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SOFIA PORTANET

Aufwachen ist wichtig

SOFIA PORTANET

Als die Berliner Musikerin Sofia Portanet im Juli 2020 ihr Debüt-Album „Freier Geist“ veröffentlichte, hatte sie sich über ihre exaltierten Live-Shows – etwa auf diversen Festivals - und eine Reihe von Singles, die sie seit 2018 veröffentlicht hatte, bereits einen Namen als „Germanys Next International Popstar“ (wie die BBC sie titulierte) gemacht. Mit ihrem damaligen Rezept – mehrsprachige Lyrics, die teilweise von Gedichten der deutschen Romantiker wie Goethe, Heinrich Heine oder Rainer Maria Rilke inspiriert wurden mit leicht hysterischer Note zu coolen New Wave Pop-Sounds vorzutragen – schien Sofia dann auch offene Türen einzurennen, die hierzulande schon viel zu lange offen gestanden hatten. Nun hätte es sich Sofia leicht machen können, indem sie etwa zu einem Major-Label gewechselt wäre und ihre zweite Scheibe dann in genau demselben Stil mit leichten Variationen inszeniert hätte. Nun ist das aber so, dass sich Sofia Portanet sich nicht als musikalische Markenverwalterin sieht, sondern als selbstbestimmt agierende Künstlerin, die sich über ihre Arbeit verwirklichen möchte. Und dazu gehört dann auch, dass sie bei dem sympathischen Indie-Label blieb, dass ihr den Einstieg ins Business ermöglicht hatte und sich künstlerisch ordentlich weiterentwickeln wollte – beispielsweise indem sie sich für Album #2 weiter der Popmusik gegenüber öffnete und sich besonders als Texterin deutlicher und persönlicher positionierte als bislang. Der Bezug zur romantischen Tradition ergibt sich dann heutzutage eher über die Inhalte ihrer eigenen Lyrics – und nicht indem sie sich wieder auf literarische Vorbilder bezieht.

Welche Art von Träumen jagt Sofia Portanet denn auf ihrem zweiten Album hinterher? „Ich finde Träume wichtig, weil die einen ja voran bringen“, führt Sofia aus, „ich habe neulich noch so einen Satz gelesen, der besagte in etwa 'Dream On'. Das ist ein schöner Gedanke, aber ich glaube, dass das Aufwachen wichtig ist. Denn Du kannst träumen und träumen – aber dann träumst Du halt nur. Aber der wichtigste Schritt ist ja aufzuwachen und zu sagen: 'Ich werde das jetzt in die Realität übersetzen'. Nur dann ist für mich ein Traum etwas wirkliches wert – es sei denn man gehört zu den Leuten, die sagen, dass sie einfach gerne träumen und wenn sie morgens aufwachen, in ihr eigentliches Leben zurück kehren und Träume als Vision begreifen, die einfach gut tut. Für mich ist aber das Entscheidende, auch aufzuwachen und zu überlegen, wie ich es schaffe, das, was ich geträumt habe im richtigen Leben umzusetzen.“



Einer der Gründe, warum Sofia Portanet auf ihrem ersten Arbeiten mit Gedichten von romantischen Poeten arbeitete, war der, dass sie ganz richtig anmerkte, dass insbesondere deutsche Texte nicht immer so ganz hochwertig seien. Grundsätzlich hat sich doch daran eigentlich nichts geändert. Warum verzichtet sie denn bei diesem Album auf die literarischen Inspirationsquellen? „Ich glaube das hat viel mit Lebensphasen zu tun“, führt sie aus, „und ich war halt jetzt in einer anderen Phase als der, in der ich die erste Platte geschrieben hatte. Damals war ich persönlich halt sehr an Gedichte gebunden. Ich habe gerne Gedichte gelesen. Vielleicht auch ein Stück weit weil ich quasi mein eigenes Leben mehr in Gedichten – in Worten anderer – wiederfinden konnte, als in meinem eigenen. Und jetzt im Prozess zur zweiten Platte habe ich einfach gemerkt, dass ich Erfahrungen gesammelt hatte, über die ich selber schreiben wollte.“



Ging es vielleicht auch darum, durch eigene Texte besser steuern zu können, wohin die Reise künstlerisch gehen sollte? „Ich glaube ich hatte eher so das Gefühl, dass ich mich nicht mehr so hinter abstrakten Bildern verstecken wollte. Es ist ja auch ein bisschen so das Ding, dass man eben nicht so viel von sich Preis gibt, wenn man Gedichte verwendet, auch wenn die etwas mit einem zu tun haben – weil ich mir die natürlich auch ausgesucht habe. Besser zu steuern war vielleicht nicht mein erstes Bedürfnis – aber mich nicht zu verstecken und die Dinge zu benennen, wie sie halt sind und mich nicht in die Einsamkeit zu begeben, war es schon.“



