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NOTHHINGSPECIAL

Verloren? Gefunden!

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Von wegen "Nothhingspecial": Auf ´Where Do You Wanna Go?´, der just veröffentlichten fabelhaften neuen EP ihres Projekts, fasziniert die junge Musikerin und Songwriterin Chrissie Kühl mit einem facettenreichen, wohlig düsteren Sound an der Schnittstelle von Alternative Rock, Indie-Pop und New Wave, mit dem sie das Versprechen einlöst, was sie vor drei Jahren mit der beeindruckenden ersten EP, ´Somewhere We Don't Know´, gegeben hatte. Im Juli und August kann man sie in Esslingen und Düsseldorf auch live erleben, zuvor allerdings stelle sie sich den Fragen der WESTZEIT.

Mit dem gerade einmal zwei Minuten langen Song ´Find Me At The Bottom Of The Ocean´ aus ihrer letzten EP war Nothhingspecial das gelungen, wovon viele andere ähnlich inspirierte Indie-Acts heute oft jahrelang vergeblich träumen. Der Song wurde weltweit millionenfach gestreamt und brachte Chrissie praktisch über Nacht unverhoffte Aufmerksamkeit. Doch was hat sich dadurch für sie verändert?

"Durch diese EP habe ich die ersten Menschen aus der Industrie kennengelernt", erwidert sie bei unserem Gespräch. "Auf einmal wurde das Radio auf mich aufmerksam und ich hatte dann mein erstes Interview bei 1LIVE, wodurch ich meinen ersten Manager kennengelernt habe. Irgendwie sind dann ganz viele Dinge zusammengekommen, die mich weitergebracht haben und an diesen Punkt geführt haben, an dem ich jetzt bin. Die EP hat mir ganz viele Türen geöffnet, und dafür bin ich sehr dankbar."

Als Chrissie die EP veröffentlichte, war sie gerade einmal 20 Jahre alt, aber die Musik beschäftigt sie natürlich schon viel länger. Ihr erstes Instrument war das Klavier, auch wenn sie den Unterricht in der Musikschule zwischendurch für eine Weile aufgegeben hatte, "weil sich das wie Hausaufgaben angefühlt hat", wie sie heute sagt. Mit 12 brachte ihr ihre Schwester Bands wie Fall Out Boy, My Chemical Romance und La Dispute näher, und schnell entdeckte Chrissie immer mehr Acts aus der Welt des Alternative Rock. Von Twenty One Pilots und deren Sänger Tyler Joseph war sie damals ganz besonders angetan.

"Sie sind dafür bekannt, andere Leute zu ermutigen, ihre eigenen Gefühle und Gedanken in etwas Neues zu transformieren, etwas Neues zu erschaffen und sich darin einen Sinn zu geben", schrieb sie bereits vor einigen Jahren über diesen Wendepunkt.

"Also setzte ich mich als 14-jährige, ziemlich unsichere und orientierungslose Person an mein Keyboard und fing an, mein erstes Instrumental zu schreiben. In dem Moment machte es einfach ‚klick‘ und ich fühlte etwas, was ich davor noch nie so gefühlt hatte."

Kaum fünf Jahre später schrieb und produzierte sie die Songs für ´Somewhere We Don't Know´ ganz allein und spielte kurzerhand auch alle Instrumente allein ein und fand dabei mühelos zu einem eklektischen Sound, der widerspiegelt, dass sie als Teenager auch Emo und Metalcore, Trap und Rap und EDM für sich entdeckte. Anders gesagt: In ihren Songs stecken so viele verschiedene Einflüsse, dass sie am Ende unvergleichlich und eigenständig sind und durch Chrissies oft herrlich dunkel klingende Alt-Stimme die besondere Note bekommen.

