Conor Oberst, der Mann mit den leuchtenden Augen, gilt gemeinhin als schwierig und eigenbrötlerisch. Schön also, dass er am Tag des Interviews offensichtlich aufgeschlossen und besonders guter Dinge ist. Grund genug dafür hat er eigentlich auch, denn „Cassagada“, das neue Bright Eyes Album, ist ein rechtes Meisterwerk geworden: Auf einer Rundreise durch die USA in New York, Portland, Oregon, Chicago, Nebraska und Los Angeles aufgenommen, von Mike Mogis produziert und mit fantastischen Streicher-Arrangements von Nate Walcott, dem dritten Bright Eyes Mitglied verziert, ist das nicht nur das erste richtige Band-Album geworden, sondern enthält auch definitiv Obersts beste Songs bislang.
Dabei spielt Conor das alles ein wenig herunter – wie er überhaupt so einiges herunterspielt. Zum Beispiel die Bedeutung des Namens der Scheibe: „Cassadaga“ ist eine Stadt in Florida, in der es eine Gemeinde von Geisterforschern gibt. Eine großartige Bedeutung hat das für Conor aber nicht.„Also für mich ist ‚Cassadaga‘ eigentlich nur ein gut klingendes Wort“ murmelt er unverbindlich, „ich musste die Scheibe ja schließlich irgendwie nennen. Ich war ein paar mal dort. Es ist eine schöne, kleine Stadt, in der es magisch zu geht.“
Da es einen Masterplan für „Cassadaga“ gegeben hat, streitet er sogar ab. Ging es bei den Aufnahmen lediglich darum, Dinge zu tun, die Bright Eyes noch nicht gemacht hatten?
„Ich denke schon“, überlegt Conor, „wir mögen es ja, mit Ideen herumzuspielen und uns von Sachen inspirieren zu lassen, die wir selber gehört haben. Es ist alles ein wenig abstrakt und mysteriös, wie ein kreativer Prozeaa funktioniert. Man lässt sich von anderen Leuten, dem Leben oder Filmen inspirieren und versucht, alles unter einen Hut zu bringen.“
Diese Herangehensweise sorgt gleich für ein ganzes Universum interessanter Charaktere, die Conors Songs bevölkern – vom Soul-Sänger in einer Session Band über „Wahrhörer“ bis zur Hure Babylon ist für jeden etwas dabei. Wonach sucht ein Conor Oberst als Songwriter? Was macht einen guten Song für ihn aus?
„Ich glaube nicht an gute oder schlechte Songs“, weicht er aus, „ich glaube, sie sind alle nur unterschiedlich. Ich mag es einfach, Songs zu erschaffen und denke nicht so sehr darüber nach, ob der eine besser als der andere ist. Ich akzeptiere einfach das Ergebnis.“
Nun hat er aber halt eine ganze Scheibe zum Thema „Übernatürliches“ gemacht. Wie wichtig sind denn Geister und Geistiges für Conor Oberst?
„Sehr wichtig“ meint er, „jedermann versucht schließlich den menschlichen Zustand zu verstehen und wie das Universum und die Natur und alles zusammenhängt. Es ist wichtig, denn jeder will doch mal hinter den Vorhang blicken. Und natürlich habe ich auch schon mal Geisterstimmen gehört ...“
Nun hängen ja ganze Heerscharen – meist weiblicher Fans – an den Lippen des Meisters. Ist es dann nicht so, dass man als Songschreiber dann auch eine gewisse Verantwortung hat und besonders hart an den Texten arbeiten muss?
„Nicht wirklich“, gesteht er, „natürlich ändere ich manchmal Wörter oder Passagen, wenn mir etwas Besseres einfällt – speziell wenn die Melodien einmal stehen. Aber meist bleibe ich doch bei meinen ursprünglichen Ideen. Es kommt für mich darauf an, zu warten, dass etwas passiert. Es ist aber für mich weit schwieriger auf eine gute Melodie zu warten, als auf einen guten Text. Wenn ich mal eine Gesangsmelodie und eine Ausgangsidee habe, ist es einfach, den Rest des Textes zu schreiben.“
Wie frei ist denn Conor Oberst, der Songwriter?
„Ich fühle mich schon manchmal frei und ich mag das – das ist ein tolles Gefühl“ überlegt er, „das heißt: So lange man sich nicht zu frei fühlt. Das nennt man dann nämlich wieder ‚verloren sein‘...“
Aktuelles Album:
Cassagada ( )
Foto: Butch Hogan