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BILL CALLAHAN

(K)einer kommt hier lebend raus

BILL CALLAHAN

Er machte es sich in den vergangen Jahren nicht leicht – zog sich teils vollständig aus der Öffentlichkeit zurück, galt als verschrobener Einsiedler und doch ist Bill Callahan ein freundlicher, offener Mensch. Im Zuge seines neuen Studioalbums „Apocalypse“ wagt er zwei Schritte nach vorn und gibt zum ersten Mal seit langem persönliche Interviews. Was dabei über seine Lippen kommt, ist ebenso überraschend wie pragmatisch und zeichnet das Bild eines Musikers nach, der kaum den vielen Vorurteilen entspricht.

Die Nervosität ist spürbar als Bill Callahan die Lobby seines Hotels in Berlin-Mitte betritt: Mit Buch in der Hand und frisch gestutzten Haaren auf dem Kopf, muss man zwei Mal hinschauen, ehe man erkennt: Er ist es wirklich! „Seine Zurückgezogenheit“ hat die Reise nach Deutschland tatsächlich angetreten und will über sich und seine Musik sprechen.

Doch so einfach kommt uns der Eigenbrötler nicht davon: Immerhin gilt die Persönlichkeit des ehemaligen (Smog)-Frontmanns als verschlossen und hochsensibel; selbst Fragen zu seinen Alben beantwortete er zuletzt nur noch per Email - und all das soll plötzlich Geschichte sein?

„Ich habe sechs Jahre lang keine Interviews in Deutschland gegeben und dachte, es wäre mal wieder an der Zeit“, erklärt er zur Begrüßung auf die Frage, weswegen die Öffentlichkeit nun doch kein Ort mehr ist, von dem er weit Abstand nimmt. Das Erstaunlichste dabei: Der Pragmatismus, der sich durch viele seine Aussagen zieht.

Auf das Buch unterm Arm angesprochen, erklärt Callahan: „Ich lese nun mal gerne und viel, aber nicht allein, um Inspiration zu finden, sondern weil mir Mobiltelefone als Unterhaltungsmedium zu wider sind – und genauso ist es mit der Musik: Ich bin Vollzeitmusiker und will gute Songs abliefern. Da mache ich keine Abstriche.“

Keine Abstriche macht auch sein neues Werk „Apocalypse“, das noch eine Spur brillanteren Indiefolk mit Rockeinschlag bietet, als wir ihn schon vom allerorts hoch gelobten Vorgänger „Sometimes I Wish We Were An Eagle“ kennen. Zudem legt sich die Vermutung nahe, dass Bill Callahan anhand der Prägnanz des Albumtitels und des rohen Sounds alle Register zieht und doch trifft diese Annahme den Nagel nicht annähernd auf dem Kopf.

„Ich fand den letzten Plattennamen zu lang und wollte einen kürzeren – an einer Stelle der Platte singe ich ‚Apocalpyse’ und danach bricht der Song aus. Das gefiel mir und so nahm ich den Spruch aufs Cover.“ Mehr stecke nicht dahinter, keine tiefgründige Interpretation der Welt, kein bevorstehender Zusammenbruch oder ähnliches.

Er lese Kritiken sowieso nur äußerst selten – „meist dann, wenn sie mir zufällig in die Hände fallen“ – unterhaltsam fände er die Rezeption seiner Musik aber schon.

„Manchmal frage ich mich“, beginnt er die Selbstanalyse mit Blick in den offenen Kamin, „ob die Leute glauben, dass ich den ganze Tag in einem kleinen Zimmer hocke und mir den Kopf wie ein antiker Philosoph zerbreche.“

Sein anschließendes Lachen erleichtert, denn es zeigt: Bill Callahan weiß das Leben zu genießen.

„Klar tue ich das. In Austin/Texas habe ich mein Haus, treffe mich oft mit Musikern oder Freunden und wer dieses Umfeld kennen lernen möchte, hat mit ‚Apocalypse’ die Gelegenheit dazu – machen eine Menge von diesen Leuten mit.“

Sounds like a family affair!

Und doch wird man das Gefühl nicht los, dass er bewusst mit einem Image gespielt, oder vielmehr: nicht spielt. Bill Callahans dargebotener Pragmatismus in allen Ehren, aber auch sein neues Album hat wieder massenhaft Anleihen aus der Literaturgeschichte, der Bibel und aus dem Alten Testament. Kaum darauf ausgesprochen, zeigt sich dann doch die vermutete Tiefgründigkeit:

„Ich mag die Darstellung eines jähzornigen Gottes mehr, als die des verständnisvollen Weißbarts. Das hat mich als Kind schon fasziniert – kann es wirklich sein, dass Gott Plagen über die Menschen schickt, um sie damit vor sich selbst zu schützen?“

So ganz hat man Bill Callahan also doch nicht falsch eingeschätzt und trotzdem ist die souverän gelassene Art während des Interviews überraschend.

Er kann halt beides: Dr. Jekyll und Mr. Hyde zugleich sein.

Aktuelles Album: Apocalypse (Drag City / RTD)



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