Einer der wohl renommiertesten Sessionmusiker unserer Zeit macht wieder einmal das, was er wohl am besten kann: unglaublich gefühlvoll Gitarre spielen. Dass Stevie Salas aber nicht nur ein exzellenter Techniker sondern vor allem ein wahnsinnig guter Songwriter ist, beweist er einmal mehr auf seinem aktuellen Output "Shapeshifter". Ein nettes Telefonat mit dem sympathischen, nimmermüden Arbeitstier brachte zutage, dass flinke Finger wohl doch nur Werkzeuge des Herzens sind.
Das Leben unseres Titelboys vom Dezember ’96 hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Nach dem ersten Soloausflug "Colorcode" 1990, das er in Holland vorbereitete, folgte mit "Back From The Living" eben 1996 sein größter Erfolg. Kollaborationen mit den großen Meistern des Funk wie George Clinton und Bootsy Collins aber auch Tourjobs bei Rod Stewart und Mick Jagger waren die Folge. Mit seinem neuesten Streich knüpft Stevie jedoch wieder da an, wo er vor 12 Jahren begann. "Findest Du wirklich? Das ist großartig! Weil ich nämlich bewusst auf die alten Stilmittel zurückgegriffen habe. Ende der Achtziger ging viel mit HipHop und richtig fetten Drumbeats, und ich habe mir im Vorfeld zu "Shapeshifter" Sachen aus den letzten paar Jahren angehört, die HipHop und Rockgitarren verbanden. Aber ich wollte zu dem Punkt zurück, den ich vor 10 oder 12 Jahren erreicht hatte."Um es auf den Punkt zu bringen – der Junge hat immer noch den Funk intus. Der Name der Platte bezieht sich auf einen Ausdruck der amerikanischen Indianer. „Man sagt hier, Geronimo sei ein Shapeshifter. Er war in der Lage, sich zu verwandeln, andere Formen anzunehmen. Um sich vor den Soldaten zu verstecken, konnte er sich in einen Baum oder einen Wolf verwandeln. Er veränderte sich ständig, um einer Gefangennahme zu entgehen. Und in gewissem Sinne ist mein bisheriges Leben ähnlich verlaufen.“ Der Subtitel „the fall and rise of stevie no wonder“ beschreibt diesen Gedankengang wohl besser. „Die letzten Jahre meines Lebens waren für mich persönlich nicht die besten, diverse Sachen haben mich ziemlich runtergezogen. Und während den Arbeiten zu diesem Album hatte ich das Gefühl, aus einem Loch zu steigen. Und nebenbei ist dieser Satz noch das Gegenteil vom „rise and fall“, das David Bowie bei Ziggy Stardust benutzte.“ Bisher wurde „Shapeshifter“ lediglich in Asien und Europa veröffentlicht, Märkte die teilweise auch dazu neigen, mehr auf technische als musikalische Fähigkeiten einzugehen. Stories in Gitarrenmagazinen häufen sich, was eine beispiellose Reduktion des Künstlers Stevie Salas vermuten lässt. „Anfangs habe ich dagegen rebelliert. Natürlich freut es mich, dass die Leute mich als einen großartigen Gitarristen ansehen, sonst hätte ich auch nie die Chance gehabt, mit so vielen Leuten zu musizieren. Aber eigentlich wollte ich immer nur ein guter Songwriter sein.“ Angesprochen auf sein 96er Westzeit-Statement, dass er ein Kapitel der Musikgeschichte werden möchte, all seine Inspirationen ausquetschen muss oder wie ein Pickel explodieren würde, gesteht Stevie: „Vor ein paar Jahren war ich echt ausgebrannt, aber heute bin ich wieder vollends erregt und fühle mich wie früher. Meine Zusammenarbeit mit Mick Jagger war sehr inspirierend. Ich dachte, dass wenn ich die 30 überschreite, ich nicht mehr so rocken könnte wie vorher. Und dann stand ich mit Mick auf der Bühne, der ja immerhin über 50 ist, und er rockt härter als die meisten Leute, die ich je getroffen habe.“ Die Frage nach seinem Lieblingskünstler aus Deutschland sorgte dann abschließend für eine kleine Überraschung: „Ich mag dieses Mädchen namens Blümchen. Die hat mich letztlich besucht und eine Woche bei mir in L.A. gewohnt. Sie war sehr witzig und sprühte vor Energie.“ Unglaublich, aber wohl wahr...Aktuelles Album: Shapeshifter (Surfdog/Indigo)