Ein Blick über den Tellerrand: Auf seinem just veröffentlichten vierten Album, ´Broken Hearted Blue´, öffnet sich das US-Quartett Jenny Don't And The Spurs mehr denn je, schaut sich klanglich nun auch jenseits von Country & Western, Honky-Tonk und Cow-Punk um und setzt dabei auch im Studio ganz auf die mitreißende Energie seiner Live-Auftritte. Apropos Konzerte: Im Juli tritt die Band beim sagenumwobenen Static-Roots-Festival in Oberhausen auf und absolviert zuvor auch gleich noch eine Handvoll Headline-Clubauftritte in Deutschland und Holland, bevor im Herbst eine ausgiebige Tournee folgen soll.
Fragt man Jenny Don't And The Spurs, was sie derzeit besonders glücklich macht, muss Frontfrau und Namensgeberin Jenny Connors nicht lange überlegen. Es sind die Konzerte, die ihre Band inzwischen rund um den Globus verteilt gibt:"Allein im letzten Jahr waren wir überall in den USA, überall in Europa, aber auch in Mexiko, Australien, Neuseeland und sogar Südostasien – Malaysien, Indonesien und auf den Philippinen – unterwegs. Überall, wo wir hinkommen, treffen wir Menschen, finden neue Freunde oder sehen alte Bekannte wieder, probieren neues Essen und neue Drinks, und genau das ist es, wonach wir suchen!"
Wenn sie nicht gerade die Welt bereisen, sind Jenny Don't And The Spurs – neben Jenny ihr Partner Kelly Halliburton am Bass, Christopher March an der Gitarre und seit dieser Platte Buddy Weeks am Schlagzeug – in Portland, Oregon, zu Hause und dort auch sehr glücklich.
"Portland ist toll für uns, weil es hier keinen klaren Fokus auf einen bestimmten Sound gibt", erklärt Kelly. "Orte wie Nashville oder Los Angeles, wo die Leute hingehen, um groß rauszukommen, das sind Bandmühlen, die zermahlen die Bands, bis nichts mehr von ihnen übrig ist. Die Leute gehen dorthin, weil sie an die große Karriere glauben, und dann stellen sie fest, dass es dort eine Million anderer Bands gibt, die das gleiche wollen, und dann verschwinden sie sang- und klanglos."
Den Grundstein für die Spurs legten Jenny und Kelly vor rund 15 Jahren. Zunächst als Side-Projekt ihrer Punk-Band Don't gestartet, der Jenny ihren Bühnenamen entlieh, wurde die Band über die Jahre immer größer und wichtiger, bis sie zu einem Vollzeitprojekt für die zwei wurde, auch wenn das bedeutet, dass ihr Faible für Punkrock inzwischen etwas in den Hintergrund rückt.
"Sagen wir mal so: Es gibt nur ein sehr kleines Segment in der Bevölkerung, das Freude daran hat, sich von einer Band ins Gesicht brüllen zu lassen", sagt Kelly. "Ich kam an den Punkt, an dem mir klar wurde, dass die Anarcho- und Crust-Punk-Bands, in denen ich zuvor gespielt hatte, nie für meinen Lebensunterhalt würden sorgen können. Mit den Spurs machen wir nun Musik, die wir lieben, die aber gleichzeitig für viele Leute leichter zu hören ist."
Schon mit dem letzten Album, ´Fire In The Ridge´, hatten die Spurs einen ordentlichen Satz nach vorn gemacht, und auch ´Broken Hearted Blue´ merkt man vom ersten Ton an, dass die Band die Platte viel bewusster und zielgerichteter angegangen ist als ihre liebenswert amateurhaften Frühwerke. Das verdankt sie and nicht zuletzt einer anderen Herangehensweise, denn anstatt sich wie früher darauf zu verlassen, dass sich im Studio alles zusammenfügt, kamen die Spurs dieses Mal besser vorbereitet zu den Aufnahmen.
"Dieses Mal haben wir vorab zu Hause beim Schreibprozess viel enger zusammengearbeitet und hatten alles schon vorgezeichnet", erklärt Jenny. "Deshalb ging es dieses Mal bei den Aufnahmen schneller und alle waren selbstbewusster beim Spielen. Ich denke, wir waren dieses Mal in puncto Ausführung einfach ein wenig besser."
Doch was war Jenny und Co. dieses Mal im Studio besonders wichtig?
"Bei unseren früheren Alben hatten wir immer ein wenig Schwierigkeiten, unseren Live-Sound auch im Studio einzufangen", antwortet Kelly. "Oft hören wir nach unseren Konzerten: 'Wow, bei euch brennt's ja richtig auf der Bühne, das hätte ich nach dem Hören eurer Platten gar nicht erwartet!' Dieses Mal war es uns deshalb besonders wichtig, dass man schon beim Hören der Platte denkt: 'Ich kann es kaum erwarten, die Band endlich live zu sehen', und ich denke, das haben wir ganz gut hinbekommen."
Tatsächlich ist das von Brian-Jonestown-Massacre-Bassist Collin Hegna produzierte Album hörbar energiegeladener und ausgefuchster ist als seine Vorgänger. Die Songs sind oft ein wenig länger und vielschichtiger, zumal die Band auch stilistisch ein größeres Netz auswirft und dabei eigene Vorlieben stärker betont als in der Vergangenheit. Auch wenn Cowboy-Stiefel, Stetson-Hüte und Fransenhemden nicht verschwinden: Der Weg von Country-Twang zu Garage-Rock ist deshalb nie sehr weit, und unterwegs streift die Band sogar noch Surf- und Rockabilly-Terrain.
Doch nicht nur deshalb markiert das Album einen kleinen Neuanfang für die Spurs, denn vor den Aufnahmen verstarb nach einer kurzen Krebserkrankung das dritte Gründungsmitglied, Drummer Sam Henry, im Februar 2022 im Alter von 65 Jahren. Ein für die anderen drei Bandmitglieder schwer zu verkraftender Schicksalsschlag, der natürlich auch Spuren auf ´Broken Hearted Blue´ hinterlassen hat, wenngleich vielleicht auf andere Art und Weise, als man denken sollte. Abgesehen vom emotionalen Schlusssong ´Bones In The Sand´ verzichten die Spurs darauf, ihre Trauer in den Fokus zu rücken. Stattdessen spiegelt die LP eher die Eigenschaften wider, die ihren verstorbenen Mitstreiter ausgemacht hatten.
"Wenn wir an Sam denken, dann kommen uns oft zuerst die witzigen und lustigen Momente in den Sinn", sagt Jenny, "zusammen reisen, zusammen lachen – unbeschwerte Freude! Genau das scheint auch auf diesem Album durch, denn so traurig das Ganze auch war: Sam war großartig und immer voller Leben!"
Aktuelles Album: Broken Hearted Blue (Fluff And Gravy Records / Membran)
Weitere Infos: www.jennydontandthespurs.com Foto: Jen Noel