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Paul Wunderlich – Zwischen Provokation und Poesie

Horst-Janssen-Museum Oldenburg



Er malte weibliche Akte in extremer Körperhaltung. Er zerfleischte das menschliche Fleisch, in dem er die Unversehrtheit des Körpers der Schärfe des Seziermessers aussetzte. Er zeigte die Reduzierung der Nacktheit bis auf die Knochen, dokumentierte die Verletzlichkeit des Körpers, in dem er die Seele des Menschen bis auf die Basis entblößte. Paul Wunderlich, ein Anhänger und Gestalter des Phantastischen Realismus, erlaubt im Horst-Janssen-Museum in Oldenburg einen Blick auf sein frühes lithografisches Werk.

Paul Wunderlich, 1927 in Berlin geboren, studierte 1947 bis 1951 an der Kunstschule im Hamburg und traf dort auf den dem Phantastischen Realismus nahestehenden Horst Janssen. Ihr Verhältnis war anfangs das des Lehrers (Wunderlich) und das des Schülers (Janssen), obwohl sie altersmäßig nur zwei Jahre auseinander waren. Beide lagen sich künstlerisch in den Armen, beschäftigten sich mit Zeichnung und Grafik, der eine (Wunderlich) mit aufblühend-grenzenloser Phantastik, der andere (Janssen) mit expressiv-zarten Zeichnungen, der den Menschen unter die Haut schaute. „Vorbild, Lehrer und Gegensatz“ nannte Horst Janssen den Mann, der ihm das Radieren beibrachte. In der Rede zu einer Ausstellung von Paul Wunderlich im Jahre 1987 sagte Janssen: „Er zeigte mir also nun das ganze Konvolut seiner Talente, seiner Erfahrungen und Verfahrensweisen und gab mir alles an die Hand ohne Brimborium und ohne Autoren-Gehabe und Lehrmeisterfirlefanz.“
Paul Wunderlich und Horst Janssen entwickelten nach visuellen Berührungspunkten in frühen Jahren später eine eigene individuelle Ästhetik. Immer jedoch hielten beide an der Figur fest, zunächst überwiegend abstrakt und auf Rudimente reduziert, später auch in realistischerer Ausprägung. Die Beziehung zueinander blieb in der Folge lose verknüpft, zu Janssens sechzigstem Geburtstag schuf Paul Wunderlich beispielsweise eine bronzene Porträtbüste von Janssens Kopf.
Die scheinbaren Gegensätze „Provokation und Poesie“ sind in Paul Wunderlichs schwerpunktmäßig lithographischen Arbeiten nahezu aufgehoben. In Oldenburg steht die Schaffensperiode von 1949 bis 1975 im Fokus realistischer Werke, denen Wunderlich eine gehörige Portion Phantasie beimischt. Die bei ihm hoch entwickelte Ästhetik äußert sich in absonderlicher Gestaltung, was durchaus positiv einzuordnen ist. Der Künstler liebt das Experiment, seine eigene Nähe zum Bildinhalt zeigt er oft dadurch, dass er sich als Person mit in das Bild begibt. In unerfreulicher Weise machte er 1960 mit der Staatsanwaltschaft Hamburg eine unrühmliche Bekanntschaft. Die beschlagnahmte nämlich die Mappe „qui s'explique“ mit elf Lithografien wegen unsittlicher Darstellungen, wie damals angeblich moralische Verfehlungen in der Kunst genannt wurden. Paul Wunderlich, der 2010 in Saint-Pierre-de-Vassols gestorben ist, schwelgte später in teils surrealistischer Manier und gab dem prallen Leben seine Sicht auf die Dinge in real-phantastischer Weise und mit exzentrischer Farbgebung zurück. Insbesondere die kühle Erotik seiner Aktdarstellungen zeigten ein Frauenbild, das jenseits des Voyeurismus einen verehrenden und begehrenden Kommentar lieferte.
Neben den siebzig Blättern aus der Kunstsammlung des Galeristen Dieter Brusberg zeigt das Museum zwanzig Grafiken von Horst Janssen, die zeitgleich mit den Werken Wunderlichs entstanden sind.
Paul Wunderlich - Zwischen Provokation und Poesie (- 06.01.2013) Horst-Janssen-Museum Oldenburg, Am Stadtmuseum 4 – 8, 26121 Oldenburg Tel.: 0441 - 235 28 91 Di-So 10-18 Uhr Eintritt: 6/3,50 Euro
Weitere Infos: www.horst-janssen-museum.de


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