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SARAH BROOKS

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland

(C.Bertelsmann, 415 S., 24,00 Euro)

Die aus Nordengland stammende und an der University of Leeds als Sinologin tätige Autorin erhielt für ihren Debutroman allerhand Vorschußlorbeeren, die Werbemaschine ihres deutschen Verlags lief jedenfalls auf vollen Touren. Allerdings sehr zu recht, denn dieses Buch ist weder eine romantisch verklärte Naturbeschreibung noch west-zentrierter Reisebericht. Beides hätte anhand der Ankündigung zwar sein können, aber schnell wird klar, dass die hier beschriebene Reisegesellschaft keinen gewöhnlichen Transsibirien-Express bestiegen hat: "Peking, 1899. - Auf dem Bahnsteig steht eine Frau mit geborgtem Namen." Nicht nur diese geheimnisvolle junge Frau, auch ein seltsamer Professor, zwei als "Berater" getarnte Agenten der ominösen "Ödland-Gesellschaft", eine gealterte russische Gräfin, ein Eisenbahn-Ingenieur und viele andere merkwürdige Personen reisen durch die Weiten zwischen Peking und Moskau – durch "das Ödland". Ein im Zug geborenes und aufgewachsenes Mädchen findet eine feenhafte Schwarzfahrerin und je tiefer Brooks uns in ihren Text saugt (was ihr ganz ohne Effekt-heischerische Cliffhanger von Kapitel zu Kapitel immer mehr gelingt), desto surrealer werden die Begebenheiten. Scharfschützen verteidigen den Zug gegen reale oder erträumte Gefahren, die "Krähen" bespitzeln die Fahrgäste, zwischendurch muss sogar in der Ersten Klasse das Wasser rationiert werden und alle Versuche, das vermeintlich feindliche "Draußen" ebendort zu halten, sind – wir ahnten es schon – zum Scheitern verurteilt. Trotzdem gilt die Maxime: Immer in Bewegung bleiben! Man kann sich den Text als eine Mischung aus Agatha Christie (na klar, in dieser Umgebung denkt jeder irgendwann an deren Orientexpress – auch wenn hier kein Mörder gesucht wird. Vielleicht aber doch?), Lawrence Norfolks magischer GeschichtsExaltiertheit und Thomas Pynchons postmodernem Slipstream vorstellen. Oder als Roman in der Tradition von Michail Bulgakows grotesken Satiren und dem Magischen Realismus eines Mario Vargas Llosa. Oder als avantgardistischen HistoryÖkoThriller – all das ist gleichermaßen zutreffend wie falsch. Sprachlich stellt sich Brooks geschickt auf die RomanZeit und -Umgebung ein, die Formulierungen sind flüssig und doch sperrig, irgendwie altmodisch und doch artifiziell-modern, alles andere als banal und dennoch bestens lesbar. Hier ein atemraubendes GruselBild, dort eine filigrane Beschreibung des surrealen Ambientes inner- wie außerhalb des Zugs. Selbst das Übernatürliche be- oder erhält hier die Anmutung des durchaus Möglichen: am Ende des Romans wirst du dir daher nicht mehr so sicher sein, ob der ganz reale Schimmel in deinem Bad nicht doch die Ausformung einer umfassende(re)n Intelligenz ist.
Weitere Infos: www.penguin.de/buecher/sarah-brooks-handbuch-fuer-den-vorsichtigen-reisenden-durch-das-/buch/9783570


Oktober 2024
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