüchternen Frontmann alles andere als leicht fällt. Schließlich geht es um Leben und Tod.
Was treibt diesen kleinen Mann mit den großen Songideen an? Was bringt Jason Molina dazu – im Stile eines Oliver Kahns – immer weiter und weiter zu machen?„Kann ich nicht sagen“, erklärt der Workaholic mit der E-Gitarre, „es fällt mir halt leichter Alben aufzunehmen, wenn ich in ständiger Bewegung bin. Ein langer Urlaub würde meiner Produktivität schaden!“
Das sagt der Mann aus Chicago ohne eine Mine zu verziehen und es erklärt ganz gut, weswegen Molina lieber umtriebig durch die Weltgeschichte tourt als Zuhause auszuspannen. Die L.A. Times behauptete kürzlich, es gebe keine Spelunke zwischen Mailand und Hollywood, in der seine Band Magnolia Electric Co. noch nicht gespielt habe. Was freilich nicht ganz stimmt:
„Unser Bassist Evan Farrell verstarb überraschend und zum ersten Mal in meiner 15-jährigen Karriere als Musiker habe ich mich von der Bühne zurückgezogen und versucht über einige Dinge nachzudenken, sie aufzuarbeiten.“
Das Ergebnis dieser inneren Einkehr heißt „Josephine“ und ist das vierte Magnolia Electric Co.-Album. Ein ganz Besonderes, wie Molina betont.
„Es entstand mit einem genauen Konzept im Hinterkopf. Ich ging ins Studio, hatte die Texte komplett fertig und wusste auch, dass es eine musikalische Reise zurück zum Ursprung werden sollte.“ Der Ursprung ist bei den Songs: Ohia zu finden – sein ehemaliges Ein-Mann-Projekt, dass 2004 nach acht Jahren ein jähes Ende fand, weil Molina endlich eine feste Bandbesetzung um sich versammeln konnte und Magnolia Electric Co. gründete.
Die Songs: Ohia waren geprägt von dunklen Arrangements, schleppenden Folk-Tiraden und düsterem Americana. Im Gegensatz dazu rockte Molina in den vergangenen Jahren regelrecht Vorbei, Vorbei.
„Es ging bei unserem neuen Album ‚Josephine’ nicht, die Dinge laut und brachial rüberzubringen. Evans Verlust gehört zu den schlimmsten Erlebnissen meines Lebens und dieses Gefühl sollte so minimalistisch wie möglich vertont werden.“
Und so sind die Songs still, leise, aber niemals zurückhaltend: „Josephine“ ist eine Art Konzeptalbum über das Thema Abschiednehmen geworden. Molina versucht 40 Minuten lang loszulassen, zu verarbeiten und neue Ziele im Leben zu finden. Überraschenderweise gelingt es ihm!
„Die Hörer sollen sich die Platte als A- und B-Seite vorstellen: Zu Beginn geht es nur um Aufarbeitung und ist diese dann vorbei, erscheint der Silberstreif am Horizont. Ein langer Weg, sehr schmerzhaft, aber niemals aussichtslos.“
Weswegen Molina es nicht leiden kann, wenn die Musikjournalie ihn und seine Musik als „depressiv“ bezeichnet.
„Ich kann verstehen, dass einige Songs auf ‚Josphine’ durch ihre klangliche Kargheit dunkel wirken. Unter ‚depressiv’ verstehe ich aber einen Menschen, der völlig dicht macht und sein Leben nur noch vor sich hin lebt. Diese Empfindungen sind mir fremd und wer genau darauf achtet, wird das ganz von selbst einsehen. Schließlich habe ich nach Evans Tod eine Platte mit einem Happy-End aufgenommen – was könnte zuversichtlicher sein?“
Da ist er plötzlich wieder: Jason Molina der Workaholic. Spricht von drei Projekten an denen er aktuell arbeite und seinem Soloalbum, das bereits im Winter erscheinen soll. Wie er das zeitlich stemmt, bleibt ein Geheimnis.
Eigentlich auch uninteressant, solange seine Arbeit eine solche Qualität aufweist, wie „Josephine“ – seinem wohl bislang besten Longplayer mit Magnolia Electric Co.
„Ich kann mich nicht auf Lorbeeren ausruhen, mein Songwriting muss in ständiger Bewegung bleiben, sonst funktioniert das alles nicht.“
Sagt er abschließend und wirkt, als ginge es um Leben und Tod. Keep going on, Mr. Molina!
Aktuelles Album: Josephine (Secretly Canadian / Cargo)