JAZZJANZKURZ

JAZZJANZKURZ

Unmengen von respektablen Jazz-CDs türmen sich auf meinem Schreibtisch, zu jeder wäre ein mehrseitiger Essay zu verfassen, wir versuchen es in knappen Zeilen:
"The Blue Hour"(Neue Meister/Berlin Classics) ist die neue Platte des elektronischen KlavierTräumers FEDERICO ALBANESE und zugleich der Start einer "neuen Adresse für notierte Musik". Gefühlvoll und doch Berlin-Mitte-tauglich wird hier Sentiment mit dezentem Experiment verbunden. 3
Pianist LUCAS HEIDEPRIEM hat erst mit 34 die Posaune gegen die Tasten getauscht, jetzt skizziert er souverän, zu tiefem Kontrabaßbrummen bzw. -hüpfen und sensiblen, facettenreichen drums "Silence In Motion"(IN&OUT/In-akustik). 3
Ein beinahe (zu) perfektes Zusammenspiel von sax-cl-b und Piano pflegen MALILA auf "The Day I Had Everything"(Edition/Harmonia Mundi). Mainstreamjazz aus London, der so ähnlich schon vor 40 Jahren in (damals noch verrauchten) Spelunken gespielt wurde. 3
Noch Oberstudienratiger ist "Das Karussell"(Pata Music) von NORBERT STEIN und seinen PATA MESSENGERS. Hier werden zu sax-git-b-dr-Gegniedel Rilke-Gedichte rezitiert. Eher weniger spannend. 2
Das MARCUS SCHINKEL TRIO lässt das Schicksal an die Tür klopfen, denn wie kann man "Crossover Beethoven"(Bosrec./Jaro) spielen, ohne das Motiv aus dessen 5. zu zitieren? Kluge, staubfreie Adaptionen für p-dr-b. 4
Auch das SHAULI EINAV QUARTET ließ sich von Klassik inspirieren. Gestützt auf Prokofjew-Themen, jubiliert das Sax des Israelis auf "Beam Me Up"(Berthold Rec./Harmonia Mundi) über einem frei swingendem p-b-dr-Fundament. 3
Landsmann und Sax-Kollege DANIEL ZAMIR ist ähnlichen Klangideen verpflichtet, bezieht sich aber stärker auf seine jüdische Identität und pendelt auf "Forth And Back"(Jazzhaus Rec./in-akustik) in gleicher Instrumentenbesetzung Melodie & Freiheit fein aus. 3
Zamir war/ist auch Teil der New Yorker Radical-Yewish-Szene und hat sich z.B. mit Cello-Gott ERIK FRIEDLANDER die Bühne geteilt. Jener huldigt auf "Oscalypso"(Skipstone Rec.) mit den downtown-Recken Michael Blake (sax), Trevor Dunn (b) und Michael Sarin (dr) den tunes von Oscar Pettiford. Und da wird das Cello - wie bei "O.P." gelernt - auch gern mal pizzicato gespielt. 4
BILL FRISELL hat seine wilden Jahre (Naked City!) hinter sich und lockt auf "When You Wish Upon A Star"(Okeh/Sony) klassische Filmthemen aus seiner Gitarre. Petra Haden singt "You Only Live Twice" ganz anders und fast noch schöner als Nancy Sinatra, aber auch an "Bonanza", "Moon River", "Psycho" und etlichem mehr werden hier gekonnt neue Facetten enthüllt. 5
Der norwegische Geheimtip COME SHINE wagt sich ebenfalls an große Genre-Standards. "Red And Gold"(Jazzland/Edel Kultur) startet mit einer sehr schönen Version von Arlans "Come Rain Or Come Shine", es folgen Herbstblätter & sentimentale Stimmungen, Cash & "Blue In Green", gespielt als sensibler p-b-dr-Barjazz mit charakterstarker Sängerin. 4
THE THING kommen zu 2/3 auch aus Norwegen, lassen es auf "Shake"(The Thing Rec./Trost) aber viel heftiger krachen. Kein Wunder, wo doch der schwedische Sax-Terrorist Mats Gustafson hier mit von der Partie ist. (Lärm)Kammer-FreeJazz feinster Form! 4
Schlußkontrast: Seine "Later"-Show ist legendär, ganz zu recht. Als Big-Band-Leader ist JOOLS HOLLAND weniger eklektizistisch und lässt sein Orchester auf "Jools & Ruby"(Eastwest) neben Eigenem v.a. klassischen R&B und Gospel sehr konservativ, aber nicht minder gelungen intonieren. RUBY TURNER singt dabei, was ihre SoulBlues-Kehle hergibt. 3

Fear No Jazz
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