Die schwarze Leidenschaft, die Leiden schafft, ist zurück im Business. Fast vier Jahre nach dem letzten Album kommt „Uh Hu Her“ in die Shops. Wird dieses Werk die Krise der Plattenindustrie beenden? Die Westzeit traf die 34-jährige, dunkelhaarige Sängerin an historischer Stelle.
Berlin, Alexanderplatz. Reges Treiben in den Geschäften nahe des Fernsehturms. Etwas abgelegen, in einem „Mittelklasse-Hotel“, gibt Polly Jean Harvey 7 Interviews, bevor sie das Flugzeug nach Mailand besteigt. Luftig gekleidet, gut gelaunt betrachtet sie die redaktionellen Ergüsse unseres ersten Treffens vor genau elf Jahren. „Wow, „ entfährt es ihr, „war ich damals jung! Oooh, meine schöne junge Haut damals... .“ Sie lacht, als sie die alten Bilder sieht. The times...they are a changin´! Auch das neue, siebte Solo-Album („Dance Hall At Louse Point“ war eine Kooperation mit John Parish), unterscheidet sich sehr von den Vorgängern. „Ich glaube, Veränderung ist sehr wichtig. Ich versuche jedenfalls, mich niemalszu wiederholen, hinterfrage mich beim komponieren ständig, ob ich diesen oder jenen Song nicht bereits ähnlich einmal geschrieben habe.“ „Uh Hu Her“ wurde im heimischen Studio in Dorset aufgenommen. Dennoch scheint latent der Geist amerikanischer Sangeskunst über dem Werk zu liegen. „Eigentlich kann ich nicht behaupten, mehr als normal amerikanische Musik zu hören. Vielleicht liegt es daran, dass viele meiner liebsten Künstler Amerikaner sind, siehe Howlin´Wolf oder Captain Beefheart. Sie habe ich immer gehört. Andererseits...Led Zeppelin sind Engländer!“ Vielleicht haben die „Desert Sessions 9 & 10“, eine Zusammenkunft diverser Künstler unter der Schirmherrschaft von Queens Of The Stone Age-Kopf Josh Homme, sie teilweise beeinflußt. „Who The Fuck?“ geht gar in Richtig Sonic Youth, während „No Child Of Mine“ den Hippie-Geist einer Joan Baez scheinbar rezitiert. Definitiv variiert Polly Jean ihre Vocals. Es gibt wenige SängerInnen, die ihrem Gesang derart viele Nuancen zu entlocken vermögen. „Ich habe gerne Unterricht. Eine Zeitlang wurde ich in die Kunst der Oper eingewiesen. Nun habe ich einen Lehrer, der mir hauptsächlich konzentriertes singen beibringt. Ich arbeite viel mit seinen Tapes. Das baut die Stimme auf, wenn du auf Tour gehst. Währenddessen mußt du sie täglich trainieren. Das ist sehr wichtig!“Überhaupt sollte eine Singstimme gut ausgebildet sein. „Sie muß in verschiedene Richtungen explodieren können, benötigt Fantasie und Vorstellungskraft. Ich muß mich für meine Songs in verschiedene Situationen versetzen können. Die Athmosphäre muß stimmen. Ich muß mich derart einbringen können, als ob mir das Gesungene wirklich selbst passiert wäre.“ Polly erklärt, dass ihre Texte nicht zwingend authentisch sind. „Man muß allerdings nicht jedes Wort verstehen. Ich werde beim neuen Album keine Lyrics drucken lassen. Die Musik muß faszinieren, sie muß Passion sein! Meine Lieblingsmusik ist russische Folklore. Die Stimmen müssen ein Instrument sein, müßen Gefühle vermitteln können. Sie müssen dich fühlen lassen, worum es in dem Titel geht.“ Ihre persönlichen Gefühle widmet PJ derzeit -angeblich- dem Künstler Vincent Gallo. Aber die Indiskretion der Nachfrage, das Eindringen in die Privatsphäre wird vermieden. Dem Publikum steht schließlich die Musik uneingeschränkt zur Verfügung. Sowie die Künstlerin Polly Jean Harvey. Diese wird z.B. eines ihrer mittlerweile raren Konzerte am 26.06. im Rahmen des Hurricane-Festivals in Scheeßel geben. Freuen wir uns darauf!Aktuelles Album: Uh Hu Her (Universal, VÖ: 01.06.)
Weitere Infos: www.pjharvey.net