May Your Kindness Remain´ heißt das phänomenale neue Album von Courtney Marie Andrews, mit dem die amerikanische Singer/Songwriterin mit der bittersüßen Wahnsinnsstimme weniger als anderthalb Jahre nach ihrer letzten Großtat ´Honest Life´ mit Empathie statt Nostalgie einen weiteren Satz Richtung Americana-Olymp macht und sich dabei inzwischen locker mit eigentlich unantastbaren Legenden wie Emmylou Harris messen kann – auch wenn ihr das Ganze selbst manchmal noch nicht ganz geheuer ist.
„Die Chance zu haben, das zu tun, was ich mache, fühlt sich für mich immer noch ein wenig verrückt an", gesteht sie im Westzeit-Interview. „Viele Jahre lang musste ich in irgendwelchen Nebenjobs schuften, um mir das Musikmachen leisten zu können. Inzwischen ist die Musik eine Vollzeitbeschäftigung für mich, und das ist einfach… cool!“Courtney ist gerade einmal 27 Jahre alt, aber ihre Biografie liest sich bisweilen wie die einer Veteranin, die schon seit Jahrzehnten ihre Runden durch das Musikbusiness dreht: ´May Your Kindness Remain´ – aufgenommen in L.A. mit ihrer langjährigen Tourband und Mark Howard (Bob Dylan, Lucinda Willams, Tom Waits) am Mischpult – ist bereits ihr siebtes Soloalbum, seit sie bereits mit 16 von zu Hause weg ist, dazu kommen Studio- und Konzert-Jobs als Backup-Sängerin und Leadgitarristin, mit denen sie alles zwischen Alternative Rock (Jimmy Eat World), Indie-Folk (Damien Jurado) bis zu Pop (Milow) abdeckte, und immer wieder endlose Konzertreisen durch die ganze Welt. All das spiegelt sich auch in ihrem neuen Album wider, mit dem sie jenseits von Oldschool-Country-Seligkeit, feingliedrigem Folk und Indie-Attitüde mit spürbaren Einflüssen aus Soul und Gospel neue Inspirationsquellen anzapft und aus der Mitte eines tief gespaltenen Landes erfreulich klischeefreie Dramen inszeniert, die stets emotionsgeladen, aber nie gefühlsduselig sind.
Dabei stehen statt plakativer Verallgemeinerungen die persönlichen Geschichten im Vordergrund. Das Thema ist klar: Es geht um die bisweilen übermenschlich anmutenden Krisen und Herausforderungen, denen sich die Menschen derzeit nicht nur in den USA ob der immer weiter fortschreitenden Perspektivlosigkeit stellen müssen. Mit ihren Liedern begibt sich Courtney zumeist in die Rolle der klugen Beobachterin und beweist dabei ein ums andere Mal ein goldenes Händchen dafür, den alltäglichen Überlebenskampf in poetischen, aber dennoch nicht geschönten Worte zu beschreiben, ganz egal, ob sie Depressionen und Vereinsamung, Arbeitslosigkeit und Armut oder gar Gentrifizierung in den Mittelpunkt stellt.
Die Eloquenz, die sie über die Jahre als Songwriterin entwickelt hat, führt Courtney auf den Troubadour-Lifestyle zurück, den sie inzwischen seit mehr als einem Jahrzehnt pflegt. Derzeit trägt sie sich sogar mit dem Gedanken, ihren persönlichen Kram einzulagern, ihre Wohnung aufzugeben und die wenigen Tourneepausen in den kommenden Monaten in Airbnbs zu verbringen.
„Wenn du herumreist wie ich, vergleichst du ständig die Orte, an denen du dich befindest, mit denen, wo du lebst oder wo du herstammst“, erklärt sie. „Meine Reiserei hat mich zu einer viel klareren Sicht auf mein Leben und meine Herkunft geführt, und daraus sind viele der Songs entstanden. Es ist fast so, als wenn man von außen auf sein Leben schaut, und aus dieser Perspektive betrachtet fällt es mir sehr leicht, Lieder zu schreiben.“
Dennoch stellt sich die Frage, wie es Courtney schafft, optimistisch zu bleiben in Zeiten, in denen vielen andere genau das nicht gelingt.
„Nun, auch ich habe meine Momente der Schwäche und bin nicht immer optimistisch“, gesteht sie. „Letztlich habe ich aber das Gefühl, dass ich immer wieder hören muss: ´Wir können die Schwierigkeiten meistern!´ Ich brauche dieses kleine Licht am Ende des Tunnels, und wenn es mir so geht, dann sehen viele andere das sicher genauso. Optimismus ist in dieser Hinsicht für mich eine reine Notwendigkeit.“
Aktuelles Album: May Your Kindness Remain (Loose Music / Rough Trade)
Weitere Infos: www.courtneymarieandrews.com Foto: Laura E. Partain