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DONOTS

Vom Guten nur das Beste

DONOTS

Das letzte Album der westfälischen Kiepenkerle, der Donots, „Coma Chameleon“ gehört zu denen, denen man leicht vorwerfen, da sei nichts Halbes und nichts Ganzes herausgekommen. Zwei unterschiedliche Produzenten produzieren in unterschiedliche Richtungen. Und mitten drin die Band. Irgendwie rat- und orientierungslos. Da kamen Zweifel auf. Deutliche Zweifel. Auch in Richtung der Fragestellung, was kommt danach? Danach kommt „The Long Way Home.“ Und diese Platte schiebt jedwede Zweifel beiseite. Nein. schiebt nicht, fegt sie mit einem Handstreich einfach hinweg. Mal eben im Vorbeigehen. Und ganz nebenbei hat die Truppe noch das Luxusproblem, dass sie mit der Singleauskopplung „Calling“ landauf landab in den Radioprogrammen rauf und runter gespielt wird. Ein Hinweis darauf, es tat sich was im Hause Donots.

Die Wucht aus dem Münsterland

Kraftvoll sind die Donots diesmal aus den Startlöchern gekommen. Ohne Rücksicht auf Vergangenes losgeprescht. Das tut dem Hörer richtig gut. Er spürt Aufbruch. Nicht, weil er es in das neue Werk der Donots nur allzu gern hinein interpretieren möchte. Nein, einfach deshalb, weil es Aufbruch ist. Der Aufbruch ins Ankommen. Konsequenterweise heißt die neue Platte auch „The Long Way Home.“ Da wurde Euphorie in CD-Rillen gepresst. Die war beim Besuch der Band im Studio geradezu physisch präsent. Und nun mit etwas Abstand betrachtet?

„Es wirklich das erste Mal, dass wir ein Album rausstellen, bei dem wir übereinstimmend sagen, es gibt keinen einzigen Grund irgend etwas zu ändern“, verkündet Ingo Knollmann vollmundig und lautstark, „bei anderen Platten hatten wir oft schon nach vier Wochen Ideen, was wir anders hätten machen können. Diesmal gibt es wirklich nichts.“

Eine Band auf absolut dem richtigen Weg? Und auch dann, wenn sie ungewöhnliche Instrumente einsetzt, wie beispielsweise Tuba, Mandoline oder Scharen von Streichern?

„Unbedingt, Alles wurde zugelassen“, betont Guido Knollmann, „ein sehr schönes Beispiel ist das Zustandekommen des 80er-Jahre-Keyboardklangs voller Wave-Anleihen bei ‚Calling.’ Die Akkorde wurden zunächst von der Gitarre gespielt, doch stand da ein Keyboard rum mit einem ganz popeligen Dreckssound. Ingo hat die Gitarre einfach so an den Tasten begleitet. Das war der Aha-Moment. Schon war einen neues Klangelement mit von der Partie und das, obwohl der Sound wirklich käsig ist. Aber es war genau der richtige Weg. Das weißt du immer dann, wenn die Aufmerksamkeit der ganzen Band, sich auf diesen winzigen Augenblick richtet und draußen noch jemand vorbei geht, der plötzlich mit offenem Mund stehen bleibt. Einer von uns kriegt das erste Lächeln auf die Lippen, nickt dann mit, überträgt es auf den nächsten und irgendwann sitzt so eine ganze Strahlemannschaft im Raum und zaubert musikalisch.“

Das Stück ‚Calling’ ist damit beispielgebend für die Arbeit am kompletten Album. Alle Musiker sind am entscheidenden Punkt künstlerisch zusammen. Bei allen ist gleichzeitig Kreativität zur Explosion gebracht worden.



Schimmernder Spannungsbogen

Doch ‚Calling’ ist erst auf das zweite Stück auf der CD „The Long Way Home.“ Und es muss aufregend bleiben bis zur letzten Note. Gelingt das, dann sind das die CDs, die auf allen möglichen Favoritenlisten auftauchen. Ganz oben. „The Long Way Home“ ist ein solches extrem spannungsgeladenes Produkt. Was war so anders, als bei „Coma Chameleon“, der letzten Donots-CD?

„Es war ein Faktorenbündel, was unsere Arbeit befeuert hat“, weiß Ingo Knollmann, „Zeit war ein ganz wesentlicher. Wann immer wir wollten konnten wir Stücke zu Demos im Proberaumstudio ausarbeiten. Und wir haben für das aktuelle Album bergeweise Stücke konzipiert. Es lief einfach. Recht schnell wurde immer Vince Sorg von den Prinzipal-Studios als Regulativ und weiterer Faktor mit einbezogen. Als Toningenieur und Produzent ist er ja für uns wahrlich kein Unbekannter mehr.“

Vince Sorg hat die Donots dann auch so richtig gekitzelt und zu Höchstleistungen angespornt. „Wir haben dann nacheinander ganz viel ausgesiebt“, ergänzt Guido Knollmann, „daran hatte auch wieder Vince Sorg seinen Anteil. Ließ er uns doch oft wissen, das er den oder jenen Song bei anderen Bands durchgehen ließe und hätte es bei älteren Alben von uns auch getan, aber gut reicht mir einfach nicht mehr aus.“



Luxusprobleme

Die Donots haben also alle Stücke weggeworfen, bei es nur Anflüge von leisesten Bedenken gab. Sie haben nur die elf Speerspitzen von dem was sie geschrieben hatten genommen. Die guten Stücke haben die Donots einfach weggelassen. Sie haben nur die Allerbesten genommen. Luxus pur. Und gleichzeitig Spannungsbogen in Reinkultur. Vom ersten Stück, dem losknallenden „Changes“ bis hin zur letzten Note vom opulenten „Parade Of One.“ Dazwischen liegen grandiose Ohrenöffner, wie das mit Frauenchören gespickte und Stadionatmosphäre atmende „Forever Ends Today“.

