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HAMISH HAWK

Selbstvertrauen statt Mut

HAMISH HAWK

Der schottische Songwriter Hamish Hawk ist zwar schon länger im Geschäft, hat aber erst mit seinen letzten beiden offiziellen Solo-Alben „Heavy Elevator“ und „Angel Numbers“ - zusammen mit seiner Band - zu einem Format gefunden, dass ihn als Künstler und Menschen in geeigneter Weise repräsentiert. Dabei entstehen die Songs in Zusammenarbeit mit seinen Musikern, dem Gitarrist Andrew Pearce und dem Drummer/Keyboarder Stefan Maurice, denen Hawk die musikalischer Ausarbeitung seiner Songideen betraut, während er sich dann von der Musik zu seinen Texten inspirieren lässt. Das Thema des nun vorliegenden dritten Albums „A Firmer Hand“ fand Hamish auf diese Weise, nachdem der erste Song „Machiavelli's Room“ fertig gestellt hatte: Es sollte um die Männer in seinem Leben gehen, nachdem er früher des öfteren die Damenwelt als Inspirationsquelle herangezogen hatte.

Und um welche Arten von Männern geht es Hamish Hawk auf dem neuen Album? Reale Personen, Archetypen oder Fabrikationen?

„Es ist eine Fusion von alledem“, führt Hamish aus, „ich schreibe schon grundsätzlich sehr autobiographisch. Ich fange keinen Song ohne wenigstens einen kleinen, authentischen Kern mit einer tagebuchartigen Wahrheit an. Erst danach stelle ich dem kontrastierende Bilder gegenüber und reagiere drauf. So arbeite ich immer. Ich versuche schon auch mal anders zu arbeiten, habe aber festgestellt, dass diese Methode mir am nützlichsten ist. Es geht um alle möglichen Arten von Männern. Einige von ihnen sind Kollegen, Partner, Familienmitglieder oder Chefs. Sowas habe ich in der Vergangenheit schon mal angedeutet. Es gab Texte aus der Vergangenheit, wo ich das Gefühl hatte, dass es da noch mehr geben könnte. Ich hatte einen Song namens 'Bakerloo, Unbecoming' von 'Heavy Elevator', der die Textzeile 'essentially it comes down again – to the limitless mysteries of other men'. Da hatte ich damals schon das Gefühl, dass es da noch mehr gäbe, was ich zu diesem Thema sagen könnte – und 'A Firmer Hand' ist das Album, mit dem ich das dann realisieren wollte."

Das bringt uns zu einem interessanten Punkt: Wenn es Hamish Hawk bei diesem Album um Männer geht – welche Rolle spielen denn die Frauennamen in den Songs „Juliet As Epithet“ und „Nancy Dearest“?

„Du hast doch eben nach Archetypen gefragt“, meint Hamish, „ich würde sagen, dass es dabei dann um Archetypen geht. Meine letzten Alben waren ja reichlich mit Frauennamen durchsetzt. Besonders früher habe ich oft meine eigenen Musen kreiert – worin ich heutzutage eine gewisse Torheit sehe. 'Juliet' und 'Nancy' sind also Archetypen, die ich allerdings nicht auf irgendwelchen Podesten überhöhen möchte, sondern die für bestimmte Ideen in meinem Kopf stehen, die ich nicht ausführen möchte. Es sind aber sehr spezielle, absichtlich gewählte Namen. Sie sind ja auch die einzigen Frauen auf dieser Scheibe."

Was will uns eigentlich der Titel des Albums – „A Firmer Hand“ - sagen? Es handelt sich dabei ja um eine Zeile von dem Song „Big Cat Tattoos“.