Das gilt auch für die fünf Tracks der vor wenigen Wochen erschienenen EP ´Where Do You Wanna Go?´, wenngleich Chrissie für die Aufnahmen Unterstützung bei Produzent Luis Nussbauer holte, der ihr half, ihre Visionen so exakt wie nie zuvor in Töne zu übersetzen und das Beste aus sich herauszuholen. Anders gesagt: Wenn sie zuvor etwas verloren gewesen war, dann hat sie – dem Fragezeichen im EP-Titel zum Trotz – nun gefunden, wonach sie gesucht hat.

"Mir war wichtig, dass mein Sound rein von der Produktion, dem Mix und dem Masterring noch mal viel professioneller klingt, also dass man hört: OK, das hat jemand gemacht, der Ahnung hat", erklärt sie. "Die erste EP habe ich damals nur mit meinem Laptop, einem Focusrite-Interface und mir selbst in einer 20-Quadratmeter-Ein-Zimmer-Wohnung in Bonn aufgenommen. Ich hatte mir das alles selbst beigebracht und einfach nicht so viel Erfahrung, was Produktion, Mixing und Mastering und das alles angeht. Ich glaube, das hat man auch gehört. Ich habe das alles mit 10€-Kopfhörern intuitiv und nach Gehör abgemischt und ganz DIY aufgenommen. Das war aus der Not heraus, weil ich keine anderen Kontakte hatte oder Menschen kannte, die mir dabei helfen konnten. Da dachte ich: OK, dann mach ich das alles selbst!"

Weil sie nun viel mehr Kontakte und Zugriff auf bessere Produktionsmöglichkeiten in einem richtigen Studio hatte, wollte sie diese neue Freiheit dieses Mal unbedingt auskosten.

Während Chrissie klanglich auf Kollaboration setzte, bleiben die Songs inhaltlich nah an ihrem Leben und geben Einblicke in ihre düstersten Gedanken und Gefühle.

"Ich glaube, dass meine Musik oft wie ein Tagebucheintrag aus meinem Leben ist", sagt sie. "Sie spiegelt dann einfach die Lebenssituation wider, in der ich mich gerade befinde oder in der ich mich zu dem Zeitpunkt befunden habe, als ich den Song geschrieben habe."

Ein Beispiel dafür ist einer der heimlichen Hits der EP, der unwiderstehliche Indie-Pop-Ohrwurm ´Catacombs´, über den Chrissie bei der Veröffentlichung sagte:

"Der Song verkörpert einen Ort, der sowohl mental als auch physisch voll von Widersprüchen ist. Widersprüche, mit denen ich ständig zu tun habe, und Widersprüche, denen wir alle täglich begegnen. Widersprüche, Ungewissheit und Zweideutigkeit. Willkommen in meiner Welt, oder zumindest, wie ich sie sehe."

Tatsächlich ist es ihr so wichtig, ihre Welt und ihre Sicht der Dinge möglichst ungefiltert abzubilden, dass sie auf dem Weg zu ´Where Do You Wanna Go?´ glücklicherweise nicht der Versuchung erlegen ist, mit gängigen Majorlabel-Tricks eine Abkürzung zum ganz großen kommerziellen Erfolg zu nehmen. Deutsche Texte stehen für sie deshalb genauso wenig zur Debatte wie Features anderer Künstlerinnen und Künstler, selbst wenn die ein paar neue Follower mehr versprechen würden. Auch deshalb sind ihre Ambitionen erfreulich bescheiden."Ich habe mir tatsächlich viele Gedanken gemacht, gerade was das Thema Erfolg angeht und irgendwelche Milestones und Ziele", sagt sie. "Ich glaube, für mich ist einfach nur wichtig, dass ich gesagt habe, was ich sagen wollte, und Musik gemacht habe, die ich wirklich fühle und die mir Spaß gemacht hat. Es würde mich natürlich superdoll freuen, wenn es Menschen gibt, die diese Musik hören und damit was anfangen können, im Sinne von: Wenn sich jemand gehört fühlt oder inspiriert fühlt durch meine Songs, dann habe ich schon alles erreicht!"

Aktuelle EP: Where Do You wanna Go? (Don't Be Greedy)


Weitere Infos: www.instagram.com/nothhingspecial Foto: Max Lange

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