"Ich wünschte, ich könnte Dir eine spannendere Geschichte erzählen", meint Aaron Perrino, seines Zeichens Sänger, Songwriter und Gitarrenspieler der Bostoner Combo The Sheila Divine, auf die Bitte hin, uns mit der Bedeutung des Namens der Band zu erleuchten, "aber Sheila Divine war tatsächlich ein Mädel, mit dem ich auf der Highschool mal ausgegangen bin. Es ist immer schwer einen Namen für eine Band zu finden. Wir haben sie dann gefragt, ob das in Ordnung ginge und die Plattenfirma empfahl uns noch das ´The´ davorzusetzen – das war es dann auch schon."
Na aber das ist doch schon recht spannend. Jedenfalls ist es allemal spannender, eine Band nach einer real existierenden Person zu nennen, als nach pseudointellektuellem, spiritualistisch verbrämten Quatsch, wie es der Name nun mal hätte nahe legen können. Da wären wir aber bei Aaron auch irgendwie an der falschen Adresse. So richtig bedeutungsschwanger ist das nämlich (zum Glück) alles nicht, was The Sheila Divine uns da auf dem mit mysteriösen David-Lynch-artigen Bildern verzierten zweiten Album "Where Have All My Countrymen Gone" präsentieren. "Nun ja, für mich liegt die Sache ja schon anderthalb Jahre zurück", setzt er zögerlich zur Erklärung des Konzeptes an, "ich schrieb das Stück so um die Zeit, als die Präsidentenwahlen anstanden. Es geht dabei darum, was aus unserem Land geworden ist – daß du nur zwischen kleineren Übeln wählen kannst, daß alles den Bach runtergeht, daß du nur was werden kannst, wenn du jede Menge Kohle hast und so. Das Artwork stammt von einem Freund von uns und hat keine größere Bedeutung." Zur Ergänzung: Nein - ´Mulholland Drive´ hat er noch nicht gesehen, aber – Ja – David Lynch mag er – weil sich da jeder etwas zurecht denken kann, und das ist dann auch eine Parallele zu seinen Texten, die er auch gerne so sieht. Um aber vielleicht doch mal mit dem Anfang zu beginnen: The Sheila Divine veröffentlichten – damals noch als Trio - auf dem Mini Label Cherry Discs, daß dann von Roadrunner übernommen wurde, ihre Debut CD "New Parade". Nachdem die Verkäufe nicht so recht den Erwartungen entsprachen, stand man dann irgendwann ohne Plattenvertrag da und nahm dann – ohne Druck, aber mit einem neuen Gitarristen – Colin Decker – die vorliegende CD auf. "Das war eigentlich ein ungünstiger Zeitpunkt", erinnert sich Aaron, "denn damals war Colin noch nicht richtig in die Band integriert. Wir haben mittlerweile neues Material geschrieben und da bin ich wirklich auf die Gitarrenarbeit stolz. Jetzt haben wir auch einen neuen Drummer – weil Shawn Sears (Gründungsmitglied und auf "Countrymen" noch dabei) Vater geworden ist." The Sheila Divine beackern musikalisch ein Gebiet, welches man aufgrund des jugendlichen Alters der Protagonisten noch gerne als College Rock bezeichnen kann. Auf die Frage, wie er sich selbst denn positioniere und gegen andere abgrenze (mit denen TSD dauernd verglichen werden – U2 z.B.), antwortet er dann: "Als wir ´Countrymen´ aufnahmen, wollte jeder irgendwie die nächste Radiohead-Scheibe machen. Ich denke, was uns auszeichnet ist unser Gebrauch der Dynamik und mein Gesang. Ich habe da so meine Thom Yorke Momente, aber auch meine Curt Cobain-Schreie. Ich denke, das grenzt uns ab." Nun, zur Zeit mag es das ja auch noch tun. Es darf zudem noch erwähnt werden, daß auf dem besagten Album auch sehr schön mit Räumen und Atmosphären gearbeitet wird. So werden zuweilen Keyboards und / oder Gitarren verwendet, wobei man nicht sagen könnte, was denn nun was ist – was wiederum beabsichtigt ist. Ach ja: Einen Schuß Pop ("Sideways") gibt es dann auch noch. Die Frage ist nur, ob man mit diesem Genre alt werden kann – obwohl das an eine junge Band gerichtet, vielleicht nicht gerade die drängendste Frage sein mag. "Das haben wir uns aber durchaus schon mal überlegt", wiegelt Aaron ab, "ich höre mich z.B. immer wieder sagen: Wartet bloß ab, unser sechstes Album wird so eine Brian Eno mäßige Sache werden ... Was heißen soll, daß wir uns schon weiterentwickeln werden, auch wenn wir im Moment nicht allzusehr vom gegebenen Schema abweichen werden." Man muß in diesem Zusammenhang ja auch noch beachten, daß es für eine amerikanische Band wichtiger ist, einen bestimmten Sound, ein bestimmtes Image aufzubauen als dies für den schnellebigeren europäischen Markt notwendig wäre. Immerhin haben sich The Sheila Divine auf diese Art einen interessanten Freundeskreis erspielt – nicht nur, was ´normale´ Fans angeht, sondern auch Kollegen so z.B. Evan Dando, Travis, Manic Streat Preachers – alles Acts mit denen sie auch schon getourt haben. Was wäre noch wichtig zu wissen? Daß Aaron aus dem Staate New York stammt, nicht aber aus der Stadt New York – was für ihn ein wichtiger Unterschied ist, da seiner Meinung nach gute Songs nicht in Städten entstehen (da es dort ja schon alles gibt). Und eine Frage interessiert ja auch immer: Was denn die treibende Kraft hinter dem Drang, Musik zu machen sein mag. "Um ehrlich zu sein, wüßte ich nicht, was ich sonst machen sollte", überlegt er, "ich habe keinen Job erlernt, nicht studiert. Musik zu machen ist das Einzige, was mich um 8 Uhr morgens aus dem Bett bringt. Es ist das, was ich tue. Zuweilen ist das auch ein Fluch, denn es wäre einfacher, wenn ich damit zufrieden wäre, einen Job am Fließband zu haben, denn dann bräuchte ich mich nicht mit dem auseinanderzusetzen, womit ich mich jetzt auseinanderzusetzen habe." Na, na, na – Musik zu machen ist doch wohl besser, als am Band zu arbeiten, oder? "Ja, das stimmt schon", räumt er ein, "es ist wichtig seinen Traum zu verfolgen – egal wie unerreichbar der erscheinen mag. Wer nichts wagt, kann nichts erreichen. Ich habe mich erst gestern mit meiner Freundin darüber unterhalten. Sie ist momentan frustriert, weil sie ihren Weg noch nicht gefunden hat und sagt, ich sei der einzige Mensch, den sie kenne, der seinen Traum verfolgt. Ich denke, es ist einfach wichtig seine Berufung zu finden und es dann einfach mal zu versuchen." Was man kaum schöner formulieren könnte. Zur Zeit touren The Sheila Divine gerade in den USA. Für den Sommer sind dann einige Festival-Gigs geplant und für den Herbst eine "ordentliche" Club Tour.