„Ja genau“, bestätigt Hamish, „der Titel ist aber nicht mir eingefallen, sondern Andrew Pearce. Ich hatte einen Arbeitstitel im Sinn – denn ich fange oft mit einem Titel an, wenn ich ein Projekt angehe, der aber nun ganz eindeutig nicht richtig gewesen wäre. Andrew hat dann gesagt: 'Hamish, ich kann Dir mit dem Titel helfen'. Es ging darum, dass ich in der Vergangenheit oft vor unbequemen Wahrheiten zurück gescheut bin – weil sie schmerzhaft, peinlich und beschämend sind. Der Albumtitel machte das deutlich, indem er aussagte, dass dieses Album dann eine festere Hand benötige – wie Andrew es vorgeschlagen hatte. Das gab mir den Raum, die großen, unausgesprochenen Dinge anzugehen, die ich bisher nicht zum Ausdruck gebracht habe. Das hat mich dann ganz schön nervös gemacht."

Braucht es dann also auch Mut, um solche Entscheidungen zu treffen?

„Das ist eine sehr gute Frage“, meint Hamish, „ich fühle mich jedenfalls nicht mutig. Das Schreiben der Scheibe, die Aufnahmen und jetzt die Phase bis zur Veröffentlichung finde ich jedenfalls nervenaufreibend. Ich bin einer der Leute, die sich schon damit beschäftigen, wie andere mich wahrnehmen könnten und bin von Natur aus jemand, der gefallen möchte und bin deswegen jetzt nervös – kann aber gar nicht sagen, ob man als Songwriter mutig sein muss oder sollte. Die Art von Musik, die ich schreibe, braucht aber auf jeden Fall eine gewisse Form von Selbstvertrauen. Man muss an sich glauben. Es ist also weniger Mut, als Selbstvertrauen."

Was war denn die größte Herausforderung? Vielleicht genau dieses Selbstvertrauen zu finden, die sprichwörtlichen „Skelette im Schrank“ zu finden?

„Ja – denn dieses Album ist das erste, dass diesen Effekt auf mich hatte“, gesteht Hamish, „es ist für mich nicht nur als Songwriter, sondern auch als Person wichtig, denn es ist ein sehr persönliches Album. Ich warte immer noch auf die Offenbarung des Sinns für mich selbst und ich weiß nicht, ob ich diesen Prozess fortführen werde. Deswegen weiß ich auch nicht, in welche Richtung das nächste Album gehen wird."

Musikalisch bewegen sich Hamish und seine Band auf diesem Album zwischen düsterem Power-Pop, Glamrock und Kaputnik-Blues, ohne auf die orchestralen Elemente des „Angel Numbers“-Albums zurückzugreifen, denn die Maxime war, dass die Musik von der Kernband live zu reproduzieren sein sollte. Einen musikalischen Plan für die Zukunft gibt es dann aber noch nicht, oder?

„Oh - Ich denke schon an die Zukunft“, führt Hamish aus, „ich will auf jeden Fall weiter Musik machen, weil die Musik das ist, was mir das Leben auferlegt hat. Aber obwohl ich vieles davon ausgewählt habe, gibt es auch viele Sachen die mir einfach so passiert sind. Obwohl ich also über die Zukunft nachdenke, will ich mich andererseits auch nicht von meiner Vorstellung von der Zukunft einengen lassen, weil ich es vorziehe, mich überraschen zu lassen. Ich sehe zum Beispiel nicht, dass ich mal ein Album mit Standards oder American Songbook-Classics oder Mississippi-Delta-Blues veröffentlichen werde - wäre aber auch offen dafür. Worauf ich am stolzesten bin, ist dass ich mit meiner Band einen einzigartigen Ort geschmiedet haben, der ziemlich einzigartig ist. Wir wollen auch vermeiden, dem Trend oder dem, was andere Künstler machen zu folgen. Das hat uns soweit recht gut getan. Ich kann mir also vorstellen, dass sich meine Karriere in alle möglichen Richtungen entwickelt und bin gespannt, wohin mich die Reise führen wird."

Aktuelles Album: A Firmer Hand (So Recordings / Rough Trade) VÖ: 16.08.


Weitere Infos: https://hamishhawk.com/ Foto: Ullrich Maurer

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