Die gesamte Welt liegt dem Multiinstrumentalisten Andrew Bird zu Füßen. Überall lauern Einflüsse auf sein Songwriting: „Selbst ein einfacher Baum kann Inspiration für einen unvergesslichen Song sein“, erklärt er anlässlich seines neuen Albums „Noble Beast“ und öffnet die Türen zu einer anderen Welt.
Es gibt Musiker, denen wünscht man einen ähnlichen Erfolg wie viele ihrer Kollegen ihn feiern: Ron Sexsmith, Josh Rouse oder eben Andrew Bird. Statt Coldplay und Co. sollten sie die großen Hallen füllen und mit ihren außergewöhnlichen Songs die Herzen der Menschen wärmen. Doch keiner von ihnen möchte dies so richtig.„Es ist schon toll, wenn du weißt: Ich nehme das nächste Album auf und sorge damit für meine Familie und mich endgültig aus. Andererseits halte ich mir einen gewissen Druck vom Leib und ziehe mein eigenes Ding durch“, stellt Andrew Bird die Sache ein für alle mal klar. Zumindest bei den Musikjournalisten hat der bescheidene Songwriter einen Stein im Brett und ist das, was gemeinhin als Kritikerliebling gilt.
Doch wäre er dies niemals, würde sein vielschichtiger Kammerpop nicht so süchtig-machend um die Ecke biegen. Eine Erklärung, wo die Inspiration dafür herkommt, liefert Andrew Bird gleich mit: Es sei alles ein einziger Song in seinem Leben.
„Die Menschen um dich herum, der tägliche Arbeitsweg, die privaten Probleme – im Prinzip gibt es überall tolle Ideen, man muss nicht mal danach suchen.“
Für sein neues, elftes Album „Noble Beast“ war eine Ausstellung im Chicagoer Nature Museum der vielleicht wichtigste Einfluss. Andrew Bird sah dort vor einem Jahr Plastiken längst ausgestorbener Tiere und fand deren imposante Erscheinung mehr als beeindruckend. So umwerfend, dass er sich anschließend ausführlich damit beschäftige. Selbst die Musik wurde nicht verschont – zum Glück:
„Ich wollte alles über die Lebensweise dieser Lebewesen wissen und fand sehr viele Parallelen zur menschlichen Zivilisation. Das gefiel mir und darum betonen die neuen Songs die Symbolik zwischen beidem. Warum nicht einmal so arbeiten, direkte Aussagen habe ich ja bereits auf anderen Alben getroffen!“
Wie genau es dazu kam, dass auch der Sound unter diesem Motto eine Veränderung erfuhr, kann er nicht erklären und versucht die musikalische Leichtfüßigkeit mit seiner aktuellen Ausgeglichenheit zu deuten. Ertappt sich aber selbst beim Lügen, denn schlechter ging es ihm beim experimentellen Vorgänger „Armchair Apocrypha“ nicht.
Kaum ist man der Überzeugung, es gebe offene Geheimnisse im Schaffen dieses famosen Musikers, atmet er tief ein und holt weit aus:
„Im Studio ging es diesmal schlicht geordneter zu. Nicht das die Spielfreude fehlte, aber das Konzept wurde nach anfänglichem Ausprobierten genauestens umgesetzt. Ich konzentrierte mich auf die Songs, packte nur so viele Instrumente rein, wie wirklich notwendig und hoffte, dass das Endergebnis mir gefällt.“
Aus dem Hoffen wurde bald Zuversicht. Über „Noble Beast“ sollte sich jedoch nicht nur Andrew Bird freuen: Die Platte ist zwar ein Gegenentwurf zur aktuellen Populärmusik, hält aber durch den eigenen Splen an jeder Ecke Überraschungen bereit. Zwischen anspruchsvollen Pop und reinsten Jazz befinden sich Samples, die selbst nach mehreren Durchläufen ein Rätsel ob ihrer genauen Definition sind.
„Ich kann nicht sagen, wohin die Reise mit den nächsten Alben geht, doch mir ist mit dieser Platte bewusst geworden, wie sehr mich gewisse Momente und Situationen in meinem Leben beeinflussen. Wahrscheinlich war mir dies vorher nicht wirklich klar?!“
Ob Andrew Bird darin eine Antwort sieht oder nicht – fest steht: Hier zweifelt ein Musiker auf dem vorläufigen Zenit seines Schaffens und lässt alles heraus, was lange hinter verschlossenen Türen schlummerte. Absolut fulminant!
Aktuelles Album: Noble Beast (Bella Union / Coop / Universal) Vö: 06.02.