
„Im Musikbiz gibt es ganz wenige Dinge, die wirklich real sind“, sinniert Tricky bei unserem Gespräch in Köln. „Dazu gehört noch nicht einmal, auf der Bühne zu stehen. Selbst wenn du die miserabelste Performance deines Lebens ablieferst, werden einige Leute immer noch klatschen und vor der Bühne durchdrehen. Nichts von alledem ist real.“ Aussagen wie diese machen es etwas vielleicht etwas einfacher, die Musik des kleinen Mannes mit den großen Ideen zu verstehen. Sich dem Publikum anzubiedern, war noch nie sein Ding. Kein Wunder also, dass auf seinen Soloerstling „Maxinquaye“ vor acht Jahren – ein Album, für das Tricky als Wegbereiter des TripHop gefeiert wurde – ein Jahr später eine schwer verdauliche, düstere musikalische Achterbahnfahrt wie „Pre-Millennium Tension“ folgte. Mit „Blowback“, seinem ersten Album für das Anti-Label vor zwei Jahren, kehrte Tricky bereits teilweise zu alten Tugenden zurück, aber nie war er seit seinem Erstling besser als auf seiner nun erscheinenden neuen Scheibe, „Vulnerable“.
Passend dazu präsentiert er sich auch bei seinen Interviews inzwischen erstaunlich aufgeräumt – von den Verrücktheiten früher Tage ist, zumindest im persönlichen Umgang mit ihm, glücklicherweise nicht mehr viel übrig. Tricky, inzwischen 35 Jahre alt, ist erwachsen geworden und hat nicht nur musikalisch viel gelernt. „Irgendwann zu ‚Maxinquaye’-Zeiten saß ich im Auto auf dem Weg zum Heathrow Airport, und es regnete ein wenig. Auf der Überholspur fuhr ein Typ auf einem Motorrad direkt neben mir, und hinter ihm stand eine Werbetafel mit dem größten Poster meines Gesichts, das ich je gesehen habe. Der Typ schaute mich an, dann schaute er zum Poster hinüber, aber er konnte nicht eins und eins zusammenzählen! Da wurde mir bewusst: Das alles ist nicht real! Zwischen Öffentlichkeit und Privatleben gibt es eine klare Trennung, und das war gerade ein Paradebeispiel dafür!“ Gleich mehrfach erwähnt Tricky bei unserem Gespräch, dass er noch unglaublich viele Ideen im Kopf habe, die er bisher noch nicht umsetzen konnte. Da wollen wir natürlich wissen, ob er manchmal das Gefühl habe, vor allem in der zweiten Hälfte der 90er Jahre ein wenig Zeit verschwendet zu haben? „Nein, das kann man so nicht sagen. Ich wäre heute nicht der, der ich bin, wenn ich das nicht alles durchgemacht hätte. Selbst meine Fehler haben zu positiven Dingen geführt. Nachdem ich Island Records verlassen hatte, fand ich heraus, dass die Leute es dort für einen Fehler gehalten haben, eine Platte wie ‚Angels With Dirty Faces’ überhaupt zu veröffentlichen. Das Gleiche gilt für ‚Nearly God’, aber ich habe diese Platten einfach gebraucht! Genauso weiß ich, dass diejenigen meiner Fans, die zum Beispiel ‚Pre-Millennium Tension’ gemocht haben, mit dem neuen Album so ihre Schwierigkeiten haben werden. Da kann ich nur sagen: ’Tricky kann man nicht immer mögen. Vielleicht kannst du ihn stets als Künstler respektieren, aber du kannst ihn nicht immer mögen’! Zum Glück habe ich eine sehr treue Fangemeinde, die mich durch dick und dünn begleitet hat. Für meine Anhänger gilt das Gleiche wie für mich: Sie wollen gefordert werden.“Glücklicherweise hat Tricky inzwischen mit dem Epitaph-Sublabel Anti eine Plattenfirma gefunden, die mit ihm in dieser Hinsicht auf einer Wellenlänge liegt. Aber selbst der Umgang mit den Vertretern von Plattenfirmen, die ganz andere Vorstellungen haben als er, bereiten Tricky heute bisweilen Freude. „Ich hatte letztes Jahr einige Treffen mit Labelvertretern, die bis auf eines alle grausam waren“, erinnert er sich. „Die Ausnahme war dieses seltsame Meeting mit einem Typen von Sony Music. Das war einer der ehrlichsten Menschen, die ich je getroffen habe. Wir saßen zusammen unter einem J-Lo-Poster, und er schaute mich an und sagte: ‚Tricky, um ehrlich zu sein – ich habe von deiner Musik keinen Schimmer! Aber du siehst klasse aus, du siehst aus wie ein Rockstar, du siehst aus je jemand, mit dem ich gerne zusammen abhängen würde! Ich würde dich gerne unter Vertrag nehmen, lass uns mal schauen, ob sich unsere Vorstellungen decken!’ Natürlich taten sie das nicht, denn ich verkaufe nicht so viele Platten wie J-Lo und könnte demnach nicht ähnlich viel Geld für Sony scheffeln, aber das Gespräch war dennoch unglaublich erfrischend!“

Der größte Unterschied zu seinen früheren Veröffentlichungen ist also ohne Zweifel, dass Tricky viel bewusster bei der Sache ist. Dieses Mal hat man wirklich das Gefühl, dass er sein Leben im Griff und seine Karriere unter Kontrolle hat. Und deshalb ist „Vulnerable“ ein Comeback, das ihm in dieser Qualität wohl viele nicht mehr zugetraut hätten!
Weitere Infos: www.anti.com