
Für „Are You In Love“ - ihr bisher letztes Album mit neuem Material - zog sich die kanadische Songwriterin Basia Bulat 2019 zusammen mit Jim James, dem Produzenten des Albums, ins kalifornische Joshua Tree zurück, um dort in kreativer und spiritueller Hinsicht zu sich selbst zu finden. Das Album erschien dann wenige Tage bevor die Lockdown-Phasen das musikalische Leben weltweit erst ein Mal aushebelte. Dass es dann 5 Jahre dauerte, bis Basia nun ihr neues Werk „Basia's Palace“ realisieren konnte, hat allerdings einen erfreulicheren Hintergrund als die Einschränkungen der Pandemie, denn in der Zwischenzeit sind Basia und ihr Ehemann Andrew Woods Eltern geworden und zwischenzeitlich erfüllte sich Basia zudem mit ihrem Projekt „The Garden“ 2022 einen Herzenswunsch und spielte ihre eigenen Lieblingssongs mit einem Streicher-Ensemble neu ein. Nun ist Basia zurück im Business und legt mit „Basia's Palace“ ein Album vor, dass sich in seiner Vielseitigkeit gut und gerne als neue musikalische Visitenkarte empfiehlt.
Wo ist denn wohl Basia's Palast zu finden – oder ist dieser überhaupt zu finden?„Doch doch – der Palast ist hier“, erklärt Basia, die das Interview aus ihrem Heimstudio heraus führt, „das ist das Heimstudio, wo ich während der Pandemie auch lebte, weil wir ja alle das Haus nicht verlassen konnten. Ich habe dort auch meine kleine Tochter mit hingenommen, als sie geboren wurde und wir haben dann auch die neue Musik dort entwickelt. Das ist ein ziemlich einfaches 70er-Jahre Kellerstudio, wo ich mit meiner Katze, die mein Kumpel ist, zusammen Musik mache. 'Basia's Palace' ist aber auch ein Geisteszustand und eine Welt von Träumen und Spielen. Meine Hauptrolle als Mutter ist nämlich heute eine Ergänzung der Phantasie meiner Kinder. Wir spielen dort viel und machen auch Reisen in die Phantasiewelten und mir wird immer deutlicher, wie ich das vermisst habe. Und noch etwas: Auch wenn ich auf der Bühne stehe, ist 'Basia's Palace' mein eigenes kleines Königreich.“
Gehört der Garten vom letzten Album auch zu Basia's Palast?
„Na ja – das war dann eher ein Garten des Geistes“, führt Basia aus, „wir haben dieses Projekt ja nicht in meinem Heimstudio aufgenommen, sondern in einem richtigen Studio, wo wir die Möglichkeit hatten, die einzelnen Musiker den Lockdown-Regeln entsprechend zu isolieren. Das war dann unser Pandemie-Projekt. Ich hatte ja schon vorher mit Streicher-Ensembles gearbeitet. Streicher sind mein Lieblings-Ding und ich mag auch die Streicher auf der neuen Scheibe sehr.“
Die von Drew Jurecka arrangierten Streicher-Sätze wurden – anders als auf „The Garden“ - aber nicht kammermusikalisch ausgeführt, sondern von Produzent Mark Lawson auf eher subtile Weise ins Klangbild eingewoben.
Es gibt überhaupt eine Menge zu entdecken auf dem neuen Album. War das von vorneherein so geplant?
„Also ein bisschen war das schon geplant, aber auch glückliche Zufälle spielten eine Rolle“, räumt Basia ein, „das war das erste Mal, dass ich alleine so viel mit Kopfhörern gearbeitet habe – denn meine letzten Scheiben entstanden immer live im Studio. Ich arbeitete mit meinem Mann zusammen und auch mit meinem Freund Mark Lawson, der das Album produzierte. Erst als ich mich in meine Kopfhörer vertiefte, fand ich dann die vielen kleinen Details. Weil vorher so viele meiner Scheiben live eingespielt wurden, war dieses Projekt dann eher eine introspektive Angelegenheit. So konnten wir dann sehr viel mehr an den Details arbeiten – auch bei den Up-Tempo Songs.“
Ist „Basia's Palace“ eigentlich ein Konzeptalbum – vielleicht indem Basia eine Geschichte erzählt? Das würde etwa erklären, dass das Album mit dem Liebeslied „My Angel“ beginnt, im Mittelteil dann zwischen Nacht und Tag hin und her pendelt und mit dem Track „Curtain Call“ - einer Art Resümee im Stile von „My Way“ endet.
