Gewusst wie: Auch für ihre feine neue LP ´Moon Mirror´ setzen Nada Surf auf das, was Frontmann Matthew Caws im WESTZEIT-Interview treffend "Beständigkeit ohne Regeln" nennt. Auf ihrem inzwischen zehnten Album schubst die amerikanische Band behutsam ihre ureigene Auslegung alter Power-Pop-Ideale in neue Richtungen, während sie inhaltlich die Veränderungen in einer sich immer schneller drehenden Welt mit wachen Augen und viel Lebenserfahrung in tiefgründig-bedeutungsvollen Schnappschüssen voller Poesie festhält.
Kaum zu glauben, aber wahr: Wenn Mitte September ´Moon Mirror` erscheint, ist es genau 30 Jahre her, dass Sänger, Gitarrist und Songwriter Matthew Caws, Bassist Daniel Lorca und Schlagzeuger Ira Elliot ihre erste Single veröffentlicht haben, bevor sie mit Evergreens wie ´Popular´, ´Inside Of Love´ oder ´Always Love´ den Indie-Rock-Olymp erstürmten und mit dem vom ersten bis letzten Ton perfekten Album ´Let Go´ ihr Meisterstück ablieferten. Unsere erste, augenzwinkernde Frage an den Frontman der einst in New York gegründeten Band lautet deshalb schlichtweg: 30 Jahre Nada Surf – wie konnte das nur passieren?"In gewisser Weise ist es geschehen, ohne dass ich es bemerkt oder gewusst habe", erwidert Matthew. "Es ist eine Überraschung! Aber die Antwort, wie es tatsächlich passiert ist, lautet: Es gibt Freundschaft in der Band! Wir haben auch großes Glück mit dem Publikum. Wir haben ein fröhliches Publikum und die Shows machen immer Spaß. Es ist immer ein gutes Gefühl im Raum, und das hilft wirklich und macht Lust, einfach weiterzumachen und unseren Teil der Abmachung einzuhalten. Es fühlt sich an wie ein gesellschaftlicher Vertrag. Niemand hat dich jeden Montag um ein Sandwich gebeten, aber du hast angefangen, jeden Montag eben dieses Sandwich abzuliefern, und obwohl nie eine Verpflichtung ausgesprochen wurde, habe ich das Gefühl, dass wir das Sandwich weiterhin abliefern sollten."
Für ´Moon Mirror´ halten Nada Surf, um im Bild zu bleiben, kein grundlegend neues Rezept bereit, aber allein die Tatsache, dass sie die Zutaten in einer veränderten Reihenfolge hinzugefügt haben, sorgt dafür, dass die Platte vom ersten Ton an energiegeladener klingt als die Werke der letzten zehn Jahre:
"Wir haben bei dieser Platte tatsächlich härter an der Abfolge der Songs gearbeitet als bei allen anderen zuvor", verrät Matthew. "Es gab viel Hin und Her, und ich denke, am Ende haben wir versucht, das Album wie ein Konzert wirken zu lassen – und wir beginnen live eigentlich nie mit einem langsamen Song! [Die gedämpfte Mid-Tempo-Nummer] ´Moon Mirror´, die jetzt an dritter Stelle steht, sollte lange Zeit der zweite Song sein. Aber für mich fühlte es sich nie richtig an, weil wir in einem Konzert nie einen langsamen Song nach nur einem schnellen spielen würden. Die schnellen müssen immer paarweise kommen, das geht Hand in Hand mit dem eben schon erwähnten Vertrag: Wenn du schnell spielst, dann sind die Leute aufgeregt und bewegen sich oder werden einfach von dieser Energie umspült, da wäre es nicht fair, ihnen das nach nur dreieinhalb Minuten schon wieder wegzunehmen. Also muss immer noch ein schnelles Lied folgen!"
Mehr Gewicht haben dieses Mal auch die bisweilen herrlich breitwandigen Beiträge von Keyboarder Louie Lino, der schon seit mehr als zwei Jahrzehnten im Umfeld der Band unterwegs ist und sich als viertes Bandmitglied dieses Mal bei Songs wie ´X Is You´ als Instrumentalist und bei ´Losing´ sogar als Songwriter hervortut. Eigentlich von ihm als melancholische Meditation über all die Dinge gedacht, die mit den Jahren verloren gehen – Beziehungen, Zeit, Chancen –, fand Matthew am Ende für die ekstatischen Refrains doch noch eine positive Wendung.
"Ich schäme mich nicht zu sagen, dass ich ein aufrichtig positiver Mensch bin", erklärt er. "Ich will positiv denken, und wenn ich es nicht tue, versuche ich, es zu ändern und etwas beizutragen, das vielleicht tröstlich ist oder tröstet. Das führt auch ein wenig zu der Frage zurück, wie es zu den 30 Jahren kommen konnte: Ich finde das, was wir tun, sehr tröstlich!"
Liebe, Trauer, Einsamkeit, Zweifel, Staunen und Hoffnung – um all das kreisen die Songs auf ´Moon Mirror´, doch am Ende führen die hart errungenen Weisheiten immer zurück zum festen Glauben an die Möglichkeiten, zu dem, was noch vor uns liegt. Das ist auch das Thema von ´In Front Of Me Now´, mit dem Matthew sich und sein Publikum daran erinnert, dass wir nur ein Leben haben und es nicht unnütz vergeuden sollten. "Why wasn't I present? I could have been living", konstatiert er in dieser geradezu klassischen Nada-Surf-Hymne mit luftigen Harmonien und mitreißender Wucht, bevor er sich im Refrain selbst das Versprechen gibt: "Today I do what's in front of me now". Tatsächlich ist das so etwas wie die Kernaussage der Platte, oder wie Matthew selbst es abschließend ausdrückt:
"Ich denke, was mich derzeit am glücklichsten macht, ist die Gegenwart, der Moment, das, was buchstäblich direkt vor mir liegt. Ich versuche, mein Glück genau hier zu finden!"
Aktuelles Album: Moon Mirror (New West Records) VÖ 13.09.
Weitere Infos: nadasurf.com Foto: Paloma Bomé
©1996-24 WESTZEIT | 2024.09.01 | Autor: Carsten Wohlfeld | Foto: Paloma Bomé | › kontakt › impressum › datenschutz | › Besuche uns auf Facebook