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LAURA CARBONE

Der Kreis schließt sich

LAURA CARBONE

Eigentlich hätte die Berliner Songwriterin Laura Carbone ihre Laufbahn als anerkannte Indie-Rockerin nahtlos fortsetzen wollen, nachdem sie 2019 ihr Durchbruchsalbum „The Empty Sea“ veröffentlicht und nach einigen Nordamerika-Touren auch international für Aufhorchen gesorgt hatte. Nachdem sie sich auf „Emtpy Sea“ mit den Folgen einer schweren Depression kreativ auseinandergesetzt hatte, hatte sie auch bereits begonnen, neue Songs zu schreiben und war gerade dabei, einen Studiotermin für das Frühjahr 2020 zu koordinieren, als die Pandemie über die Welt herein brach. Wo viele von Lauras Kolleginnen und Kollegen jedoch wahlweise in eine kreative Starre oder hektische Betriebsamkeit verfielen, ging Laura einen anderen Weg und begriff die Lockdown-Situationen als Wink des Schicksals; vor allen Dingen aber als Chance, einen Schritt zurücktreten zu können und sich noch ein Mal intensiv mit dem Material für ihr neues auseinanderzusetzen. Jeder, der schon mal selbst Musik gemacht hat, wird wissen, dass die Änderung der Perspektive auf das eigene Tun so manche interessante Erkenntnis mit sich bringt. Im Falle von Laura Carbone bedeutete dies, dass sie erst durch diesen Prozess zum Thema ihres nun vorliegenden Albums „The Cycle“ fand und realisierte, dass sie an einem Konzept-Album arbeitete, das sich am Kreislauf eines Jahres bzw. des Lebens ausrichtete.

Da es während der Pandemie für Musiker nicht möglich war, wie üblich im direkten Austausch zusammen an Projekten zu arbeiten, suchte auch Laura Carbone nach Möglichkeiten, die Zeit der Isolation zu überbrücken, während das neue Album auf dem Backburner langsam Gestalt annahm. So veröffentlichte sie 2020 zunächst ein Mal das Album „Live at Rockpalast“ - ein Mitschnitt des 2018er Auftrittes in der Bonner Harmonie, den Laura mit ihrer Band – Gitarrist Marc Eric Lewis, Bassist Brodie Myles White und Drummer Jeff Collier – im Rahmen der Crossroads-Reihe des Rockpalast absolviert hatte. Es folgte dann 2021 die EP „In Dreams“, auf der Laura zusammen mit dem Gitarristen Craig Dyer 4 Tracks des großen Roy Orbison als Coverversionen im Distanz-Verfahren realisierte. Zu Beginn der Pandemie etablierte Laura auch noch ihr Projekt „Cosmic Dreaming“, mittels dessen sie ihre Aktivitäten als Musikerin und Künstlerin und jene, die sie als Medium auf der spirituellen Ebene verfolgt, unter einem größeren Schirm (so nennt sie das selber) zusammenführen konnte. Erst danach konnten die Arbeiten an den Songs des neuen Albums „The Cycle“ ernsthaft in Angriff genommen werden.

Mussten die Songs dann auch anders konzipiert werden, als bei einer „normalen“ LP-Produktion?

„Ja weißt Du - ich begann eigentlich schon 2017 neue Songs zu schreiben“, erinnert sich Laura. „damals gab es ja schon die Band, die sich um mich geformt hatte und mit der ich dann auch auf Tour war. Deswegen wusste ich, dass da viel Talent und Virtuosität um mich herum waren. Das bedeutete, dass ich die Demos nicht mehr ausproduzieren musst - jedenfalls nicht alle Songs. Ich konnte mit einem Fragment in den Proberaum kommen und war dann auch offen für Input. Irgendwann während des Schreibens wurde mir dann auch klar, dass das Album einem Konzept folgt."

Das bedeutet also, dass es vorher gar nicht die Absicht gab, die Songs einem Thema unterzuordnen?

„Nein“, meint Laura, „ich hatte mir zwar schon immer gewünscht mal ein Konzeptalbum zu schreiben, aber das ist ja so gewaltig, sich hinzusetzen um ein Konzeptalbum auszuarbeiten. So kam das aber dann ganz natürlich zustande und war dann Teil des Prozesses. Dann war das auch sehr magisch und hat mich voll mit Demut erfüllt, wie sich die Songs dann am Jahreskreis entlang arrangierten und wie ich durch die Songs dann auch eine Geschichte erzählen konnte."

Woraus hat sich das Konzept mit dem Kreislauf-Motiv ergeben? Immerhin ist Laura ja keine klassische Geschichtenerzählerin, wodurch zum Beispiel ihre Texte dann auch keinen erklärenden Charakter haben.

„In dem Prozess hat sich mir in der Meditation der Jahreskreis gezeigt und die Songs, die da angeordnet werden könnten“, berichtet Laura, „auch in Kombination mit den Naturkreiszeiten. Wie Du ja weißt, sind meine Songs immer sehr stark inspiriert von den Jahreszeiten. Ich nehme immer auch Referenzen aus der Natur auf und wie die aussieht. Und das hat es dann auch sehr einfach gemacht, die Songs zu platzieren. Und dann hat das sicher auch viel mit den Dingen zu tun, mit denen ich mich in den letzten Jahren beschäftigt habe. Also mit der Zyklik und der Realisation, dass das Prinzip 'schneller, höher, weiter' für mich wenig Inspiration bereit hält. Als ich die Zyklik in dieser Tiefe für mich entdeckt hatte, konnte ich mich – vor allem als Person mit Uterus - dem sehr hingeben und mich damit identifizieren."

