Die kanadischen Schwestern Tegan & Sara mögen zwar eineiige Zwillinge sein – und kleine dazu – dennoch vermitteln sie nicht den Eindruck, daß dieses irgend eine Rolle bei ihrem künstlerischen Tun spielt. Ganz im Gegenteil: Sie geben sich recht unterschiedlich und vor allen Dingen – eingedenk der körperlichen Größe – auch großspurig und selbstbewußt. Tegan z.B. redet – einmal losgelassen – ohne Unterlaß, Punkt und Komma, während Sara durchaus geneigt scheint, erst einmal nachzudenken, bevor sie etwas sagt. Und dann ist sie mit ihrer Schwester durchaus nicht immer einer Meinung.
Was die Position der jungen Wilden betrifft, so können sie durchaus beruhigt in die Zukunft sehen. Ohne etwa die Art von Hype mitmachen zu müssen wie z.B. ihre Kollegin Avril Lavigne, ist ihr musikalisches zu Hause Neil Young´s Vapor Label, eine sichere Bank. Was sagt denn der Chef zum zweiten Album der Mädels „If It Was You“? „Nun ja, zunächst meinte er, er verstehe es nicht“, erklärt Tegan, „dann hat er es aber ein paar Mal angehört und jetzt gefällt es ihm. Nun, es ist sein Geld, das er in uns investiert. Da ist es schon besser, wenn es ihm gefällt.“ Soviel noch mal zum Thema Selbstbewußtsein. Dieses macht sich auf den neuen Werk auch musikalisch bemerkbar, denn im Gegensatz zum Erstlingswerk machen Tegan & Sara jetzt das, was sie wollen. „Ja, beim ersten Album „The Art Of Business“ mußten wir doch aufpassen, weil die Leute etwas bestimmtes erwarten, wenn Du als Frau Musik machst“, erinnert sich Sara. „Jetzt wollen wir weg von dem Image „Sensible Folkies“, in das wir gesteckt wurden, weil wir akustische Gitarren spielen“, ergänzt Tegan. „Wir spielen jetzt vollzeitmäßig mit einer Band. Der Fokus liegt also auf dem Band-Sound und nicht auf dem Duo-Sound. Wir wollten schließlich in Rock-Clubs spielen. Punk, Pop, Rock – wir sind nicht akustischer Folk – daher kommen unsere Einflüsse nun wirklich nicht. Auf dieser Scheibe haben wir definitiv Vollgas gegeben.“ Da war auch wieder dieses Wort „widerwärtig“, mit dem sich die Damen selbst titulieren. Dabei wirken sie doch eher niedlich als widerwärtig. „Widerwärtig ist für die meisten Leute ja etwas Negatives“, erklärt Sara, „ich denke aber schon, daß wir widerwärtig sind. Es ist wohl so etwas wie eine Unsicherheit. Viele meiner Lieblingsbands sind aber z.B. wesentlich widerwärtiger als wir. Es ist so etwas wie eine Art Entschuldigung: ´Wenn Du uns nicht magst, dann liegt das daran, daß wir widerwärtig sind´.“ „Unsere Definition von ´widerwärtig´ ist nicht die, die Du im Wörterbuch findest“, erklärt Tegan, „es ist so: Wir haben viel zu sagen, uns ist es aber egal, ob Du zuhörst. Und dann gibt´s noch etwas: Songs wie ´I Hear Noises´ oder ´Time Running´ erscheinen mir widerwärtig. Nicht wörtlich, aber wenn Du das Thema und die Stimmung runterbrichst, wo ich Dir etwas sehr persönliches erzähle, daß ich nämlich besitzergreifend und überheblich bin, dann ist das schon irgendwie widerwärtig – von mir, Dir das zuzumuten. Das ist, als sagte ich damit, daß das OK ist, wenn ich nervig und irritierend und traurig und besitzergreifend und deprimiert bin. Das ist doch widerwärtig, oder? Ich finde das jedenfalls.“ Nun, das kann man sehen wie man will. Richtig ist aber, daß Tegan & Sara mit diesem Werk und dessen perfekter Mischung aus musikalischer Offenheit, jugendlichem Drive, Credibility und dem Willen, sich nicht in eine bestimmte Ecke drängen zu lassen der musikalischen Selbstverwirklichung jedenfalls einen großen Schritt näher gekommen sind.Aktuelles Album: If It Was You (Vapor/Sanctuary)
Foto: Ulrich Maurer