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ØYSTEIN MORTEN

Erik der Rote

(Kröner, 375 S., 30,00 Euro)

"Erik der Rote" – das ist der Vater des vielleicht bekannteren Leif Eriksson. Und dieser Erik bekommt hier den (Unter)Titel, den sonst eher sein Sohn trägt "Der Entdecker Amerikas". Erik musste Westnorwegen, wo er (wenn wir Øystein Mortens Datierung glauben) 945 geboren wurde, mit seinem Vater um 960 herum "aufgrund von Mordangelegenheiten" verlassen. So steht es im "Hauksbók", einer mittelalterlichen Version des berühmten "Landnahmebuchs". Sie flohen nach Island, wo Erik heiratet und zu Ansehen und Wohlstand gelangt. Dann fließt aber wieder Blut, Erik wird verurteilt und für vogelfrei erklärt – er flieht erneut. Noch weiter nach Westen, nach Grönland. Dort begründet er eine Siedlung und lockt weitere Isländer in das "Grüne Land". Später folgt er den Berichten anderer Seefahrer und sucht im Westen neues Land. Er – auf jeden Fall aber sein Sohn Leif – setzt seinen Fuß auf amerikanischen Boden (was er selbst natürlich gar nicht weiß). 500 Jahre vor Kolumbus ist "Vinland" den Wikingern ein Begriff. Soweit das – vielleicht – Bekannte. Aber Morten (be)schreibt seine Forschungen – Überlegungen – Annäherungen zu und an Erik den Roten nicht als Biografie oder historische Abhandlung, auch nicht als geografischen Reisebericht. Wir erleben vielmehr, wie sich der norwegische Autor an/mit den Quellen müht – sein Bild von einer ZIP-Datei, als die er die spärlichen, wenig mehr als 40 Sätze umfassenden Erzählungen über Erik versteht, ist sehr treffend. Denn er extrahiert mit Mitteln der Sprach- und Namensforschung, der Geografie und anhand anderer historischer Quellen sehr viel von Eriks Leben und Denken, Fühlen und Handeln. Und er untersucht die sozialen und wirtschaftlichen Hintergründe und Anreize – denn wieso die "Wikinger" nicht im vergleichsweise gastlichen Süden Grönlands blieben, sondern sehr viel Zeit am Rande des Polarkreises verbrachten, hatte offenbar ganz konkrete wirtschaftliche Gründe. Dazu reist er – zunächst mit seinem 11jährigen Sohn, später allein und wegen Corona zuweilen sogar nur digital – dahin, wo Erik sein Leben verbrachte und sucht auf Island und Grönland nach dessen Spuren. Diese Vermischung von Geschichtserforschung (ob jeder Fachmann für grönländische Geschichte Mortens Sichtweise(n) folgen mag, lassen wir mal dahingestellt) und Vater-Sohn-Tour, von Microsoft-Flugsimulator-Erkundungen und der Suche nach nordischen Kirchenfundamenten fasziniert über die ganze Länge dieses durch Landkarten und Fotos immer wieder auch optisch aufgelockerten Buchs. Für Norwegen-/Island-/Grönland-Fans sehr zu empfehlen, für selbsternannte Wikinger oder Anhänger nordischer Fantasy und Nordmänner-Romantik eher nicht. Für letztere ist dieser aufschlussreiche Text zu wenig reißerisch, zu dicht an der (möglichen) Wirklichkeit.
Weitere Infos: www.kroener-verlag.de/books/erik-der-rote.html


September 2024
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