QUICKSILVER
"A Change Is Gonna Come" - nun ist auch für den wirklichen König des Soul die letzte große Veränderung eingetreten. Stilecht "on the road" ist Solomon Burke in Amsterdam gestorben. Und die fabelhafte Sopranistin Joan Sutherland hat diese Welt nunmehr auch verlassen. Da alles ist wirklich traurig. Dennoch gilt es, einige Worte zu anstehenden Neuveröffentlichungen zu verlieren:Etwa zum romatischen Pianospiel des Herren GOLDMUND. Selbst wenn manch Extraharter derlei Musik als Weicheierklimperei abtun wird: "Famous Places"(Western Vinyl/Cargo) könnte auch jene betören. Denn hier regiert, an Harold Budd dichter als an Satie, der pure Schönklang, ohne ästhetizistische Überhöhung, aber auch unter konsequenter Vermeidung banaler Untiefen. 4
Seichter hingegen die (Dokumentar)Filmmusik "The Effective Disconnect"(Kranky) vom Stars Of The Lid-Member BRIAN McBRIDE. Sanft und schwebend kann auch langweilig sein. 2
Weiter mit der Kneipp-Kur: THE GREAT BERTHOLINIS hätten weit mehr als diese kurze Erwähnung verdient, denn "Gradual Unfolding Of A Concious Mind - Part 3"(Hazelwood/Rough Trade) verbinden sie einmal mehr auf beinahe geniale Art ungarischen Blues mit Frankophilie, vergessen aber dabei nicht zu rocken. 4
Übrigens: Wer das letzte, nicht nur von mir hochgelobte Album der Labelkollegen Mardi Gras bb. gekauft hat, wird von Hazelwood nun mit einer besonderen "Umtauschaktion" belohnt: Alle Besitzer des Original-Albums bekommen die um 5 neue Stücke (=21 Min.) erweiterte "Von Humboldt Picnic / Editio Terra Incognita" für die reinen Versandkosten zugeschickt. Klickt:www.hazelwood.de/terraincognita
/> Kalter Guß: LEZ ZEPPELIN haben nicht nur ungewöhnlich viel Phantasie auf die Bandnamenwahl verwandt, nein mit "Lez Zeppelin I"(Pie Records/Broken Silence) spielen die 4 zugegeben nicht unattraktiven Damen das Debut der Hardrocker auch notengetreu nach. Bloße Coverkunst kann mich aber mich nicht begeistern. 2
MAJOR PARKINSON hingegen spürt mit "Songs From A Solitary Home"(Waggle-Daggle/Broken Silence) Tom Waits und vielleicht auch ein wenig den Tiger Lillies nach. Genau: Variete und Pop, Zirkus und Rock, Verschrobenheit und Sinn für´s Dramatische. 3
Etwas zwiegespalten bin ich bei FREIZEIT98. Deren "Kleines Tässchen Angst"(Noisedeluxe/Alive) ist doch (noch) etwas unausgegorenen. Dabei blitzen gelegentlich durch die juvenile Wut gute (60ies-Pop)Ideen bei Musik wie Text (Das Problem am System ist / daß es funktioniert und wir nicht). Das selbstgebastelte Artwork ist auch nett, der Bandname hingegen zweifellos doof. Pose vs. Poesie? 3
Auf ganzer Linie überzeugen kann der mit einem ähnlich aufwendigen, aber professioneller gemachten Siebdruck-Cover ausgerüstete Sampler "You Were Born And You´re Free So Happy Birthday"((Red Can Records/BBroken Silence). Münchener Heimwerker versuchen sich an (zumeist sehr gelungenen) Alternativen zu den ewig gleich ekligen Geburtstagsklassikern. Für die nächsten 17 Jahre hätte man somit liedtechnisch ausgesorgt. 4
