Ist es in Schweden länger hell? Braucht die Welt ein neues The Hives-Album? Wie heißt die beste Band der Welt? Es gibt Fragen an Bands, deren Antwort man schon vorher ahnt. Wir stellen sie trotzdem. „Das Spin-Magazin kürte The Hives letztes Jahr zur besten Liveband der Welt. Jetzt glaubt ihr das erst recht, oder?“ Keine Sekunde zweifelt Gitarrist Nicholaus Arson, während er sich auf der Couch im siebten Stock des Labels seiner Band neben seine Kumpel Matt Destruction, Bass, und Vigilante Carlstroem, Gitarre, lümmelt und grinst:
„Da hast Du es doch, schwarz auf weiß! Wenn Dir das als Beweis nicht reicht: Der NME kürte uns außerdem zur besten internationalen Band. Wahr ist beides!“Arson ist der mutmaßliche Songschreiber der Band, der auch abseits der Presse der Ruf als exzellente Liveband vorauseilt. Sänger Pelle Almqvist dürfte da mit dran Schuld sein, wurde schließlich vom selben Spin-Magazin unter die „50 greatest frontmen of all time“ benannt. Zu bröckeln begannen die Lorbeeren trotzdem, nach „Tyrannosaurus Hives“ hatte es sich irgendwie ausgepost. Noch ein „Veni Vidi Vicious“ war nicht drin, es musste mehr passieren als Stagnation auf hohem Level. Vorhang auf für das sich laut Band-Rechnung 176 Millionen mal verkaufende „The Black And White Album“.
Preisfrage: Was haben The Hives mit Britney Spears, Snoop Dogg, U2, Editors, Elvis Costello und Modest Mouse gemeinsam? Pornofilme, Stadionrock, Flanellhemden? Alles falsch. Pelle, Nicholaus, Matt, Vigilante und Drummer Chris Dangerous teilen sich auf ihrer neuen LP den jeweiligen Produzenten mit genannten illustren Musikern der Indie-, Rock- und HipHopszene: Pharrell Williams, Jackknife Lee und Dennis Herring. Zumindest ersterer dürfte schon bei der Ankündigung dieser Kollaboration für die Bestätigung des Bildes gesorgt haben, das die Welt von den Hives hatte: größenwahnsinnige Großmäuler, diese Kerle!
„Pharrell wollte mit uns arbeiten“, erzählt Arson, während Destruction und Carlstroem zustimmend nicken, „nicht umgekehrt. Das mussten wir wagen. Die 30-minütigen Punkalben haben wir bereits gemacht. Das kann ich mit verbundenen Augen. Für unsere nächste Ära wollten wir unbedingt etwas Neues versuchen, obwohl wir sehr zufrieden damit waren, wie wir bis dato klangen. Denn es ist ja schwer, etwas neu zu erfinden, was bereits perfekt ist!“
Klischee bestätigt, einmal nachgehakt:
Ihr wisst ziemlich genau, wer ihr seid und was ihr wollt. Wie arbeitet es sich plötzlich mit einer Handvoll bandfremder Produzenten?
Arson: „Das war schwierig, aber notwendig. Während des ganzen Enstehungsprozesses nagen Zweifel an dir. Wir hätten auch zuhause bleiben können und das Album haargenau so aufnehmen, wie wir es wollen. Aber das wäre langweilig gewesen. Wir wollten die Reibungen und das ständige Gefühl von Unzufriedenheit. Um etwas Neues hinzubekommen, musst du dich eben erstmal von deinen eigenen Gewohnheiten und Regeln lösen.”
Destruction: „Jeder Song bekommt so eine zweite und dritte Chance. In der Vergangenheit hätten wir die einfach weggeschmissen und uns gesagt: “Warum sollten wir den Song behalten, wenn irgendeiner von uns keinen Bock hat, ihn zu spielen?“
Arson: „Und somit haben wir erstmals in unserer Karriere mehr Songs gemacht als auf dem Album gelandet sind! Einige werden B-Seiten, andere sind dafür einfach zu gut.“
Gab es denn auch eine Produzenten-Wunschliste?
Destruction: „Wir wollten mit Dr. Dre aufnehmen, aber der wollte nur HipHop!“
Arson: „Pharell, Dre, Andre3000, Timbaland, alle machen cooles Zeug. Genauso wie es gute Leute im Rockbereich gibt. Wir wollen ständig was dazu lernen, auch deshalb also die HipHop-Wahl. Das ganze Garagerock-Ding ist doch: Weiße Typen versuchen schwarze Musik zu machen. Das kriegen die nicht ganz hin und doch kommt irgendwas Gutes bei rum. Geben wir unsere Sachen in fremde Hände, so kommt logischerweise etwas bei rum, dass wir selbst so nicht hinbekommen hätten.“
Rausgekommen ist das „Black And White“ betitelte Album, ihr drittes nach dem `97er „Barely Legal“ und somit insgesamt viertes in der schon 14-jährigen Bandgeschichte. Weniger Garage, mehr große Bühne - den Umständen entsprechend experimentierfreudig ist es geworden. Und gut. Gerüchten zufolge sollte es ursprünglich „The worlds first perfect record“ heißen. Gewonnen hat eine unverkennbare pophistorische Referenz:
„Du weißt einfach, wenn du den richtigen Titel hast. Die Beatles haben ihr weißes, Metallica ihr schwarzes Album. Und wir können eben beides, ist doch offensichtlich. Wortspiel hin- oder her,“ sagt Arson über ihr mit 45 Minuten bisher mit Abstand längstes Album. „Unser Ziel war nie, die Sache rauszuziehen. Wir jammen nicht rum. Wir mögen es kurz und auf den Punkt. Im Zweifel würd ich die 30 Minuten deshalb immer vorziehen,“ gibt er zu, „aber zu den neuen so unterschiedlichen Songs passt die Länge – sie ist sogar perfekt.“
Natürlich ist sie das, bis in drei Jahren das nächste Album aus der Hives-Fabrik rollen wird.
„Aber arbeiten bis 65?“ zweifelt der sonst so wortkarge wie opulente Vigilante Carlstroem von seinem Sessel aus, während Matt Destruction sich an die Anfänge zurückerinnert: „Es ging uns anfangs nur um den Moment. Zwischen den Touren haben wir dann in Fabriken gejobbt.“
Einsatz Carlstroem: „In der Hives-Factory!“.
Einen anderen Lifestyle konnten sich The Hives nie vorstellen – Grund dazu hatten sie in den letzten Jahren auch eher wenig, als bekanntlich beste Band der Welt. Mal unter uns, woher kommt so ein Ego, Nicholaus?
„Es erfordert ein großes Ego und Glauben in deine eigenen Ideen, wenn du etwas tust, was du wirklich möchtest. Auf der Bühne will das überzeugend rübergebracht werden, auch das fällt leichter mit einem großen Ego. Es gibt aber natürlich ebenso scheue Künstler mit großen Songs: „Macht die Lichter aus und ich spiele vielleicht...“ Wir spielen auch mit Licht an!“
Und wie lange kann das noch funktionieren?
„Wir haben immer gesagt: Wir machen das solange, wie wir gut sind. Und unser Pulver haben wir noch lange nicht verschossen,“ sagt Nicholaus Arson und lacht. Matt Destruction und Vigilante Carlstroem grinsen mit.
Aktuelles Album:The Black And White Album (Universal)
Weitere Infos: http://www.thehivesbroadcastingservice.com/ Foto: Andy Earl