Menschen, die auf den ersten Blick ruhig und einsilbig wirken, haben manchmal ein spannendes Innenleben. Wer bei Billy Howerdel, Gitarrist und Mastermind bei A Perfect Circle hartnäckig bleibt, bekommt Kluges in Sachen Sozialkompetenz, Musik- und Haushaltsfragen geboten. 14 Jahre haben er und (Tool-)Sänger Maynard James Keenan gebraucht, um mit ´Eat the Elephant´ eine neue Platte zu veröffentlichen. Auch wenn die Arbeit am vierten Album nur ein Jahr gedauert haben soll, waren die 13 davor eine lange Zeit. Doch wenn Familienvater Billy eines kann, dann Ruhe bewahren.
Du bist bestimmt kein ungeduldiger Typ, oder?„Ich habe sicher viele Fehler, aber nein, Ungeduld gehört nicht dazu (lacht).“
Wen lässt du deine Arbeit bewerten?
„Viele unterschiedliche Leute. Ich habe gute Freunde, die keine Musiker sind. Oft beobachte ich sie nur und sage mir: „Ich weiß gerade ganz genau, was er über den Song denkt.“ Ich beobachte, wie sich die Aufmerksamkeitsspanne der Leute entwickelt, ob sie sich zur Musik bewegen oder nicht.“
Spielst du auch Fremden neues Material vor?
„Auf unserer Tour im vergangenen November hatte jemand zwei junge Fans backstage gebracht, weil er ihnen eine Freude machen wollte. Einer von den Jungs saß im Rollstuhl und war unheilbar krank. Wir hatten jeden Tag auf Tour ein Aufnahmestudio in meinem Backstage-Raum eingerichtet, weil ich noch an der neuen Platte gearbeitet habe. Ich spielte ihnen dort "Disillusioned" vor, das noch nicht ganz fertig war. Für mich war das ein sehr emotionaler Moment, da es zuvor niemand außerhalb unseres Kreises gehört hatte. Ich spiele öfter Außenstehenden etwas vor und bin neugierig, vor allem wenn es um noch unfertiges Material geht.“
Ändert deren Reaktion etwas an deinem Urteil?
„Es hilft und bestätigt. Aber ich ändere nicht zwangsläufig etwas, weil es jemand anderem nicht gefällt. Solange ich es gut finde, ist alles okay.“
Warst du immer so souverän?
„Ich hatte zwölf Jahre für andere Bands als Techniker gearbeitet, bevor ich mit A Perfect Circle startete. ´Halte fest an Sachen, die du magst, schiebe weg, was nicht gut ist´, bleibt mir als Lehre aus jener Zeit. Ich habe Leute erlebt, die sich von der Zustimmung anderer vereinnahmen lassen haben. Daran leiden Kunst und Psyche. Es ist hart, nicht so zu werden. Die Rezensionen, die dir im Gedächtnis bleiben, sind natürlich die negativen. Doch würde ich dafür den Verfasser attackieren, hätte ich das Wesentliche nicht begriffen. Die schlimmste Person der Welt kann dir einen richtig guten Rat geben. Mit vielen bösen Formulierungen vielleicht, aber es kann etwas echtes sein.“
Deine Ratschläge in Sachen Charakterstärke wären sicher sehr beliebt.
„Ich bin nicht perfekt und nicht aus Stahl. Ich bin emotional, versuche aber unterm Strich die Sachen so abzuhandeln: „Das ist interessant, weiter zum nächsten.“
Welche Musik mochtest du als du ganz klein warst?
„Der „Pink-Panther-Soundtrack“ von Henry Mancini war die erste Platte, die ich selbst zu Hause aufgelegt habe. Ich bin mit vier älteren Schwestern aufgewachsen. Der Musikmix, der im Haus lief, hat mich unweigerlich beeinflusst.“
Wie war es, mit vier älteren Schwestern aufzuwachsen?
„Großartig. Sie sind fünf bis zehn Jahre älter und hatten sich gut um mich gekümmert (lacht). Gegenseitig waren sie anders drauf, aber das passiert, wenn sich vier Highschool-Schülerinnen ein Badezimmer teilen müssen. Ich glaube, durch dieses Aufwachsen liebe ich es so, auf Tour zu gehen, immer von Leuten umgeben zu sein, dabei aber nicht der Alleinunterhalter sein zu müssen. Ich mag die Dynamik in einem Raum voller starker Persönlichkeiten. Meine Schwestern haben starke Persönlichkeiten, Musiker haben das auch. Es ist wie in einem Zirkus, du weißt nicht, was als nächstes passiert.“
Ist das nicht ermüdend?
„Als Techniker für andere Bands habe ich gelernt: Das ist nicht deine Situation! Du musst sehr achtsam sein, was den sehr begrenzten Raum um dich herum angeht. Es ist eine gute Lektion, weniger ichbezogen zu sein.“
Welche andere Kunst begeistert dich?
„Zählt kochen? Ich liebe kochen! Das Gefühl, ein Gericht zu kreieren, das die Leute sehen können und lieben, löst bei mir die selben Emotionen aus, wie Musik zu machen. Ich kann die Seite cooksillustrated.com empfehlen, die habe ich seit ein paar Jahren abonniert.“
Aktuelles Album: Eat The Elephant (BMG / Warner)
Foto: Tim Cadiente