„Mich kickt gleich zu Anfang der Nonnenchor ganz besonders. Ich steh auf so eine strange Stimmung in Stücken“, kann sich Guido Knollmann eine kurze Stellungnahme nicht verkneifen. Das Lied „High&Dry“ ist in ein großes Fass mit irischem Whiskey gefallen. Ingo Knollmann gesteht, dass sich dieses Fass an Bord eines alten Seglers befindet.

„Mir gefallen diese Seemannsbilder sehr. Und der Donots-Chor in den Strophen passt einfach perfekt dazu. Hier wird mit vereinten Kräften von Deck aus gegen Sturm angesungen. Mit Sand und Seetang zwischen den Zähnen in debil grinsenden Gesichtern.“

Ein noch größeres Fass wird in „Dead Man Walking“ aufgemacht, der Alkohol rinnt nur so durch die Kehlen und die Pferde werden gesattelt, um mindestens ohne Pause bis Laramie zu reiten, nicht aber ohne vorher noch eine reisengroße Basstuba anzuschmeißen. Und worum geht es im Lied eigentlich? „Ganz einfach“, konstatiert Ingo Knollmann, „Schnauze voll, Restwürde einpacken und raus hier.“ Die Mission der Neuerfindung der Donots ist geglückt. Und die gestrengen Klangrichter können nun ihre Täfelchen herausholen und mit Höchstnoten wird sicherlich nicht gegeizt werden.



Kraftfeld mit Extra-Batterie

Wer solch einen künstlerischen Lauf hat, der muss irgendwo ein Kraftreservoir versteckt halten.

„So unglaublich es klingt, aber die Kraft entsteht durch Arbeit“, lächelt Ingo Knollmann in sich hinein, „seitdem wir unser eigenes Label ‚Solitary Man’ haben, machen wir alles selber. Es macht zwar ultraviel Arbeit. So könnte etwa jede verdammte E-Mail, die reinkommt weltwichtig sein. Die grafische Gestaltung für die neue CD kommt auch von uns. Das kostet Schlaf. Das kostet Kraft. Macht dich aber umso stolzer, wenn du was angeschoben kriegst. Und bringt dir unterm Strich mehr Kraft, als du in dem ganzen Gewusel lässt. Es ist so, als würde dir jemand eine Extra-Batterie in dein Kraftfeld stecken.“

Die Labelarbeit, die neben der künstlerischen Arbeit stattfindet, soll die einzelnen Musiker jedoch nicht soweit vereinnahmen, dass den Donots die geradezu kindliche Neugier und Naivität verloren geht.

Auch das beweist das Album. Doch Guido Knollmann kann es sich nicht verkneifen doch noch ein kleines Arbeits- und Kraftgeheimnis zu verraten: „Um mir genau diese Naivität noch lange zu bewahren, haben nicht alle Last auf unsere Schultern geladen. Wir haben zum Beispiel mit Florian Brauch einen patenten Manager, der sich ums Finanzielle kümmert. Damit will ich definitiv nichts zu tun haben; denn wenn ich beim Stückeschreiben an Geld denken muss, bleibt die Kreativität zwangsläufig auf der Strecke.”



Livetauglich machen

„Wir begeben uns wieder auf ausgedehnte Gastspielreise“, blickt Knollmann versonnen auf den Tourplan, „jetzt geht es darum, die neuen Stücke livetauglich zu machen und die gemeinsam mit den älteren Favoriten in die Stückeliste einzupassen. Auch hier müssen wir erneut mit Eigenlob um die Ecke kommen. Scheißegal, auch wenn Eigenlob stinkt. Alle neuen Stücke haben von jetzt auf gleich auch den Live-Test bestanden. Im Normalfall musst du das Stück drehen und schieben. Dich fragen, welche Gitarre spielt was?“

Also scheinen die Donots nicht nur einiges, sondern verdammt vieles richtig gemacht zu haben. Denn wenn ein Stück so einfach zu handhaben ist und immer und überall funktioniert, dann stimmt ganz einfach die Komposition.

„Jedes Konzert sollte so gespielt werden, dass es das wichtigste Konzert in deinem Leben ist, das ist die einzige Möglichkeit, dass dir die Leute deine Leidenschaft auch abkaufen.“ Daran lässt Ingo Knollmann erst gar keine Zweifel aufkommen. So haben es die Donots immer gehalten und so werden sie es bei den kommenden Konzerten auch halten.

Live: 09.04.Kufa Krefeld

Aktuelles Album: The Long Way Home (Solitary Man Records / Indigo)

Foto: Björn Gauss

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