Ich habe aufgehört, mir die Namen der jeweils gerade angesagten, ihre Belanglosigkeiten mit lasziver Säuselstimme vortragenden Popsternchen zu merken. Der Titelsong von CRYSTINs EP "Everything"(Electric Lounge/Rough Trade) klingt zwar auch wie eine jener widerlichen Telekomwerbungen, aber die übrigen Stücke stützen meine Vermutung, daß hier doch Potential liegt. 3
Ganz anders, nämlich fast wie eine Björk-Reinkarnation (Bildfehler! Zum Glück erfreut sich die geniale Eislandfrau bester Gesundheit und hat keinen Anlaß zur De-Karnation.) klingt die in Berlin lebende BARBARA PANTHER. Für eine in Brüssel aufgewachsene Frau mit Wurzeln in Ruanda fehlen mir hier zwar die multikulturellen Spuren, aber der dezent fraktale ElektroPop ihrer "Empire-EP"(City Slang) fesselt bei aller Kürze sehr! 4
Noch ´ne EP: Klassischem Gomma-Stoff fabriziert MUNK auf "Mondo Vagabondo"(Gomma/Groove Attack). ItaloDiso vs. DigitalFunk. Alles multilingual, groovy und sauber produziert, aber ich bin doch etwas zu steif für sowas. Oder zu alt. 3
Für NO MORE aber zu jung. DüsterTänzer mögen vielleicht den einzigen nennenswerten track der Kieler, das 1981 aufgenommene "Suicide Commando". Aber wer braucht heute "7 Years - A Compilation 1979-1986"(Rustblade/Broken Silence), wie die wiederbelebte Band ihre Werkschau nennt? Richtig: Keiner. 2
Schon eher bedeutsam, weil einen so bunten und vielseitigen wie kompromißlosen und bewußten Blick auf die hyperinnovative (oder -aktive?) Hauptstadt werfend ist da die Kompilation "Ich bin ein Berliner"(Araknid Records). Diese versammelt die Bands, die bei den gleichnamigen, inzwischen schon recht angesehenen Minifestivals im legendenumwobenen SO36 auftraten. Zunächst etwas TrashDisco- bzw. ElektroPunk-lastig entwickelt sich das auf 2 CDs verteilte Kennenlernen oder Wiederhören zu einem wild-romantischen Mix aus MinimalGlam, QueerCabaret, SchlagerCore oder einfach BerlinMusik. 5
Auch gut: der bunte AfroJazz der ASMARA ALLSTARS. Die zelebrieren auf "Eritrea´s Got Soul"(OutHere Rec.) genau das: Soul mit nordafrikanischen Bezügen, also mit Jazzhänden gespielte Instrumente im Spannungsfeld von Maghreb und Äthiopien, aber auch leichtem Dub/Reggaefeeling, dezente Effektspielereien und jede Menge Spaß! 4
Mehr für erprobte WorldMusicLovers geeignet ist "Farafinko" von ALY KEÏTA. Der Mann stammt aus einer Griot-Dynastie der Elfenbeinküste und bearbeitet mit Verve sein Balafon (das ist dieses Ding mit den Klanghölzer auf hohlen Kürbissen). Auf Dauer etwas variationsarm im Klang, aber keineswegs unspannend. 3
Auch die Kamerunerin KAREYCE FOTSO bewegt sich auf eher traditionalistischem Gebiet, verbindet aber die Roots mit einer sehr speziellen und bemerkenswerten Form von SingerSongwritertum, was "Kwegne"(beide Contrejour/Broken Silence) vielleicht auch für Bluesfreunde interessant macht. 3
Zum Schluß noch eine etwas speziellere Empfehlung: Medienliebling JONAS KAUFMANN beweist mit seinen "Verismo Arias"(Decca/Universal), daß er neben Wagner auch die in Sachen Pathos mindestens ebenbürtigen Italiener der Jahrhundertwende ganz gut beherrscht. Nachdem der bayrische Tenor jüngst an Mozart noch schwer scheiterte, zieht er hier neben Interpretationen der Genreklassiker (herrlich sein Bajazzo-"Vesti la giubba"!) auch sehr unbekannte Arien zurück in´s Licht. 4
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