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PIXIES

"Wer sind wir schon? Legenden - Nein!"

PIXIES

Es klingt wie ein verspäteter Aprilscherz, aber Pixies sind zurück. So richtig zurück: ´Indie Cindy´ heißt ihr erstes Album seit über 20 Jahren und soll verquerer Weise den eigenen Legendenstatus in Grund und Boden spielen. Zumindest behauptet Frontmann Black Francis dies und betont mit Nachdruck, dass er keine Vergleiche mit der Vergangenheit akzeptiert: „Die Leute denken zwar in solchen Schubladen, aber ich will nichts davon hören – wir haben uns keinesfalls im Studio versammelt um es uns aufgrund irgendwelcher alten Alben noch einmal beweisen zu müssen. Diese Songs entstanden in der Gegenwart, basta“, versucht er resolut die Diskussionen rund um die Frage zu beenden, was können Pixies anno 2014 ihrer ersten Bandphase noch entgegensetzen? Es mag für ihn funktionieren, das Geschehe auszublenden und den unrühmlichen Abgang von Bassistin Kim Deal zu ignorieren. So sehr Francis es aber will, die Stunde der Wahrheit ist mit „Indie Cindy“ trotzdem gekommen.

Diese Reunion, über die wir nun sprechen, geschah bereits bevor Reunions wieder „en vogue“ wurden. Per Pressemittelung vermeldeten Pixies im Februar 2004 ihre Rückkehr auf die Bühnen dieser Welt und kündigten eine ausgedehnte Tour durch Hallen und Stadien an. Kurz darauf waren die meisten Gigs ausverkauft und nicht wenige hofften sogleich auf mehr.

Black Francis aka Frank Black schüttelt darauf angesprochen den Kopf: „Neue Songs aufzunehmen kam damals nicht in Frage – wir hatten die alten ja seit mehr als zehn Jahren nicht gespielt, also fühlten sie sich recht neu an.“

Einsilbige Antworten, die den Fragen sämtliche Doppeldeutigkeit nehmen, waren schon immer sein Ding – vor und nach dem Ende von Pixies.

Auch beim heutigen Interviewtag ist er nicht wirklich der charmante Gesprächspartner, den man sich als Redakteur wünscht und stellt ziemlich zu Beginn seine Anliegen klar: „Frag mich bitte nicht nach irgendwelchen Vergleichen mit der ersten Phase der Pixies, zwing mich nicht, meine Musik zu analysieren und könnten wir Kim Deal auch ausblenden? Danke.“

Womit nicht mehr übrig bleibt, erwidert man entschlossen.

„Stimmt nicht! Frag doch mal, was meine Frau zur Platte sagt“, wirft er dazwischen, „die fand sie nämlich erst richtig scheiße und meinte, wir müssten noch viel üben – mehr ginge nicht, erwiderte ich und dann nahm sie die Songs und stellte die Reihenfolge komplett auf den Kopf: Jetzt geht’s einigermaßen, war sie plötzlich der Meinung.“

Der brüskierte Ehemann kann inzwischen darüber lachen und erklärt, dass ´What Goes Boom´ von ihr als Eröffnungsstück gewählt wurde, weil es ziemlich gut sein Verhältnis zu Frauen thematisiere: „Keine Ahnung ob das stimmt, aber wenn sie das sagt, muss es wohl.“ Zuckt Francis mit den Schulter und hat ein Thema gefunden, über das er gerne sprechen möchte: Frauen und ihr Einfühlvermögen.

Ein cleverer Schachtzug, doch auf allzu abseitige Pfade will man sich nicht führen lassen und wirft kurzerhand das Guardian-Interview, welches er Anfang des Jahres gab, in die Runde. Um auf eine Reaktion zu hoffen, die vielleicht ein stückweit die aktuelle Band-Chemie erklärt:

Habe er die harschen Aussagen über den Abgang von Gründungsmitglied Kim Deal je bereut? Das Blatt zitiert ihn immerhin wie folgt:

„Zum Schluss war sie nicht einmal in der Lage pünktlich ins Studio zu kommen – dann riefen wir bei ihrer Mutter an wie bei einem Kind und die wusste meist, wo ihre Tochter rumlungert und schickte sie dann rüber. Einen Tag vor ihrem Abgang meinte sie noch, sie würde am liebsten jeden von uns heiraten.“

Kaum zitiert, knackt die harte Schale, die Francis versucht ist aufzubauen: „Ob ich es bereut habe?“, fragt er harsch zurück, „natürlich bereue ich es, wenn Leute nicht zurückgeben, was sie bekommen. Kim steckt in diesem Album wie jeder von uns und hält es nicht für nötig die Sache ordentlich zu Ende zu bringen.“

Stattdessen soll sie im Studio immer wieder von ihrer anderen Band The Breeders gesprochen haben und wie toll es sei, mit denen bald auf Tour zu gehen, wie sehr sie die ehemaligen Kollegen vermisse und wer Black Francis nur zwei Minuten kennenlernt, der weiß, dass ihm solche Gedankenverlorenheit auf die Spitze treibt.

