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QUICKSILVER

V.A.

V.A.

Wollen wir mal so ganz entspannt durch den CD-See des Monats Mai tauchen, ohne Zusammenhang, ohne Ziel, ohne Zwang? Gut, machen wir: richtig lustig wird es sicher nicht, wenn ETTA SCOLLO auf "Il passo interiore"(Jazzhaus) mit tiefer Stimme bittersüße Klagelieder vorträgt. Susanne Pauls schönes Cello schluchzt in zarter Dominanz neben Scollos Akustikgitarre und zu den Tupfen von Mandoline, Akkordeon, etc. werden sehr virtuos recht traurige Themen verhandelt (von Lampedusa über Grubenunglücke bis zum Unbehagen eines Birkenau-Überlebenden im Lega-Nord-Italien). 4
Aaron Funk und Daniel Lanois sind zwei Menschen, denen ich eine erfolgreiche Kollaboration nicht zugetraut hätte – zu weit liegen deren Planeten (heftiger Breakcore hier, zarter Ambient dort) in meinem Klischeeuniversum auseinander. VENETIAN SNARES x DANIEL LANOIS (Timesig/Planet Mu) zeigt, dass ich falsch lag. 4
JACKIE-O-MOTHERFUCKER ist eine Band, die bestimmt ganz lieb ist und eigentlich nur netten Folk spielen will. Oder Pop. Aber irgendwas im nordkalifornischen Trinkwasser lässt die Kollegen sehr bunte Bilder sehen. "Bloom"(Textile) strotzt jedenfalls von wilden Ausflügen in psychedelische Gefilde, gern mit ausgiebig Querflöteneinsatz und etlichen Schichten anderer Seltsamkeiten mehr. 4
Der schmusige BarrJazzPop, zu dem ROBIN McKELLE auf "Melodic Canvas"(Doxie) zuweilen sogar recht expressiv vor sich hin schnurrt, hat Unterhaltungswert. Mehr nicht. Weniger auch nicht. 3
DeathPop nennen die australischen VOWWS ihre Musik. Naja: "Under The World"(Weyrd Son) hat zwar nette Momente, wenn inmitten all des elektronischen Halls tatsächlich Einiges auf links gedreht wird, aber unter'm Strich ist das Ganze von begrenztem Seltenheitswert. 2
Eine schicke vinyl-only-compilation präsentiert Piranha: "I’m Not Here To Hunt Rabbits" ist nicht nur ein netter Titel, die Platte ist auch randvoll mit unglaublich groovenden Songs aus seltsam bedienten Gitarren. In Botswana von einem holländischen Entwicklungshelfer entdeckt, könnte das der Nachfolger der Congotronics werden. 4
Bei KLÔ PELGAG bin ich zunächst gespannt, was unser DTP aus dem Zirkumflex im Vornamen der Frankokanadierin macht. Die Musik auf "L'Étoile thoracique"(Zamora) hat Charme, ohne kitschig zu sein, ist dezent schräg, ohne gegen Konventionen zu verstoßen und wedelt gern auch mal mit großer sinfonischer Geste. "J'arrive en retard" – macht doch nix, wir hören beim Warten deine Lieder. 3
Traurigerweise muss auf der CD "Ghost On A String"(Trikont) "In Memory of Achim Bergmann" stehen, denn der große wütende Kopf des ältesten unabhängigen Labels Dlands ist Anfang März verstorben. Die Musik von PHILIP BRADATSCH wird so unfreiwillig zum Nachruf und soll daher – bei aller inhaltlichen Durchschnittlichkeit dieses Songwriterwerks – hier unbewertet bleiben.
Wer sich (warum auch immer) ärgert, dass er seine ganzen billig zusammengeschusterten GothicWave-Platten aus den späten 80ern schon entsorgt hat, findet in "Equals"(Weyrd Son) von SECOND STILL ebenso trashigen Ersatz. 2
Ryan Lee West versorgt uns zuverlässig mit der von seinem RIVAL CONSOLES-Projekt gewohnten ZugfahrerElektronica. Die Traumlandschaften seiner "Persona"(Erased Tapes) werden meist aus dem beat-Sessel betrachtet, manchmal auch nicht. Weil aber der Schmutz auf der ICE-Fensterscheibe fehlt, bleibt das Ganze etwas, ähm, langweilig. 3
Auch was, das man sich nur schwer zusammen denken kann: eine walisische Harfenistin und ein Koraspieler aus dem Senegal. CATRIN FINCH und SECKOU KEITA zupfen auf "Soar"(bendigedig) konzentriert an ihren Saiten, wobei die klassische – wie so oft auch hier leicht esoterische – Harfe klar dominiert, denn die Kora wird recht "westlich" bedient. Wenn Keita nicht gerade singt (wie am Schluß von "Bach To Baisso"), ist von Exotik oder schrägen Klängen nichts zu hören. Das ist zwar extrem entspannend, jedoch - weil ich funktionaler Musik eher ablehnend gegenüber stehe - nix für mich. 3
TRAILHEAD nennt sich Tobias Panwitz, wenn er als Singer-Songwriter antritt. "Keep Walking"(Requa) ist guter Standard, der opener "Take A Walk" verspricht mit seinem Westcoast-Breitwandsound dann aber doch mehr, als die (schön verpackte) CD hält. 3
Die Zeiten, in denen aMUTE als Cure-Replik antrat, sind lange vorbei. "Some Rest"(Humty Dumpty) knüpft dunkle Elektronikwolken in seltsame CelloSchreie und schleift das Ganze so lange an eigenartigen Gitarrenwänden, bis diese bluten. Oder als Glockenspiel eingeschmolzen werden. Auf jeden Fall was für Entdecker. 4
Hinter TILBURY stecken 6 Isländer um President Bongo, der früher als Stephan Stephensen bei GusGus in Erscheinung trat. Kein Wunder also, dass "Execution"(Radio Bongo Braoadcast) eine ganz eigene, sehr eigenartige und auch ziemlich eigensinnige Eigenheit darstellt. ½ PsychoPop, ½ KlimperRock, ½ SynthFolk und ½ WeirdoElectronics macht als Wurzel aus Groove nicht zwei, sondern ein Ganzes. Das "Drama" und die "Transmission" füllen zwei prima LP-Seiten (ja, gibt nur in 12" oder als file). 5
Recht flott läuft der WorldBeat von RASGARASGA aus dem "Hafen Fleur"(Fuego). Gleich drei Kollegen helfen der stimmgewaltig-fröhlichen Sängerin Franziska Schuster beim Trällern von akkordeongestützten und brass-getriebenen Liedern, die so bunt sind wie die Sprachen, in denen Kölner sie präsentieren. 4
Wir haben ja schon in WZ 02/17 erfolglos versucht, dem surrealistischen PopExperimentierkasten AQUASERGE den gebührenden Respekt zu erweisen. Man muss die Band wohl tatsächlich selbst live erleben, um ansatzweise zu verstehen, was sie ausdrücken wollen. Können. Müssen. Das Live-Album "Deja-Vous?"(Crammed Discs) kennt zwischen wildem FreakOut und exzessiven Querflötensoli jedenfalls alles. Wirklich alles. Sogar ein zartes "My Funny Valentine"-ImproCover. Tuxedomoon auf Magic Mushrooms? Unfassbar. 5

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