Das ist insofern interessant, als dass das der Kreislauf – anders als das Prinzip „schneller, höher, weiter“ ja keine lineare Richtung mehr benötigt. Heißt dass, dass Laura selbst dann auch keine Richtung benötigt?

„Oh nein - ich habe schon eine absolute Ausrichtung und eine Haltung entwickelt, die sich aber bei mir weniger bemisst an dem, was ich erreichen will“, erklärt Laura, „ich habe mich stattdessen darauf besonnen, dass mein Kreislauf und mein Zyklus die Haltung sein darf, die ich brauche, um kraftvoll in dieser Welt existieren zu können und meine Kraft mit anderen Teilen zu können."

Wie sieht das denn mit der Musik aus: Wenn Laura sagt, dass sie sich heute als Medium und nicht als Songwriterin betrachtet, bedeutet das, dass die Musik dann sagt, was sie sein möchte?

„Ja – Musik spricht mit mir bzw. mit all meinen Sinnen“, führt Laura aus, „meine Sinne sind sehr scharf und sehr sensitiv – und wenn Musik durch mich fließen will, dann wird mir das in Form von Bildern, Gefühlen, Gerüchen und Haptik gezeigt. Für mich haben Songs auch Farben. Der technische Aspekt war, das dann meinen Musikern so zu übersetzen, dass das für ihr musikalisches Gehirn Sinn macht. Glücklicherweise haben sie sich aber für meine Form der Synästhesie geöffnet, so dass wir damit arbeiten konnten."

Synästhesie ist ja etwas, was sich der Kontrolle entzieht. Was kontrolliert Laura denn dann, wenn sie ihre Musik in Form bringt?

„Also 'Kontrolle' in Bezug auf Musik ist für mich ein Oxymoron“, meint Laura, „das verstehe ich einfach nicht. Ich würde sagen, dass wir da eher über Verantwortung sprechen müssen. Es ist meine Verantwortung dass mein Instrument – also meine Stimme – gesund ist und das sich die Melodien singen und die Emotionen herauslassen kann, wie es eben sein soll. Das ist meine Verantwortung als Medium."

Da ein Zyklus oder ein Kreislauf keinen definierten Anfang und kein definiertes Ende haben, stellt sich dann doch die Frage, wie sich das Ganze dann weiterentwickelt.

„Wenn wir einen Prozess durchlebt haben – egal in welchem Lebensbereich – ist das zwar etwas Wundervolles, es bedeutet aber auch, dass es aber auch neue Herausforderungen geben wird, an denen wir wachsen dürfen“, erklärt Laura, „jetzt über ein neues Projekt nachzudenken, ist für mich allerdings eine Frage, die sich dem 'höher, schneller, weiter' Prozess anschließt. Ich bin gerade in der Dankbarkeit für dieses Album und denke gar nicht daran, was als nächstes kommt – beziehungsweise habe noch gar nicht entschieden, ob, wie oder was es sein soll. Ich sitze in Dankbarkeit und halte das Werk."

Was ist für Laura denn die wichtigste Erkenntnis aus diesem Projekt?

„Dass meine Lebensqualität stark mit Zyklik zu tun hat - und meine Gesundheit auch“, sagt Laura, „das soll auch dazu inspirieren, dass zumindest jeder mal über das Thema nachdenkt. Und wenn das Werk dazu inspirieren kann, sich wirklich mal auf einen Zyklus einzulassen – auch wenn es nur ein Album oder ein Musikstück ist - dann bin ich schon mehr als geehrt."

Wenn also der Kreislauf den besseren Weg darstellt, mit sich und der Welt in Einklang zu stehen. Was hätte Laura denn den Systemen und der Politik nahezulegen, die sich ja – selbst im Angesicht der ganzen aktuellen Krisenszenarien - nach wie vor den alten, ungesunden Leistungs-Prinzipien verpflichtet fühlen?

„Dass patriarchale Strukturen bewiesen haben, dass sie weder der Erde noch dem Menschen dienen, und dass wenn wir uns weiterhin am Prinzip 'höher, schneller, weiter' orientieren, wir Zielen und Anerkennungen hinterher rennen, die langfristig nicht funktionieren können und auch nicht zur Gesundheit beitragen."

Das bedeutet dann aber doch wohl, dass man dann selber aktiv werden muss, oder?

„Ja – aber um diesen Wunsch aber wirklich zu realisieren, braucht es wirklich Haltung und Aktion. Das bringt nichts, wenn alle nur herumhocken und denken, es sei schön. Es fängt im Kleinen und dann vielleicht auch im Großen an. Ich persönlich finde, dass wir alle viel Material haben um in unserem Inneren aufräumen zu können und dass das einen positiven Einfluss auf unsere Haltung und damit auch die Welt in der wir uns bewegen haben wird. Ich bin mir zu 100% sicher, dass wir uns alle in der Therapie die Dinge in der Tiefe anschauen sollten, um aus veralteten Strukturen herauszuwachsen.

Aktuelles Album: The Cycle (Pop Up Records)


Weitere Infos: https://www.thecosmicdreaming.com/laura-carbone

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