„Nun es ist nicht so, dass jeder Song ein Kapitel in einer Geschichte widerspiegelt“, schränkt Basia ein, „aber es gibt einen Spannungsbogen. Ich tauche da ein in die Erinnerungen meiner Kindheit und der Bogen entwickelt sich dann über die anfängliche Aufgeregtheit. Denn es ist so, dass ich auch nicht immer weiß, was ein Song genau bedeutet, nur weil ich mir einbilde, dass ich es weiß. Es kommt immer wieder mal vor, dass jemand auf mich zukommt und mir seine Interpretation des Songs erzählt – die meine dann sozusagen aus dem Wasser bläst. Ich habe so wenig Kontrolle über solche Sachen. Meine Idee dieses Mal war, dass ich gegen Ende der ersten Seite des Albums den Beginn einer neuen Ära am Anfang der Nacht darstellen sollte und ich mich auf der zweiten Seite dann in der Mitte Nacht befinde und wieder dem Licht und dem Morgen zuwende – und dann kommt als Finale ein Curtain Call – ein Vorhang. Ich komme also als Künstlerin auf mich zurück. Es kann alles bedeuten: Eine Beziehung, persönliche Erinnerungen, Wiederentdeckungen – das ist es ja gerade, was den Spaß ausmacht.“
Gibt es dabei auch einen metaphysischen oder spirituellen Aspekt?
„Auf jeden Fall“, bestätigt Basia, „die Vorstellung, dass ich all diese Songs, Melodien und Töne in unserer komplexen Welt erschaffen habe ist ist schon sehr kraftvoll. Alleine die Tatsache, dass jeder Kultur irgend eine eigene Art von wunderschöner Musik hat bestätigt mich in der Annahme, dass wir dazu bestimmt sind, Musik zu erzeugen. Gerade zur Zeit gibt es so viele Dissonanzen und Chaos. Wenn die Menschen nur versuchen, miteinander zu sprechen ist das nicht das selbe, als wenn sie versuchten, über die Musik miteinander zu harmonisieren – denn Musik verlangt danach zuzuhören.“
Gibt es deswegen vielleicht auch deswegen den Track „Spirit“?
„Ja – das ist ein lustiger“, meint Basia, „ich habe da auf Leonard Cohen gehört, der ein Mal berichtet hat, beim Komponieren die Presets auf seinem Keyboard zu verwenden. Das habe ich auch mit dem Preset 'Spirit' auf meinem Keyboard gemacht und herausgefunden, dass das ein probates Mittel zum Songschreiben für mich ist. Die Sache mit dem 'Spirit' ist ja die, dass wir in der Musik und der Kunst und dem Leben im Allgemeinen nach einem Geist suchen, der über vorgegebene Narrative hinaus geht. Es braucht nichts und niemandem, der uns sagt, wie etwas zu sein hat und was es bedeutet. Wir müssen unseren eigenen Geist finden – und manchmal droht das verloren zu gehen – besonders wenn man mit so vielen Botschaften konfrontiert wird, wie wir heute. Aber weißt Du: Im Refrain meines Songs heißt es: „In Your Heart You Know'. Es geht darum, wieder zu sich selbst zu finden. Ich habe in diesem Sinne bewusst versucht, etwas sehr Einfaches zu formulieren.“
Hilft es dabei, die Songs dann auch bewusst zu reduzieren?
„Ja, manchmal geht es sogar darum, etwas wegzunehmen anstatt etwas hinzuzufügen. Es ist definitiv schwieriger, einen einfachen Song als einen komplizierten zu schreiben. Deswegen mag ich die Folkmusik – weil die zumindest einfach erscheint. Wie ein Haiku zum Beispiel. Ein Haiku erweckt den Anschein so einfach zu sein, weil er nicht viele Zeilen hat – aber die Tiefe dieser Zeilen, Worte und Silben müssen dann sitzen. Ein Haiku ist seine eigene kleine Welt. Ich denke, dass jedes Wort zählt – und das ist es, was anstrebe. Man darf dabei aber den Zufall nicht außer Acht lassen und ihm eine Chance geben – auch wenn Du selbst nicht immer weiß, was das bedeuten kann.“
Als erstes wird Basia Bulat mit dem neuen Album in den USA und Kanada auf Tour gehen. Für den Sommer ist dann aber auch eine Tour in unseren Breiten angedacht.
Aktuelles Album „Basia's Palace“ (Secret City Records)
Weitere Infos: https://basiabulat.com/ Foto: Richmond Lam