2006 erschien ihre letzte Platte „The Story So Far – Ibbtown Chronicles“ auf Gun-Records. Es handelt sich um eine Best-Of-Sammlung, ein Album das alle Bands veröffentlichen wenn sie psychische und körperliche Erholung benötigen, oder eine kreative Auszeit brauchen, oder ein Burnout-Syndrom haben oder die Knebelverträger der (Major)Labels erfüllen müssen - Anlass der Donots war von allem ein bisschen. Neue Reize mussten her, und die Donots griffen zu Extremmaßnahmen, die nicht viele Bands wagen würden. Folgerichtig lebt ihr neues Album „Coma Chameleon“, welches in Europa und Japan auf ihrem eigenen Label Solitary Man Records erscheint, von einer Aufbruchstimmung, wie man sie in dieser Konsequenz lange nicht mehr gehört hat.
Für alles gibt es den richtigen Zeitpunkt – die Frage ist nur, wie man ihn findet, bevor der Zug abgefahren ist. Die Münsteraner haben sich für diesen Frühjahr entschieden. Sie wagen einen Neustart, sie zünden die zweite Stufe und entpuppen sich außerhalb der Major-Maschinerie als wahre Helden des nationalen Alternative-Rocks. 2008 scheint ihr zweiter Frühling zu werden. „Coma Chameleon“ bietet druckvollen, antreibenden und außerordentlich atmosphärischen Punkrock mit eingängigen Refrains, der nicht nur durch seine epische Inszenierung aus dem Einheitssound heraussticht und die Fünf durchaus als sehr glaubwürdige Musiker und Songwriter präsentiert - was ihre erste Single „Break My Stride“ (die stark an Billy Talent erinnert) eindeutig unter Beweis stellt. Die Vorliebe für Hardrock der alten Schule hat man weitestgehend zurückgeschraubt. Ansonsten spielen die Donots all ihre Stärken aus, ohne so geglättet zu klingen, wie es zuletzt der Fall war. Eine Veränderung, die sich nicht nur durch den Labelwechsel ausdrückt, sondern auch dadurch dass man sich von Langzeitproduzent Fabio Trentini trennte und somit in die Hände von Kurt Ebelhäuser (Blackmail) und Vincent Sorg (mit dem sie 1998 ohne Plattenfirma im Hintergrund das Album „Tonight´s Karaoke Contest Winners“ aufnahmen) begeben hat. Die beiden verpassten den Jungs im Koblenzer und Münsteraner Studio die nötigen Ecken und Kanten, die bei den Donots so lange verschollen waren und nach denen man sich dennoch am meisten gesehnt hat. Somit ist „Coma Chameleon“ im Spannungsfeld von „Auf zu neuen Ufern“ und „Zurück zu den Wurzeln“ an zwei verschiedenen Orten mit zwei verschiedenen Produzenten entstanden. Folgerichtig lebt das Album von einer Aufbruchstimmung. „What the hell are waiting for?“ heißt es in „Pick Up The Pieces“ und ist für die Donots nicht nur ein Slogan, vielmehr ihr Wegweiser in Richtung Zukunft. Was es mit der zurückeroberten Maxime an Freiheit und Unabhängigkeit auf sich hat erläutert uns Sänger Ingo Knollman im folgenden Interview.Zwei Jahre bis zur Fertigstellung von „Coma Chameleon“. Es hat lange gedauert bis ihr aus dem Vertrag von Gun-Records befreit ward. Wie kam es eigentlich dazu?
„Nach der Veröffentlichung von „Got The Noise“ war uns schon ziemlich klar, dass wir da auf Dauer eigentlich nicht bleiben wollen. Man hat irgendwann eine komplett andere Sprache gesprochen. Unsere Ideen wurden nicht mehr gut gefunden und umgekehrt.“
Kannst Du das exemplarisch erläutern?
„Ein handfestes Beispiel dafür ist, wie die Bemusterung des letzten Albums gelaufen ist. Es wurden Tapes gemacht und dementsprechend bekamen wir ganz viele Rückmeldungen der Redakteure, die meinten, sie würden es sich ja gerne anhören, wenn sie ein Tapedeck hätten. Und unsere Setliste wurde auf einmal umgeschmissen. Alles Donots-typischen Poppunksongs waren dann am Anfang und die Songs, die das Album erst interessant gemacht haben, wurden einfach rausgeschmissen oder waren am Ende des Albums. Und bei den Tapes spult man nicht so einfach von Song zu Song, wodurch viele bereits nach zwei drei Liedern eine verfälschte Meinung über uns hatten.“
Das hört sich stark nach einer künstlerischen Entmündigung seitens des Labels an. Danach hast du ja dein eigenes Label in Japan gegründet, auf dem euer neues Album bereits erschienen ist. Wieso wird das Album dort eher veröffentlicht als hier?
