2000 ziehen drei Westfalen nach Berlin: Ramin Bijan, Gunther Osburg und Maurice Summen. Nach drei Monaten gründen sie eine Band: Die Türen. Nach drei weiteren Monaten ist ihr Debütalbum fertig. Wiederum drei Monate später gründen sie ihr eigenes Label: Staatsakt. Noch einmal drei Monate später: Große Verwirrung in den Medien: Die Türen? Soll das etwa ein Witz sein? Steckt dahinter vielleicht die Titanic-Redaktion, die nun statt Buntstiftlutschen bei „Wetten dass...?“ lustige Popmusik auf den Markt schmeigt? Und vor allem: Wo kommen die so plötzlich her?
Thesen aufstellen kann jeder. Es war nämlich gar keine Zauberei, dass Die Türen so blitzschnell an der Oberfläche erscheinen konnten. Die Drei kannten sich bereits seit Jugendzeiten und hatten in westfälischen Kleinstädten zusammen in Schülerbands gespielt. Sie hatten sich, von Jimi Hendrix über Slime-Punk bis hin zum Beastie-Boys-Funk-Hip-Hop-Crossover in so ziemlich allen Musikgenres ausprobiert. Ramin wurde zwischen Provinz und Berlin als "Pimpie Jackson" ein international erfolgreicher Electroproduzent, Gunther und Maurice hatten zwischendrin gemeinsam in der legendären Deutsch-Garagenpunk-Band Novotny TV gespielt. Zurück nach Berlin: Hier lernen sie binnen kürzester Zeit Myriam Brüger kennen, die als Entdeckerin von Tocotronic gilt und Musikvideos für Jan Delay produziert hatte. Sie übernahm das Management und Promotion der Band und quasi über Nacht tauchten Die Türen im Feuilleton, in den Musikgazetten oder auf Viva2 auf (bei Charlotte Roche). Das zweite Album "Unterwegs mit Mother Earth" erschien kurze Zeit später in Kooperation mit dem legendären Hamburger Musiklabel Buback-Tonträger. Die zweite Platte konnte einen echten Hit vorweisen: "Drinnen ist wie draußen (nur drinnen)", der selbst in Österreich dauernd im Radio lief. Dann: Pause.Zwei Jahre. Dann überschlagen sich wieder die Ereignisse: Der Ex-Blumfeld-Keyboarder Michael Mühlhaus, den viele Leser noch kennen dürften aus der "Old Nobody"-Zeit ("Tausend Tränen tief") wird Mitglied der Band. Dazu gesellt sich der Schlagzeuger Markus Spin. Beide sind natürlich Westfalen. In den Planet-Roc Studios in Berlin-Köpenick, in denen Bands wie Phoenix, Black Eyed Peas, Sting oder Joe Jackson bereits aufgenommen haben, welches ebenfalls von einem Westfalen namens Werner Krumme betrieben wird, nahmen Die Türen ihr drittes Album auf: "Popo".
Dieses Album nimmt die Spur eines ganz anderen Westfalen auf: Udo Lindenberg. Denn wie Die Türen auf dieser Scheibe mit Rock, Funk, Boogie, Honky-Tonk und Disco umgehen, könnte man sie glatt für eine moderne Variante des Panik-Orchesters halten. Aber die Türen sind nun wirklich keine Retroband:
Die Discos, in die Die Türen gehen heißen "Clubs", und dort spielt man die Scissor Sisters und nicht mehr Abba. Die Zeiten ändern sich. Der Westfale aber bleibt stur: Wo Udo Lindenberg "Keine Panik" singt, heißt es bei den Türen: "Uncool ist das neue cool". Wo in den 70er Jahren noch vor der Flimmerkiste Altbierbowle getrunken wurde, lösen die Kids von heute am I-Phone zu Bionade ein Sudoko-Rätsel wie im Türen-Song "Sudoku Mädchen". Und wie schon zu Udos Zeiten zieht es die Kids vom Lande „Indie Stadt“.
Vor allem aber ist "Popo" eine, wie die Türen sagen "Platte über Arbeit und die Liebe zur Freizeit geworden". „Man sollte die Begriffe „Arbeit“ und „Freizeit“ neu definieren (...) Vollzeitbeschäftigung für alle? Unter den vorhandenen Arbeitsmodellen eine wirklich gruselige Vorstellung!“, sagt Sänger Maurice Summen in einem Interview. So bekommt sowohl der berufsjugendliche Szene-Checker sein Fett weg (in dem Song: „Sei schlau bleib dumm“), als auch der Urlaubspauschaltourist („Im Norden ist der Süden am Schönsten“)... Wem die Ärzte mittlerweile zu sehr im Mainstream angekommen sind und wem bei Konzerten der alten Hamburger- Schule-Bands vor Langeweile die Zigaretten ausgehen, der sollte sich vielleicht a) das neue Türenalbum zulegen um b) optimal auf das nächste Türenkonzert vorbereitet zu sein. Gerade als Westfale.
Aktuelles Album: Popo (Staatsakt / Indigo)