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ANIMAL COLLECTIVE

Familienfeier beim Open-Air-Konzert

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Die Vorsichtsmaßnahmen im Vorfeld der Veröffentlichung des neuen A.C.-Albums waren recht rigoros: Die personalisierte CD-Kopie kam gerade mal einen Tag vor dem präzise auf 16.20 Uhr terminierten Telefonanruf aus London via Overnight-Express. Natürlich konnte all das nicht verhindern, dass "Merriweather Post Pavilion" schon 2 Wochen vor dem offiziellen Start im Netz zu finden war; den Track "Brother Sport" konnte man sogar schon Mitte November in diversen Blogs finden (Schuld waren angeblich Grizzly Bear). WESTZEIT wollte aber nicht rippen, nur reden. Und zwar mit "Geologist" Brian Weitz.

Die einleitende Frage nach dem kryptischen CD-Titel findet eine simple (und mittlerweile sicher auch massenhaft kolportierte) Auflösung:

„Das ist ein Veranstaltungsort in Columbia, Maryland, in dessen Nähe wir aufgewachsen sind. Die Leute sitzen im Freien, es ist warm, über ihnen der Himmel. Wir haben dort viele Konzerte gesehen, es war ein wichtiger Platz für uns. Als wir das Album produzierten, wollten wir die tracks elektronischer halten, aber vermeiden, dass alles zu künstlich klingt, es sollte wirken wie in einer großen Freiluftarena. Wir haben bei schönem Wetter auch oft in den Höfen gesessen, mit unseren Radios und draußen Musik gehört. Der Plattenname soll also auf unsere Herkunft und unsere persönliche Entwicklung verweisen, auf die Idee einer tollen Freilufterfahrung.“

Wie habt ihr die Musik entwickelt und aufgenommen, ihr seit inzwischen ja über die Welt verstreut, auf verschiedene Kontinente?

„Ich lebe jetzt in Washington, D.C., David (Porter, aka. Avey Tare) in New York, Josh (Dibb, aka. Deakin) in Baltimore und Noah (Lennox, aka. Panda Bear) in Lissabon. 2007 wollte Josh eine kleine Auszeit nehmen, denn wir waren sehr viel unterwegs gewesen, für seinen Geschmack zu viel. Wir haben also Material ohne Gitarren erarbeitet. Dave und Noah kamen mit einigen Melodien, die sie zu Songs entwickelten wollten. Wir sammelten zu dritt eine Menge diffuser Ideen. Zum ersten Mal haben wir auch Demos aufgenommen und uns gegenseitig zugeschickt, um die Ideen zu konkretisieren. Dann sind wir für 2 Wochen zusammengekommen, kurz vor der Tour, und haben 8 der neuen Songs aufgenommen. Wir alle spielen hauptsächlich Sampler. Wir wollten aber nicht den klassischen Sound eines samplerbasierten elektronica-Albums haben. Also haben wir traditionelle akustische Instrumente aufgenommen und diese Samples zu Loops verarbeitet. In Sachen Komposition und ´Herstellung´ist es also ein elektronisches Album, dessen Quellen aber sehr organisch sind.“

Auch das wunderschöne Maultrommel-Thema in "Lion in a Coma" stammt aus einem Rechner?

„Ähm, nein (lacht). Mir fällt leider gerade der Name der Musikerin nicht ein, aber die Maultrommel ist von einer afrikanischen Platte. Es gibt natürlich ein paar Stellen, wo wir auch anderer Leute Musik gesamplet haben. Z.B. diese geloopten Regenwaldsounds bei ´Also Frightened´ oder ´Guys Eyes´, wo wir ein Gitarrenriff der Zombies verfremdet haben. Und ´Brother Sport´ basiert auf brasilianischen Karnevalstrommeln.“

Gerade ´Brother Sport´ ist ein gutes Beispiel für die eingängigeren Seiten eurer Musik. Wollt ihr auch im weiteren Sinne "populärer" werden?

„Wir haben immer Popmusik geliebt: Michael Jackson, Kylie Minogue, diesen "straight-forward"-Pop. Und schon immer versuchten wir, solche Sachen auch in unsere Musik einbauen. Natürlich sagen viele Leute, daß z.B. "Here Comes The Indian" viel experimenteller ist, aber wenn du dir dort den ersten Song "Native Belle" anhörst, dann ist das auch Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Bridge-Coda: eine klassische Struktur. Die Musik widerspiegelt unsere Gefühle und persönlichen Lebensumstände. Wenn es dir gut geht, du glücklich und in einer netten Umgebung lebst, dann schreibst du anders, als wenn du in New York und arm bist. Also wurde der Popsong "Native Belle" so krank produziert, wie wir uns damals fühlten. Heute sind wir "happy people", verheiratet oder auf dem Weg dahin, haben Familie und glauben, dass wir unsere Musik nicht mehr auf die selbe Art wie in den frühen Tagen verfremden müssen. Und so erlauben wir es den Popelementen, stärker durchzuschimmern. Das bringt uns vielleicht auch ein größeres Publikum oder mehr Plattenverkäufe, aber das war nie die Motivation für kreative Entscheidungen.“

Mit dem Wechsel zu Domino ergeben sich auch ganz andere Möglichkeiten.

„Der Vertrag mit Fat Cat war ausgelaufen. Domino ist ein Indie-Label, mit Indie-Sensibilität, aber sie denken auch über den Tellerrand hinaus und wollen Musik nicht nur in der Indiewelt bekant machen, sondern in der ganzen Welt. Nun wollen wir nicht die größte Band der Welt werden, aber wir möchten natürlich, dass so viele Menschen wie möglich unsere Musik zu hören kriegen.“

Eure Texte sind für Nichtmuttersprachler schwer zu verstehen und zu entschlüsseln. Worum geht es euch?

„Es geht dieses Mal viel um Verantwortung, für andere Menschen, für deine Familie. Um als Musiker sein Auskommen zu finden, mußt du heute ständig auf Tour sein, viel mehr als früher. Auch wenn wir Konzerte sehr mögen, lieben wir es natürlich auch, zu Hause bei Frau und Kindern zu sein. Da kann dann ein Familienurlaub wichtiger sein, als auf irgendeinem Festival zu spielen. Man muß genauer abwägen. Als Kids war Musik für uns das Einzige, was zählte; heute gibt es eine Menge anderer Dinge, die uns wichtig sind. Noah z.B. hat eine 4-jährige Tochter, die genau mitkriegt, wenn Papa nicht da ist und dann natürlich traurig ist. Die Platte handelt vom Versuch, einen Weg als Profimusiker und Familienmensch zu finden.“

Der Mann spricht mir aus dem Herzen. Euch auch?

Aktuelles Album: Merriweather Post Pavilion (Domino / Indigo)



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