„Weil die japanischen Fans so wahnsinnig sind selbst teure Importe in Kauf zu nehmen, nur um es am Tag der Veröffentlichung bereits zu besitzen. Und dann hätten wir dort nicht so gute Chancen unser Album abzusetzen. Außerdem gibt es in Japan staatlich verordneter Urlaubstage in allen Büros, die genau in der Zeit des Europa-Releases fallen würden. Im Grunde genommen hätte das Album dann dort in den Läden gestanden und keiner hätte es bearbeiten können. Logistische Gründe halt.“
Der Titel „Coma Chameleon“ erinnert stark an den 80er Hit „Kama Chameleon“ von Culture Club.
„Es ist in der Tat auch ein Augenzwinkern und kleiner Seitenhieb in die Richtung. Nämlich genau diese Platte war die erste Vinylscheibe von unserem Gitarristen Alex. Im Grunde schließen sich da ein paar Kreise.“
Ist das der Grund für den Titel eures aktuellen Albums?
„Genau. Wir haben uns diesmal nicht tausende von Albumtitel um die Ohren gehauen. Letzen Endes haben wir nach einem Titel gesucht der gut klingt, catchy ist und auch ein wenig diese Interpretation offen lässt. Sonst haben wir immer die Albumtitel erklärt und momentan ist es eher so, das die Interviewpartner sagen: Pass mal auf, ich habe mir folgendes bei dem Titel gedacht…“
Ein Titel der Assoziationen aufkeimen lässt. Ein Titel der genau das wiedergibt, was Ihr Euch auf Eure Fahnen geschrieben habt: „Auf zu neuen Ufern“ und „Zurück zu den Wurzeln“! Was war das Motiv in zwei verschieden Tonstudios aufzunehmen?
„Auf der eine Seite wollten wir mit Kurt zusammen was Neues kreieren, unsere Trademarks neu erfinden und unser Songwriting und Arrangement von einer anderen Richtung aus betrachten, weil wir unsere letzten Alben immer mit Fabio Trentini aufgenommen haben, der nach wie vor ein guter Freund von uns ist. Selbst der hat gesagt, hey Jungs wenn ihr Bock habt mach ich die Platte für euch, aber im Zuge des Labelwechsels ist es ganz gut wenn ihr insgesamt mal frische Luft schnappt. Und da Kurt uns als Band gut findet, aber unsere Alben alle beschissen, wollte er schon immer mit uns ein besseres Album machen. Er hat einen komplett anderen Ansatz an Musik ranzugehen als Fabio. Kurt denkt halt mehr um die Ecke, sieht nicht nur das Ziel vor Augen, da ist mehr ausprobieren und experimentieren angesagt. Da wir DIY unterwegs sind, quasi wie früher, wollten wir auf der anderen Seite auch die alte Frische einfangen. Von daher holten wir Vincent Sorg mit ins Boot, der uns schon damals produzierte, als wir noch kein Label hatten.“
Die wieder gewonnene Freiheit ist auf „Coma Chameleon“ gut zu hören. Es klingt wahrlich entschlackt und befreit von unnötigen Ballaststoffen. „What the hell are waiting for?“ heißt es in „Pick Up The Pieces“. Was ist damit gemeint?
„Als wir diesen Song im Studio fertig stellten, war mir ganz klar, der hat was sehr quirliges, sehr unruhiges. Und ich hatte nach einem Thema gesucht was diese Rastlosigkeit auch in irgendeiner Form unterstützt. In diesem Song geht es um dieses typische Stammtisch-Gemüt, besonders das der Deutschen, die über alles nörgeln und jeder schiebt den anderen den schwarzen Peter zu, aber keiner ist in der Lage selbst Verantwortung zu übernehmen. Das wir jetzt die Eier haben ein eigenes Label aufzumachen, trotz der wirtschaftlichen Situation und rückläufigen Verkäufe, ist im Grunde genommen die Blaupause, die dagegen spricht. Aber scheiß drauf, da muss sich jeder mit auseinandersetzen.”
Und von daher: Worauf zum Teufel wartet ihr noch?“
Aktuelles Album: Coma Chameleon (Solitary Man Records Europe)
Foto: Erik Weiss