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MUFF POTTER

Humor surft auf roher Musik

MUFF POTTER

Nagel, der Frontmann von Muff Potter hat sein Buch „Wo die wilden Maden graben“ zum Hörbuch mutieren lassen. Aber nicht einfach so. Als Mitleser treten Farin Urlaub auf und der absolut wunderbare Axel Prahl. Nagel und Konsorten werfen zudem eine neue Platte in den Hörerkreis. Auch nicht einfach so. New York, Hollywood, San Francisco vor jeder Silhouette machen Muff Potter eine gute Figur. Das sind ja schöne Aussichten. Richtig. So heißt dann folgerichtig auch die neue Muff Potter-Scheibe. Nicht ganz. Die Band hat sich für „Gute Aussicht“ entscheiden. Nicht unwitzig in der angesagten Krise.

Kultivierter Wortwitz

Wortwitz ist bei Muff Potter nie ein unbekannter Begriff gewesen. Auch diesmal ist Grinsen ist angesagt. Sowohl beim Aufstellen der Lauscher in Richtung Hörbuch als auch in Richtung neuer Platte. Erst ein wenig schmallippig. Aber je länger die Ohren gekitzelt werden, je breiter fällt es aus. „Es sind echt viele Witze drin“, gibt Nagel unumwunden zu „als ich für ‘Mein Freund, das Wrack’ die Textzeile ‘Seine Launen fahren Achterbahn, sein Gesicht fährt Porsche’, zu Papier gebracht hatte, habe ich mich selber erst mal kaputt gelacht. Aber so richtig. Durch die vielen Lesetouren in letzter Zeit habe ich noch mal ein völlig anderes Gefühl für Sprache gekriegt und habe so weitaus mehr Freude am Humor.“ An der Nagelschen Humorfront sind nicht nur die Wirkungen des Livelesens zu spüren. Ganz und gar nicht.

„Darüber hinaus habe ich mich intensiv mit Monty Python beschäftigt. Für mich, der ich tendenziell auch zum Grübeln neige und auch eine starke Affinität zum Weltschmerz habe, wurde Humor so zu einer noch essentielleren Sache.“

Aber keine Angst, da wird nicht nach dem dummen, platten Humor gesucht. Da wird prima unterhalten. So wie Monthy Python es immer getan haben.



Ruppige Musik

Kleine Pausen wirken manchmal wie ein Katapult. Kreativer Druck entsteht. Spiel-Lust wächst. Alles will auf den Punkt gebracht werden. Genau das haben Muff Potter gemacht. Räudig, kratzig, wie grobkörniges Schmirgelpapier kommt die Muff Potter´sche Notenparade daher. Deutlich härter in der Gangart. Ruppiger im Sound. Manchmal so richtig schön dreckig. Oft unperfekt roh.

„Ich schätze diese Dringlichkeit ergibt sich daraus, dass wir erst eine lange Pause gemacht und dann in ganz kurzer Zeit diese Lieder“, beschreibt Nagel die Arbeitsphase „ganz konzentriert. Wir haben live aufgenommen. Alle zusammen. Im Kreis gruppiert. Ohne Kopfhörer. Wie man halt im Proberaum spielt. Ganz spontan. Ohne Filter. Im Prinzip mehr intuitiv als reflektiert. Wir wollten mal was nicht besonders Reflektiertes oder Perfektes machen. So ist der ganze Dreck drin geblieben.“

Der Zuhörer wird es begeistert goutieren. Sitzt er doch mittendrin, statt nur ..., den Kalauer führe ich nicht zuende. Aber so weit hergeholt wäre er nicht. „Der Hörer soll denken, er säße in der Mitte. Um die Band drumrum“, illustriert Nagel die Studiosituation „die Gitarre links spielt noch gar nicht. Aber man spürt schon, dass da was in der Luft liegt. Weil alle Mikros offen sind. Wenn das Instrument dann losbrät, sitzt du wirklich im Hörzentrum. Du kriegst dieses Natürliche. Das Unmittelbare. Die Breitseite. Das funktioniert deshalb auch so gut, weil wir mit Torsten Otto, den Mikrofoniergott von Deutschland zur Seite hatten.“



Zur Hölle mit den Amps

Die Mikrofone machens? Ja. Aber auch hier ist es erneut wieder ein klein wenig komplizierter. Gerüchten zufolge kommt der neue Muff Potter-Klang auch daher, dass die alten Verstärker von Muff Potter endgültig aufs Altenteil geschickt wurden. Das will Nagel erst gar nicht dementieren:

„Wir haben mal ein bisschen Bäumchen, Bäumchen wechsle dich mit dem Equipment gespielt. Weg von den Marshall-Verstärkern. Brachialerer Klang sollte her. Vielleicht spielt das wirklich auch mit rein, dass die Platte so klingt. Denn eine normale Marshall verzerrte Gitarre nimmt man ja heute nicht mehr als extrem oder wild wahr. Das ist ja Mainstream pur. Langweilig. Wir haben uns zusätzlich noch einen Teppich von Effekt-Fußschaltern überall ausgelegt und probiert, was passiert, wenn man drauf tritt. Auch eine Art von Unperfektionismus.“

Muff Potter haben so einen Wachmacher für die vor sich hin dümpelnde, dösende Musiklandschaft geschaffen. Die Frühjahrsmüdigkeit ist vorbei. Aufstehen. Hinhören.



Kein Märchenonkel

Wenn Nagels Buch „Wo die wilden Maden graben“ zum Hörbuch avanciert, dann kann getrost erwartet werden, da passiert was. Seine beiden Co-Sprecher die hat er auch nicht irgendwo an der nächsten Straßenecke aufgelesen. Die hören auf so bekannte Namen, wie Farin Urlaub oder Axel Prahl.

„Da sind einer der größten Schauspieler Deutschlands und einer der größten Popstars des Landes mit von der Partie. Höher, schneller oder weiter geht es dann fast schon nicht mehr. Ich habe tatsächlich darüber nachgedacht, wen frage ich da? Ich hatte genau zwei Namen im Kopf und das waren Axel Prahl und Farin Urlaub. Zwei geile Typen haben. Zwei geile Charaktere. Und ich wollte ja nun auch nicht als Märchenonkel daher kommen.“

So wurde dieses lebendig Unperfekte auch zum Credo der Hörbuchproduktion.

„Im Prinzip so ziemlich Punkrock, das“, hebt Nagel zum Schlusswort an „beim Hörbuch ist das so. Bei der Platte auch.“

Genau so soll das auch sein.

Aktuelles Album: Gute Aussicht (Huck´s Plattenkiste / RTD)

Nagel

Wo die wilden Maden graben - Unterwegs mit Nagel, Farin Urlaub und Axel Prahl

Hörbuch 2 CDs (Patmos Verlag)



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