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THE BLACK KEYS

Der Fluch der Festplatte

THE BLACK KEYS

Man ist versucht zu psychologisieren, ja metaphysische Dimensionen ins Spiel zu bringen. Da steht eine Band seit knapp zehn Jahren in der Kulisse – von Kennern gewürdigt, von der breiten Öffentlichkeit vereinzelt wahrgenommen. Und kaum veröffentlichen die Black Keys ihr neues, fünftes Album „Attack & Release“ soll sich all das ändern? Ganz richtig!

„Diesmal fühlt sich es frischer an“, erklärt Sänger und Gitarrist Dan Auerbach gleich zu Beginn des Gesprächs. Nach vier Platten stand es dem Duo Oberkante/Unterlippe und alles was früher wie ein heiliger Gral gehütet wurde, erschien plötzlich obsolet: „Wir wollten nicht länger im Keller von Dan proben und aufnehmen“, ergänzt Drummer Patrick Carney, „es sollten mehr Instrumente, Chöre, Flächen und Samples Zugang zu unserer Musik finden.“

Ein ulkige Entwicklung, denn lange Zeit bevorzugte das amerikanische Zweiergespann ganz andere Prämissen. Werte, die eher an den traditionellen Blues orientiert waren. Dan: „Früher habe ich immer gedacht: Alter, wenn du zu viel Firlefanz in die Musik packst, dann steht du irgendwann wie Eric Clapton in einem dreizigtausender Stadion und bist der festen Überzeugung immer noch eine Art Robert Johnson zu sein! Aber solch einen Mist zu denken ist falsch – es geht einzig um die Musik; und verdammt, wenn die pompöser klingen soll, dann lassen wir das inzwischen einfach zu, basta.“

Um etwas Ordnung in die Aussage zu bringen: Die Black Keys entschlossen sich für „Attack & Release“ den bandinternen Kosmos zu öffnen und bugsierten eine Hand voll Session-Musiker ins Studio. Sowie einen besonderen Gast hinters Mischpult: Danger Mouse von Gnarls Barkley.

„Ich schwöre, es war seine Idee“, beteuert Patrick, „irgendwann sah er uns bei einem Konzert, mochte den Sound und war gleichzeitig ganz schon frech zu mir: Ehrlich, ich mag eure Alben, aber die klingen doch alle gleich!“

Wer die Black Keys etwas näher kennt, weiß, dass sie mit Kritik sehr schlecht umgehen können. Bei Danger Mouse machten sie eine Ausnahme und engagierten ihn kurzerhand als Produzenten.

Da saßen sie nun alle in Akron/Ohio und die Hütte war randvoll. Es fanden unzählige Jam-Sessions statt und Ende letzten Jahres hielt man das Ergebnis in der Hand: Ein Mahlstrom aus rauhen Blues-Licks, verzerrten Samples und treibenden Drums. Die Evolution schien geklappt zu haben:

„Wir sind sehr zufrieden mit der Platte und haben auch schon ein Angebot bekommen, dass wir wegen euch leider ablehnen müssen!“

Bitte?

„Irgendein Computerhersteller will einen Song von dem Album für einen weltweiten Werbespot haben. Nur, wenn wir das zulassen, dann kann sich jeder von uns denken, was los ist: Ausverkauf, werden alle schreien! Vor allem die Journalisten.“

Und plötzlich bricht das Eis. Patrick redet in einem Rausch der Gefühle:

„Angenommen Jim Jarmusch würde den Spot drehen und tolle Bilder hinbekommen, dann würden ihn alle dafür loben. Sollten wir aber die Hintergrundmusik liefern, ist das Geschrei groß und genau das läuft hier falsch!“

Nun springt auch Dan unterstützend von seinem Sessel auf:

„Ganz richtig, unsere Kühlschränke füllen sich nicht durch Idealismus, was gern mal vergessen wird. Ich weiß auch nicht, weswegen nur bettelarme Musiker ein Recht auf wahrhaftigen Blues haben. Das sind so Dogmen, die wir mit unserem neuen Album gerne durchbrechen würden. Ich meine, authentisch ist ein ausgeleiherter Begriff, aber alles was ein Künstler macht, kommt von ihm selbst. Egal ob in Sachen Musik, Theater, Film oder sonst was – das hat nie mit dem Einkommen zu tun!“

Ob der reiche Geldsegen die Black Keys auch ohne großen Werbedeal ereilt, bleibt abzuwarten – inzwischen gibt es besseren Gesprächsstoff.

„Attack & Release“ betitelt, lässt die neue Platte keine Zweifel mehr zu: Diese Band ist so sardonisch wie ein Nagelbrett, so hintersinnig wie Wikki der Wikinger und besitzt eine gute Portion Humor.

Der Albumname stehe für Vergangenheit und Gegenwart, erklären die zwei Querköpfe abschließend. Wir wissen indes: The Black Keys sind eine ehrliche Band, auch wenn man sowas nicht schreiben sollte. Doch im Unterschied zu vielen Heuchlern spürt man bei ihnen in jeder heraus posaunten Textzeile und in jedem bratzigen Akkord die Hingabe, die dahinter steckt. Der Stil ist eben der Unterschied.

Aktuelles Album: Attack & Release (Cooperative Music) VÖ: 29.03.




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