Wie ist das denn zu verstehen? Um welche Einsamkeit geht es denn dabei? „Nun es gibt ja Erfahrungen, die man macht und dann in die Einsamkeit geht, weil man denkt, dass das das Einfachste sei“, erklärt Sofia, „und da ist die Gedichtwelt sehr nah. Oder aber man geht in die Wut, geht in die Freude und in das, was man wirklich fühlt, wenn man sich mit bestimmten Themen auseinandersetzt und Dinge auch konfrontiert.“ Geht es denn dann darum, sich so selber besser kennenzulernen? „Ja – ich fand es interessant, als ich die Platte dann fertig hatte und ich merkte, dass da nicht mehr kommen würde und nach einem Titel suchte, feststellte, dass alle Texte irgendwie mit Enttäuschungen zu tun hatten und so eine Art 'Making Of' eines Traumes beschreiben“, berichtet Sofia, „dann habe ich schon gemerkt, dass ich da einen Abschnitt meines Lebens zusammengefasst hatte und mich so selber besser verstehe. Es ist also schon so eine Form der Selbstreflexion. Und dann ist man ja auch flexibel. Ich könnte zum Beispiel nicht sagen, dass es bei 'Unstoppable' um eine einzige Geschichte geht – und dann konstruiert man ja auch die Songs ein wenig. Ein Stück Selbst-Therapie ist aber auf jeden Fall also auch darin enthalten.“



Wenn Sofia von Phasen spricht: Ist das neue Album dann ein abgeschlossenes Kapitel? Gibt es ein Resümee – etwa in Richtung Resilienz und Empowerment? „Ja genau“, bestätigt Sofia, „das war dann auch letztendlich mein Eindruck. Ich habe natürlich realisiert, das es erst mal um Enttäuschungen geht – dann aber auch darum, wie man mit Enttäuschungen umgeht. Wenn man sich jetzt die Platte anhört, dann merkt man ja auch, dass das jetzt keine traurige und schwere Platte ist, sondern dass da sehr viel Energie – auch positive Energie – drin steckt. Ich glaube also, dass es um den Umgang mit Enttäuschungen geht und meine Message ist die, dass es so wichtig ist, sich nicht herunterziehen zu lassen und dass es wichtig ist, Dinge weiter zu verfolgen weil es kein Grund ist, alles hinzuschmeißen, wenn es mal nicht so läuft, wie man sich das vorgestellt hat und dass man anpacken muss, wenn mal was nicht funktioniert. Vielleicht geht es auch darum, dass das, was ich mir vorgestellt habe, gar nicht das ist, was ich wirklich möchte und ich dies und jenes anpassen müsste. Es geht auf jeden Fall um Empowerment und darum, sich eben nicht unterkriegen zu lassen.“



Musikalisch ist „Chasing Dreams“ von einem anderen Charakter als das Debüt-Album. Hier standen nicht mehr exaltierte New Wave- bzw. NDW-Sounds im Zentrum, sondern eingängige und mitreißende Kook-, E-, Disco- und Dream-Pop-Klänge, die auch nicht avantgardistisch gebrochen oder intellektuell verkopft erscheinen. Woran lag das denn im Wesentlichen? „Die erste Platte hatten Steffen Kahles und ich ganz alleine aufgenommen - zwar auch in einem Studio, aber es war eben alles 'homemade'. Für diese Scheibe wollte ich mit Produzenten – John Fortis (u.a. Ellie Goulding, Lana Del Rey oder Aurora) und Sven Ludwig (Giant Rooks) - in ein professionelles Studio gehen um zu lernen, wie es sich anfühlt, aus meiner Comfort-Zone rauszugehen. Auf der ersten Platte sind die Musik und die Stimme miteinander verwoben, aber weil mir der Gesang und die Texte auch wichtig sind, wollte ich jetzt eine Platte machen, wo die Stimme mehr zum Vorschein kommt und wo man meine Stimmfarbe besser hören kann und somit die Texte mehr im Mittelpunkt stehen. Das war der Ansatz. Letztendlich ist das dann so, dass ich immer weiter Platten machen will – so lange ich Lust habe das zu tun – und sich die Musik dabei immer ändern wird. Dass das neue Album poppiger klingt, hängt auch damit zusammen. Ich denke aber schon, dass man mich dennoch wiedererkennt – einige Gitarrenparts haben ja auch einen Wiedererkennungswert und es gibt ja wieder einen 80's Touch.“



Wie geht es denn weiter für Sofia Portanet? Wird sie vielleicht auch an ihrer Stage-Persona etwas ändern? „Also es sollte auf der Bühne schon immer um das Entertainment gehen“, dämpft sie die diesbezügliche Erwartung, „ich liebe Shows und ich liebe es, wenn auf der Bühne etwas passiert. Man muss dazu natürlich auch Mittel haben – was ich immer durch Outfits und Looks übersetzt und das wird auch immer so bleiben. Es kommt dabei natürlich auf den Kontext an. Für die Tour etwa werden wir uns etwas schönes ausdenken – da kommen dann noch Licht-Effekte hinzu. Wenn ich aber in einem anderen Kontext in einem kleineren Rahmen spiele, dann habe ich auch nichts dagegen, wenn eine Show auch mal natürlicher sein kann. Aber ich liebe halt Shows. Ich komme von der Oper und und ich liebe Bühnenbilder und Outfits. Das ist immer spannend. Und Musik darf auch größer als das Leben sein. Ich fühle Musik sowieso immer groß und denke, dass Musik einen auch zum Träumen bringen darf.“

Und damit wären wir ja schon wieder beim Titel des Albums. Dazu passt dann auch das Covermotiv, das Sofia Portanet als träumerisch verklärte Jagdgöttin Diana zeigt. Witzigerweise war die gewählte Aufnahme die allererste, die bei einer langen Foto-Session entstand. Es scheint also so, als habe das Schicksal mit bestimmt, dass die Jagd nach Träumen zum Leitmotiv ihres zweiten Albums wurde.

Aktuelles Album:


Weitere Infos: https://www.instagram.com/sofiaportanet/ Foto: Tomas Eyzaguirre

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