„Kim hat genau dasselbe Problem, was die Leute mit Pixies haben – sie denken zu viel über damals nach, das Leben geschieht aber im Hier & Jetzt, konzentrier dich auf das was du hast und nicht darauf, was du mal warst. ‚Indie Cindy‘ mit alten Platten zu vergleichen ist vollkommen absurd.“

Vergessen werden darf schließlich nicht, das Pixies in ihrer ersten Phase von der Gründung 1986 bis zur Trennung im Januar 1993, keineswegs den Alternative Götter-gleichen Status hatten, der ihnen heute gerne unterstellt wird – durch das kommerzielle Aufkommen des Grunge mit Nirvana und Pearl Jam entstand dieser eigentlich erst posthum und wenn man Francis mit dieser Einschätzung konfrontiert, stimmt er sogar zu:

„Das ist vollkommen korrekt und ich habe mich im Anschluss daran immer gefragt: Nirvana nennen uns als ihren größten Einfluss, was soll das für Pixies heißen? Macht es unsere Alben besser als sie sind? Nein, es zeigt nur, dass eine Band uns mochte und darüber kann man sich freuen, aber plötzlich fünf Meter über der Erde schweben, sollte keiner von uns.“

Zudem zerstörte die Art & Weise der damaligen Trennung das eingeschworene Bild von Pixies – Francis löste seine Band mehr oder minder in einem Radiointerview auf und sendete einen Tag nach Ausstrahlung ein Fax an seine Kollegen, dass es für ihn vorbei sei – was sie machen, sei ihm egal, er konzentriere sich jetzt ganz auf sich selbst.

Sein Alleingang gestaltete sich anschließend schwierig, da viele Platten um Abgrenzung bemüht waren und genau deswegen so sperrig klangen, dass ehemalige Pixies-Anhänger irgendwann aufgaben, den Ausflügen folge zu leisten. Es kam, was nach jeder Trennung kommt: Die Vergangenheit verwischte und Black Francis schloss Frieden mit ihr.

Nahm Anfang der 2000er wieder regelmäßig Kontakt zu seinem ehemaligen Gitarristen und Gesangskollegen Joey Santiago auf und bezeichnet diese Gespräche heute als Startschuss für ´Indie Cindy´, dem Comeback auf Albumlänge:

„Joey und ich hatten im Prinzip immer ein gutes Verhältnis, wenn es um die gemeinsame Musik ging und da es am Anfang aufregend war, die alten Sachen wieder Live zu spielen, hatten wir keinen Handlungszwang, etwas Neues präsentieren zu müssen – irgendwann zwingt dich die Kreativität aber dazu und du musst dir etwas einfallen lassen.“

Eingefallen sind Pixies zwölf Songs, die deutlich unter Beweis stellen, dass wir es hier immer noch mit einer der kraftvollsten Bands der Musikgeschichte zu tun haben. Eine Formation, die den Lärm in den Rock rechtzeitig zurückbrachte, als Stadioncombos wie INXS oder Simple Minds mit Keyboards und lupenreiner Produktion alles glatt bügeln wollten.

Als Ersatz für die geschasste Kim Deal stieß Paz Lenchantin zur Band, die einigen durch A Perfect Circle oder Billy Corgans Nebenprojekt Zwan ein Begriff sein dürfte – diese Auswahl traf man aufgrund zweier nicht unwichtiger Argumente, meint Francis kurz angebunden: „Sie ist zuverlässig und sie ist eine Frau.“

Womit wir beim Ausgangsthema wären, über das er unbedingt besprechen wollte: Die weibliche Seite von Pixies. Habe Lenchantin denn großen Einfluss auf das Geschehen in so kurzer Zeit haben können? „Paz ist super, weil sie mit ihrer Sicht der Dinge unsere grade rückt und ähnlich wie meine Frau, kann sie besser mit Emotionen umgehen als wir Männer.“

„Ich will nicht behaupten, Joey, David [Lovering, Pixies-Drummer, A.d.R.] und ich sind Gefühlskrüppel, aber darüber zu sprechen, ist nicht unser Ding – streiten wir uns also mal, kommt Paz und stoppt uns mit ihrer sehr einfühlsamen Art. Daher ist sie nach so kurzer Zeit bereits immens wichtig für Pixies, weil sie neue Impulse setzt.“

Alles neu macht das zugehörige Album ´Indie Cindy´ natürlich nicht, hält aber die Fahne des Alternatives hoch, wie keine andere Platte des Genres dazu momentan in der Lage ist und selbst wenn Francis nicht über die Vergangenheit sprechen möchte: Die neuen Songs damit zu vergleichen, macht sie keineswegs schlechter.

„Danke für das Kompliment“, schnauft es einem entgegen, „letztens meinte ein amerikanischer Journalist, ob wir uns heute besser fühlen als damals und ich dachte mir, was für eine bescheuerte Frage: Natürlich geht es uns besser, wir haben uns einst getrennt. Das meine ich mit Vergangenheitsquatsch über den niemand mehr von uns reden will.“

Um diese Rückkehr auf Albumlänge allerdings komplett zu verstehen, fragt sich nur noch, wer diese Cindy im Titel der Platte ist – eine Freundin? „Überhaupt nicht, sondern unser Publikum. ‚Indie Cindy‘ steht sinnbildlich für all die Leute, die uns nie vergessen haben.“

Wie könnte man – Pixies bleiben mit diesem Comeback genau die Legenden, zu denen sie einst wurden. Selbst wenn der Chef das nicht wahrhaben möchte.

Aktuelles Album: Indie Cindy (PixiesMusic / PIAS / Rough Trade)


Foto: Michael Halsband

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