Verwunschene Hinterland-Harmonien aus den amerikanischen Südstaaten, längst vergessen geglaubte Folk-Traditionen aus England oder Irland und eine gehörige Portion Mainstream-Pop-Appeal: Auf ihrem neuen Album namens ´I´m Alone, No You´re Not´ treffen Natalie, Allison und Meegan Closner mit ihrer genetisch perfektionierten gesanglichen Makellosigkeit direkt ins Herz. ´Frische Luft, klares Wasser, tiefblauer Himmel und des Nachts eine Million Sterne´ – so wirbt die 1.000-Einwohner-Kleinstadt Joseph, Oregon, für sich im Internet.
Dass die drei Schwestern ihre Familienband ausgerechnet nach diesem kleinen Flecken Erde benannt haben, der vom hektischen Treiben der modernen Welt des 21. Jahrhunderts noch größtenteils verschont geblieben zu sein scheint, passt wie die Faust aufs Auge. Denn auch wenn die drei jungen Amerikanerinnen auf ihrem zweiten Album einem durchaus zeitgeistigen Leftfield-Sound frönen und dabei die Charts im Blick haben – im Kern hat ihre Musik doch etwas betont Natürliches und Ursprüngliches.Dass dem Trio dieser Spagat so gut gelingt, ist nicht zuletzt Mike Mogis von Bright Eyes und Monsters Of Folk zu verdanken, der wie schon zuvor bei den ähnlich inspirierten First Aid Kit als Ideengeber und Produzent im Hintergrund wirkte. Zwei Jahre nach ihrem eher heimelig klingenden Debütalbum ´Native Dreamer Kin´ arbeiteten Joseph für ´I´m Alone, No You´re Not´ mit dem Studio-Tausendsassa aus Nebraska zusammen, weil sie sich in erster Linie als Sängerinnen und nicht als Band im üblichen Sinne verstehen.
„Wir brauchten jemanden, der die richtige musikalische Landschaft für das nackte Gerüst unserer Stimmen einbringen würde“, erklärt Natalie, als wir sie nach dem feinen Joseph-Auftritt in der winzigen Haldern Pop Bar treffen. „Genau das hat Mike getan. Er ist ein echtes musikalisches Genie, und wenn man sich die Credits der von ihm produzierten Platten anschaut – er spielt ja oft 75, 80% aller Instrumente selbst. Er hat Ideen eingebracht, auf die wir allein nie gekommen wären, und hat damit dem Album ein Gefüge, die Textur gegeben. Er hatte die Vision, die wir selbst nicht hatten, und hat so unsere Band von dem, was Joseph waren, zu dem, was Joseph sein können, gemacht.“
Doch auch wenn Joseph mit ihrem neuen Album nach den Sternen greifen – auf und abseits der Bühne geben sich die jungen Damen am liebsten bodenständig. Nichts könnte das bei ihrem Abstecher nach Haldern besser unterstreichen als das wunderbar naturbelassene Cover von ´Jolene´, mit dem das Konzert endet. Schließlich hatte Dolly Parton mit eben diesem Lied vor mehr als 40 Jahren bewiesen, dass sich Glaubhaftigkeit und Erfolg durchaus prima ergänzen können. Dass Joseph am Niederrhein für die Hutspenden des Publikums gespielt haben, nachdem sie wenige Wochen zuvor vor einem Millionenpublikum vor den Fernsehern in der ´Tonight Show featuring Jimmy Fallon´ aufgetreten waren, macht für Natalie keinen großen Unterschied, denn sie weiß, dass es fahrlässig wäre, den einen mit dem anderen Auftritt zu vergleichen.
„Würde ich das tun, wäre ich ständig enttäuscht“, ist sie überzeugt. „Wenn ich mir sagen würde, dass ich nun Jimmy Fallons Segen habe und zu gut für kleine Konzerte bin, dann würde ich all die Erfahrungen verpassen, die überall auf mich warten. Dann wäre ich einfach nur eine Bitch.“
In den kommenden Monaten stehen nun Konzerte mit James Bay und Michael Kiwanuka an. Eigentlich ein Traum für die drei Schwestern, doch Natalie weiß, dass alles seinen Preis hat.
„Es ist schon witzig, wie sich deine Wünsche verändern, wenn du das lebst, was von außen betrachtet vielleicht wie ein glamouröses Leben aussieht“, sagt sie grüblerisch. „Ich habe im Moment keinen festen Wohnsitz und einer meiner Träume derzeit ist, endlich wieder eine feste Adresse zu haben, ein echtes Zuhause nah bei meinen Freunden.“
Dass Natalie das so unumwunden zugibt, verwundert kein bisschen, denn feine Harmonien und ehrliche Worte sind ohne jeden Zweifel das wichtigste Markenzeichen von Joseph.
Aktuelles Album: I´m Alone, No You´re Not (PIAS / Rough Trade)
Weitere Infos: thebandjoseph.com Foto: Ebru Yildiz