DANIEL KAHN & JAKE SHULMAN-MENT

(Oriente Musik / FMS)

Gleich die ersten Takte des openers "Morgndike Simkhes" lassen den rockmusikalisch Vorgebildeten kurz stutzen: "Das kenn ich doch, das ist doch – kann nicht sein! Doch, das ist "All Tomorrow’s Parties"!" Nur, um gleich zu denken: "Klar, sehr stimmige Wahl." Schließlich entstammte Lou Reed einer jüdischen Familie und das Thema des Songs (wird das zu-kurz-gekommene Mädchen im falschen Kleid zum Clown oder zum MobbingOpfer der – dann eben doch falschen – PartyFreunde?) ließe sich durchaus auch als Parabel auf das Leben der jüdischen Unterschicht im reichen Amerika lesen. Später kommen gleich zwei Nummern von Leonard Cohen hintereinander: "Di Tsukunft" und "Yeder Eyner Veys", also "The Future" und "Everbody Knows" – Daniel Kahn transferiert Cohens Lyrik so geschickt ins Jiddische, dass man nur zu gern wüsste, was der ja leider verstorbene Meister dazu sagen würde. Gleiches gilt für Bert Brecht, dessen von Hans Eisler vertontes "Lid fun der Molde" Kahn und sein langjähriger musikalischer Partner Shulkman-Ment ebenso interpretieren wie Woodie Guthries "This Land Is Your Land" (hier dann "Dos Land iz Dayn Land" inkl. disclaimer im booklet). Tom Waits’ "Tom Traubert’s Blues (Four Sheets to the Wind in Copenhagen)" hat Kahn wohl als Schlaflied für seinen Sohn zu "Tom Traubert’s Kloglid (Shiker Vi Lot in Hamburg)" werden lassen und selbst Bruce Springsteen funktioniert auf Jiddisch: "Mayn Tatns Hoyz" = "My Fathers House". Auch vor russischen Dichtern verneigen sich die beiden Musiker, z.B. mit ihrem hier nun aus dem Jiddischen ins Englische übersetzten "Brokhshtiker" des Lyrikers Perets Markish. Der Text zum Titelstück stammt von der in New Klezmer-Kreisen hochgeschätzten Beyle Schaechter-Gottesman – doch halt: es darf hier nicht nur um die (im booklet in Jiddisch und Englisch nachzulesenden) Texte gehen! Die Musik ist mindestens ebenso beeindruckend: authentisch und doch modern spielen Kahn (voc, acc, p, git, uke, harp) und "Fiddler" Shulman-Ment die eigenen wie die fremden Stücke mit Verve, mit WehMut, mit HerzBlut, mit Wut – und verstehen es so, die Hörer mitzunehmen in ihre Welt aus Versunkenem, Verbranntem, Bewahrtem und Zukunftsgerichtetem. 4
Weitere Infos: www.oriente.de

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