Wäre sie ein Mann, würde sie wahrscheinlich mit dem Etikett “chauvinistischer Prahlhans” um die Häuser ziehen und sich fragen lassen, ob sie außer Sex noch andere Gedanken im Kopf habe. Tracey Emin ist jedoch eine Frau und von daher erlöst vom männlichen Rollenklischee des sexistischen, karrieresüchtigen, ansonsten oberflächlich-langweiligen Schlaffis.
Tracey Emin stellte 1998 ihr zerwühltes Bett aus und wurde mit dieser spektakulären Arbeit ein Jahr später für den renommierten Turner Prize nominiert. Den bekam sie allerdings nicht, dafür aber jede Menge Publicity und den Stempel einer sexgierigen, kaputten, ungebildeten Provokateurin. Sie ergatterte sich im Umfeld der Young British Artists (YBA) eine sensationelle Berühmtheit. „My Bed“ eignete sich in der Tat als bürgererschreckendes Beispiel grenzenloser Ausschweiferei: ein ungemachtes Bett, gebrauchte Kondome, mit Blut verschmierte Unterwäsche, Papiertücher, Wasserflasche, Plüschtier.Tracy Emin stellte von da an ihr exzessives Leben aus und variierte den einst feministischen Kampfruf „das Private ist das Politische“ zur einzelkämpferischen Aussagen „das Private wird öffentlich“. Wie kaum eine andere Künstlerin verknüpfte sie die Forderung der 68er Frauenbewegung mit ihrer Person und ihrem Werk.Die Künstlerin türkisch-zypriotischer Herkunft wurde 1963 als Zwilling mit Bruder Paul in London geboren und wuchs in Margate (Kent), einem heruntergekommenen Küstenstädtchen, auf. Als Fünfzehnjährige ging sie von der Schule und begann eine Beschäftigung als Herumhängerin, die im Sommer mit allen Männern schlief, die das kleine Seebad zu bieten hatte. Zwei Jahre später waren die Typen abgearbeitet, Tracey Emin wollte Tänzerin werden. Auch dieser Plan ging daneben. Sie ging nach London, um Kunst zu studieren. Später verarbeitete sie die pubertäre und die Studentenzeit in Installationen und Videoarbeiten. Ihre sexuelle Betätigung kommentierte sie 1996 mit der Installation „Everyone I have ever slept with 1963-95“. In einem igluartigen blauen Zelt sind alle Namen der Männer verewigt, mit denen sie bis dato geschlafen hatte: Lucey Baxter, Billy Childish, Roberto Navikas und viele andere. Und was zunächst wie der Beginn einer Tanzkarriere aussah und sich dann als Nebelkerzenwurf entpuppte, verarbeitete Emin im Video „Why I never became a dancer“, das als Super 8-Film entstanden war. Zur Biennale 2007 in Venedig war Tracey Emin mit "Borrowed Light " vertreten. In dieser Arbeit zeigte sie ganze Räume mit weißen Bildern – eine Mischung aus älteren und neuen Werken.
Zusammengestellt von der Scottish National Gallery of Modern Art zeigt das Kunstmuseum Bern die erste Retrospektive des Emin-Werkes in der Schweiz.
Kunstmuseum Bern, Hodlerstraße 12, CH-3000 Bern 7 Geöffnet: di 10 – 21 Uhr, mi – so 10 – 17 Uhr, montags geschlossen Eintritt: Ausstellungen bis 18 CHF Im Verlag Blumenbar erscheint am 18. März „Strangeland“ von Tracey Emin. Darin erzählt sie ihr Leben als Selbstporträt einer schillernden Frau und kompromisslosen Künstlerin. (ISBN: 978-3-936738-52-0 / 19,90 Euro)
Weitere Infos: www.kunstmuseumbern.ch