
Schwarz und queer im Nirgendwo der Vereinigten Staaten zu sein, war für Bartees Strange in seiner Jugend oft ein ´Horror´. Auf seinem just veröffentlichten dritten Album gleichen Namens stellt er sich diesen Ängsten in musikalisch weitreichenden Songs, die Indierock und Hip-Hop als Sprungbrett nutzen, sich am Ende aber vor allem jeglichen Genre-Etiketten entziehen.
"In gewisser Weise habe ich diese Platte gemacht, um Menschen zu erreichen, die vielleicht auch Angst vor bestimmten Dingen in ihrem Leben haben", lässt sich Bartees Strange im Info seiner Plattenfirma zu ´Horror´ zitieren. "Für mich sind das die Liebe, Orte, kosmisches Pech oder das Gefühl des Untergangs, mit dem ich schon so lange kämpfe, wie ich mich erinnern kann. Ich glaube, dass es einfacher ist, mit den Schrecken und Seltsamkeiten des Lebens umzugehen, wenn man weiß, dass alle um mich herum dasselbe fühlen. Mit diesem Album versuche ich einfach, eine Verbindung herzustellen. Ich versuche, die Welt zu verkleinern. Ich versuche, mich nahe zu fühlen – damit ich weniger Angst habe."Für die Texte mag das stimmen, aber klanglich gestaltet Strange seine Welt auf dem neuen Album größer als je zuvor, wenn er die Tugenden der Klassiker der 70er-Jahre, die ihm sein Vater näherbrachte – Parliament, Funkadelic, Fleetwood Mac, Teddy Pendergrass und Neil Young – in die Gegenwart bugsiert und dabei freigeistig mit Schlenkern zu Hip-Hop, Country, Indie-Rock und House allen gängigen Genre-Schubladen ausweicht. Eine leichte Übung für ihn oder mag er die Herausforderung?
"Für mich ist das keine Herausforderung, denn ich habe einfach schon immer so Musik gemacht", erklärt er bei unserem Treffen im Berliner Hotel Michelberger Ende Februar. "Die Frage, ob das anders oder kompliziert ist, habe ich mir tatsächlich nie gestellt. Es war eher ein: 'Oh, Prince hat Pop-Songs und Country-Songs und House-Songs und auch Beyoncé hat all diese unterschiedlich klingenden Lieder. Für mich ist das schlicht das, was Künstler machen. Viele Leute sind heute total fixiert darauf, in Genreschubladen zu denken. Ich sehe dagegen mich vor allem als Songwriter. Manchmal denke ich: Ich bin wie Neil Young, aber dann sagen sofort alle: Nein, bist du nicht, du bist seltsam! Für mich sind es einfach Songs, ich sehe da keinen großen Unterschied."
Geboren im englischen Ipswich, verlebte der Sohn eines beim Militär beschäftigten Vaters und einer Opernsängerin als Mutter seine Kindheit in der 20.000-Seelen-Gemeinde Mustang, Oklahoma, bevor er in Washington DC und Brooklyn in Hardcore-Bands spielte und zu Zeiten von Barack Obamas Präsidentschaft als Sprecher der Federal Communications Commission tätig war. Erst im vergleichsweise hohen Alter von knapp 30 veröffentlichte er seine erste EP unter eigenem Namen, der 2020 das Album "Live Forever" und 2022 "Farm To Table" folgten. Rückblickend ist er davon überzeugt, dass der lange Anlauf alternativlos für ihn war.
"Das schon früher anzugehen, wäre für mich vollkommen unmöglich gewesen", sagt Strange bestimmt. "Ich hatte zuvor weder das nötige Geld noch die notwendige Perspektive, weil mir die entsprechenden Erfahrungen gefehlt haben. Ich steckte immer schon tief in der Musiksache drin und wollte das unbedingt weiterverfolgen, aber selbst noch vor ein paar Jahren hätte ich keine Chance auf Erfolg gehabt."
Doch so unbeirrt Strange sich dem Eklektizismus auf ´Horror´ auch hingibt: Ein bisschen Hilfe hatte er bei den Aufnahmen schon. So standen ihm die Tausendsassa Lawrence Rothman (Yves Tumor, Lady Gaga) und Jack Antonoff (Bleachers, Taylor Swift, Lana Del Rey) als Co-Produzenten zu Seite. Doch auch wenn Strange mit ihrer Unterstützung auf ´Horror´ so klingt, als habe er für sich einen Weg gefunden, sich dem alltäglichen Wahnsinn zu stellen, erfüllt ihn Donald Trumps rechtskonservative Agenda natürlich trotzdem mit Sorge:
"Was gerade in den USA passiert, ist beängstigend aber ich denke, die einzige Möglichkeit, dem zu begegnen, ist, dich auf dich selbst zu konzentrieren", sagt er. "Viel mehr kann man gerade nicht tun, denn es gibt leider momentan sehr wenig Spielraum, um Veränderungen in der Welt anzustoßen. Aber wenn alle sich um sich selbst kümmern, um ihre Nachbarn, um die Community, dann kann dort eine Menge Arbeit erledigt werden. Mein Rat ist: Such dir eine Beschäftigung, und wenn dann die Zeit kommt, in der wieder mehr Veränderungen möglich sind, werden wir alle bessere und stärkere Menschen sein!"
Aktuelles Album: Horror (4AD / Beggars Group / Indigo)
Weitere Infos: www.barteesstrange.com Foto: Elizabeth De La Piedra