Yello sind Kult. Yello sind elektronische Musik-Pioniere. Feststellungen, denen kaum einer widersprechen würde. Doch was bedeutet das? Und wie wird man überhaupt Kult? Und was macht einen Pionier aus? Zunächst mal sind dieser Kult und die Pioniertaten dokumentiert worden. Mit "Yello by Yello - The Anthology Box" ist eine opulent aufgemachte Box, die neben der „Singles Collection 1980-2010“ zusätzlich die Doppel-CD „The Anthology“ enthält. Dort haben Dieter Meier und Boris Blank die für sie ganz persönlich wegweisenden Yello-Stücke der letzten 30 Jahre zusammengefasst. Auf der ebenfalls beiliegenden DVD sind alle verfügbaren Yello-Videos zu sehen.
Naive Dilettanten haben SpaßVon Kult und Pioniertaten wollen die beiden Köpfe hinter Yello nichts wissen. Und wirklich damit beschäftigen wollen sie sich auch nicht.
„Ganz einfach“ eröffnet Dieter Meier die Plauderrunde, „weil es nicht so ist.“
Boris Blank grätscht da gleich rein: „Pionierarbeit? Mit diesem Etikett habe ich immer ein bisschen Schwierigkeiten. Ich kann und konnte ja gar nichts anderes, als das, was ich mache und machte. Und das habe ich aus reiner Naivität oder fast schon aus Dilettantismus heraus getan. Ich wiederhole es gern, ich konnte und kann gar nichts anderes. Damals wie heute war und bin ich extrem fasziniert von Klängen und vor allem von Geräuschen. Ich bin einfach ein audioaffiner Mensch, der sich gerne mit Geräuschen umgibt und beschäftigt. Geräusche mannigfaltigster Art. Gerade denke ich an ein Garagentor. Eins, das so riesige Metallfedern hat und so nachschwingt.“
Neben dieser fast kindlichen Neugier, die das Werk von Yello organisch wachsen ließ, existierte noch eine weitere künstlerische Antriebsfeder.
„Wir haben nie Musik gemacht, um erfolgreich zu werden“, weiß Dieter Meier nur zu genau, „wir waren in einer alten Fabrik mit Instrumenten und kleinen Kassettenrekordern zugange und hatten unheimlichen Spaß an dem, was wir getan haben und noch heute tun.“
Betrachtet man nun das Ergebnis des Schaffens von Yello, führt man sich Werke wie „The Race“, „Bostich“ oder auch „Vicious Games“ zu Gemüte, dann möchte man allen angehenden Musikern, Literaten, bildenden Künstlern eins lauthals zurufen: Seid naiv, pflegt euren Dilettantismus und habt vor allem Spaß dabei. Das wirkt.
Die Weite des Raums
Was die Musik von Yello auch immer transportiert, ist großer Raum und endlose Weite. Die Hörer haben die Chance, sich in die Klangwelt von Yello hineinzubegeben. Sich dort zu bewegen. Sich dazu zu verhalten. Dafür hat Boris Blank eine sehr einleuchtende Erklärung:
„Schon als Kind war ich häufig in den Bergen. Und auch heute noch, wenn ich in die Berge gehe, mache ich das, was ich als Kind immer schon tat, ich schreie die Wände an und höre was kommt. Wo kommen die Echos her? Und stehe dann mitten drin in der Größe und der Weite dieses Raums. Ich spüre alles hautnah.“
Musikalische Enge haben Yello nie zugelassen.
„Das hängt auch mit der Fantasie und der Freiheit zusammen, mit der wir zu Werke gehen“, fügt Dieter Meier an, „wir sind einfach unvoreingenommen und haben uns nie einengen lassen.“
Und dennoch redet dabei keiner von beiden den uferlosen und unergründlichen Möglichkeiten mo-dernster Klangmaschinen mit hunderten oder sogar tausenden von musikalischen Voreinstellungen das Wort.
„Es darf einfach nie dazu kommen, dass die Technologie eher mit den Musikern spielt, als dass die Musiker mit der Technologie spielen“, erklärt Boris Blank seine Herangehensweise, „ich suche auch nach bequemen und schnellen Möglichkeiten, Zugriff auf den Klang zu bekommen, der in meinem Kopf schwebt. Aber das ist mein Klang, mein Geräusch, das ich finden will. Ich will nicht Sklave irgendeiner technischen Voreinstellung sein.“
Das nennt man wohl kreative Unabhängigkeit. Und genau daraus bezieht das gesamte Werk von Yello seine Kraft und seine Mächtigkeit. Seinen Zauber und seine Dramatik. Mit den wenigen eingestreuten neuen Stücken, wie „Dialectical Kid“ und „Tears Run Dry“ und den beiden Neufassungen „Liquid Lies“ und „Vicious Games“ haben Boris Blank und Dieter Meier mal eben die schöpferische Tür in die nächsten 30 Jahre aufgestoßen.
Wenn der Begriff Kult auch bedeuten darf, dass Phänomene im kulturellen Gedächtnis bewahrt werden und eine Pioniertat auch ein unbewusstes Wegbereiten oder Bahnbrechen sein darf, dann sind Yello mit Fug und Recht Kult und elektronische Pioniere sind sie allemal!
Aktuelles Album: Yello By Yello: The Anthology (Polydor / Universal)
Foto: Ben Wolf