JAZZJANZKURZ

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Hat man im Herbst mehr Zeit für Freie Musik, oder warum erscheinen momentan so viele gute JazzPlatten?
Vom verdienstvollen Budapester Label BMC kommt "Das Reale Klavier", auf dem HANS LÜDEMANN zunächst sehr expressiv "Blaue Kreise" zieht, dann ruhiger, aber nicht konventioneller spielt und schließlich mit dem Steinway-Auftragswerk "Arabesque" eine liebliche Melodie in den Raum stellt. Ohne direkt auf Fremdkompositionen zurückzugreifen, geht’s hier von Bartok über Monk zu Jarrett (nicht ohne Grund und Stolz trägt die CD den Untertitel "Ein Kölner Konzert"), aber immer mit sehr individueller Handschrift. 4
BRAD MEHLDAU ist ein anderer Meister der Tasten, der in den Konzertmitschnitten der opulenten 8LP- bzw. 4CD-Box "10 Years Solo Live"(Nonesuch/Warner) gern Ideen Dritter re-interpretiert. Der Beatles-Blackbird wird da genauso seziert wie Nirvana, Brahms, Arlens "Get Happy" oder Jazzklassiker von Monk bis Coltrane und Jobim. Wer Mehldaus 11:07-minütige Fassung des "Hey You"-Themas von Pink Floyd gehört hat, wird auch den Rest dieser rund 5 Stunden erstklassiger Musik mögen. 4
Mit ganz anderen Klassikern beschäftigt sich BARBARA DENNERLEIN. "Christmas Soul"(MPS/Edel) spielt mit und um diverse Weihnachtslieder(n), ohne in saisonalen Kitsch abzugleiten. Dazu ist die Frau mit der gewichtigen Hammond viel zu musikalisch! 3
AMINA FIGAROVA ist eine aserbaidschanische Pianistin, die mit ihrem Sextett auf "Blue Whisper"(In+Out Rec./inakustik) 10 meist recht relaxt-verträumte, keineswegs aber unspannende JazzStücke präsentiert, die neben dem Klavier auch mit einigen sehr schönen Linien von Trompete oder Flügelhorn (Alex Pop Norris) bezaubern. 3
Ein Meister letztgenannter Blasinstrumente ist FREDERIK KÖSTER, der mit seiner Band DIE VERWANDLUNG auf "Tension/Release"(Traumton/Indigo) nicht nur dem großen Kenny Wheeler Respekt zollt, sondern auch sonst ruhigen, milde funkelnden Jazz klassischer Spielart perfektioniert. 3
Seelenverwandt ist Saxophonist TOBIAS MEINHARDT, der sein Stammquartett für "Natural Perception"(enja yellowbird/Soulfood) mit der Trompeterin Ingrid Jensen verstärken konnte. 3
Freier, Kontrabass-dominierter und auch an den Tasten wilder ist das Quintett von BENJAMIN SCHÄFER. "Quiet Fire"(Nwog/Edel) wird durch eine Harfe kontrastiert, hat weder Angst vor Schönklang noch Versuch und endet mit einer schönen a-capella-Moritat. 4
Die KREUSCH BROS. können sich nicht recht zwischen brasilianischer Folklore und Jazz entscheiden. Müssen sie eigentlich auch nicht, denn obwohl die Musik nicht konsequent ist und das booklet voller "Geo-Reise-Fotos", hat "Two Worlds One"(GLM/Soulfood) seine Reize. 3
Das DANI & DEBORA GURGEL QUARTETO hat auch brasilianische Wurzeln, frönt auf "Garra" aber mit feinsten "Ipanema-style"-vocals und reichlich scat-Gesang v.a. dem old-school-Jazz. 3
"Killing The Mozzarella"(beide Berthold Rec./JA KLA/Helikon Harmonia Mundi) ist da nicht nur im Titel frecher. BRASKIRI heißt die Band um Bert Lochs, dessen Flügelhorn (oder auch Trompete) schmetterlingsgleich über einer sommerbunten Wiese aus drums und Flügel bzw. Fender Rhodes schwebt. Dazu brummt eine Tuba-Hummel und fertig ist eine prächtige Platte. 4
Wer hätte geglaubt, dass sich ganz ohne overdubs allein mit einer Drehleier nicht nur drones und Folk-sounds, sondern durchaus auch repetitive MikroKlänge (ganz groß "Wings"), exotische Melodiebögen und fragile KlangBilder (hört "Kitchen Rain"!) zaubern lassen. MATTHIAS LOIBNER kann sowas, wie seine fantastische Solo-CD "Lichtungen"(Traumton/Indigo) unter Beweis stellt. 4

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