Die Erben der Scherben haben ein feines Album am Start, und sie füllen die alten Klassiker akustisch wieder mit neuem Leben. Ton Steine Scherben waren zu Beginn der 1970er Jahre die politischste deutsche Musik-Formation. Die Band war das Aushängeschild der linken Protestbewegung. 1985 zerbrach die Truppe. Ex-Sänger Reiser wurde mit dem Scherben-Song ´König von Deutschland´ Popstar. 1996 starb er. Seit 2004 versammeln sich immer wieder ehemalige Scherben als Ton Steine Scherben Family um Sichtermann und Götzner. 2014 war der Nukleus der Gruppe gar mit Songschreiber R.P.S. Lanrue unter dem Originalnamen unterwegs.
Der Liedermacher Gymmick gewann 2001 den Rio-Reiser-Songpreis als bester Solist.Sichtermann: „Kennengelernt hatte ich Gymmick vor einigen Jahren in Berlin durch Lanrue. Seit 2008 gibt es unsere Berliner Dampferfahrten auf Spree und Landwehrkanal, immer so um den Todestag von Rio Reiser. Zuerst hat Sven Panne gesungen, danach Marius del Mestre. Als Marius 2014 nicht mehr mit uns spielen wollte, mussten wir einen neuen Sänger finden. So fiel die Wahl auf Gymmick.“
So zieht der Sänger / Gitarrist seither mit den beiden Scherben durch die Lande, um u.a. Klassiker wie ´Keine Macht für Niemand´ zu intonieren. 2017 erschien mit ´Radio für Millionen´ erstmals seit der Original-Scherben-Trennung 1985, bzw. seit deren letzten Studioalbum ´Scherben´ (1983) ein neues Studio-Album (dieses Teils) der (langjährigen) Musiker von Ton Steine Scherben. Das Doppelalbum ´Radio für Millionen´ enthält neben der CD ´Live aus Nürnberg´ auf der ´Studio Berlin - CD´ wirklich neues Material. Und tatsächlich, ´Am Jenseits´ klingt nach TSS. Unter anderem, weil Gymmicks Timbre jenem von Reiser ähnelt. Für ´Wenn du schön wohnst´ (geschrieben von Gymmick), und ´Sternenstaub´ (Text Götzner, Melodie Gymmick) gilt das Gleiche. ´Fado für dich´ entsprang der Feder von Sichtermann, Ex-Scherben-MGMT Misha Schoeneberg sowie Ex-TSS-Backinsängerin Angie Olbrich. Der Bonus-Track ´Vage Sehnsucht´ (bisher unveröffentlichte Demo-Aufnahme; T./M.: Olbrich-Sichtermann) wurde bereits 1982 noch von den Scherben (mit Lanrue, Paul, Sichtermann, Götzner, von Rio Reiser eingesungen!) realisiert. Auf ´Radio für Millionen´ sind viele ehemalige Scherben-Musiker zu hören.
Sichtermann: „Es sind tatsächlich fast alle gekommen, haben mitgemacht. Es hat unglaublich viel Spaß gemacht.“
Und wie bewerten die anderen (Ex-) Scherben das neue Album?
Sichtermann: „Von Martin Paul und Angie Olbrich weiß ich, dass sie es gut finden. Mit den Anderen habe ich noch nicht darüber gesprochen.“
Auch Live ist der Traum noch nicht aus: Entspannt sitzt das Rhythmus-Duo, bestehend aus Kai Sichtermann (Bass) und Klaus „Funky“ Götzner (Schlagzeug), auf Hockern auf der Bühne, um den Takt für den Nürnberger Liedermacher Gymmick (Gesang, Gitarre) vorzugeben. Seit April ist das Trio fast permanent „on tour“. Im Mai / Juni folgen weitere Dates in Bremen, Bremervörde und Berlin, bevor im August einige Open-Airs anstehen.
Sichtermann: „Viele der älteren Besucher freuen sich, mit uns die alten Lieder noch einmal zu singen. Selbst die jungen Leute singen textsicher mit. Das Publikum ist oft überrascht, wie aktuell unsere Texte heute noch sind. Darüber hinaus ist das ganze Drumherum heute viel organisierter. Das war in den 70ern oft eine Katastrophe. Was ich sehr angenehm finde, ist, dass ich im Sitzen spielen kann. Alles ist viel differenzierter. Dadurch, dass wir lediglich mit drei Instrumenten akustisch spielen; also Cajón, Gitarre, Bass; kommt mein Bassspiel viel differenzierter herüber. Die Texte sind besser zu verstehen.“
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Aktuelles Album: Radio für Millionen (Fuego / Indigo)
Weitere Infos: www.scherben-akustisch.de Foto: Ralf G. Poppe