Als Frontmann der Post-Hardcore Band We Are The Ocean hatte der Brite Liam Cromby zwischen 2007 und 2015 das Rockstar-Dasein in vollen Zügen genossen. So konsequent sogar, dass am Ende der Bandkarriere ein Burn-Out inklusive eines Absturzes mit Alkohol, Drogen und mentalen Problemen stand. An ein Weitermachen war unter diesen Bedingungen nicht zu denken und Cromby entschloss sich, das Musikerleben erst mal an den Nagel zu hängen und sich in „normalen“ Berufen – wie zum Beispiel als Schneider oder Online-Lehrer - zu versuchen. Erst als ihn 2019 einer seiner Dayjobs nach Nashville führte und er dort mit Musiker-Kollegen zusammentraf, kam er auf die Idee, seine Laufbahn als Songwriter fortzusetzen – denn so richtig erfüllend können Dayjobs ja nicht sein, wenn man ein Mal als Musiker Blut am freien Künstler-Leben geleckt hatte. Und so kommt es, dass Liam Cromby's Solo-Debüt dann zwar in wenigen Tagen eingespielt wurde – aber tatsächlich seit Jahren in Arbeit war.
Die Sache kam ja richtig ans Laufen, als sich Liam in Nashville mit Kenny Foster und Emery Adeline hinsetzte, um erste Songs für das neue Album zu schreiben. Ging es dabei um die Zusammenarbeit mit anderen?„Bevor ich damals nach Nashville ging, hatte ich schon angefangen, wieder Songs zu schreiben – aber zu der Zeit fand ich es schwer, mich auszudrücken, weil ich mich nicht gut fühlte. Die Zusammenarbeit mit den anderen half mir dabei, für die Geschichten, die ich erzählen wollte, den richtigen Ton zu finden. Die Nashville-Sessions hatten also einen grundlegenden Eindruck hinterlassen. Der Song 'Trying' etwa, den ich mit Kenny Foster geschrieben habe, fasst mein Leben und das, was ich mir von der Seele schreiben wollte, treffend zusammen. Ich würde sagen, dass diese Erfahrung für mich also sogar notwendig war."
Neben der Erfahrung mit den Dayjobs und den anderen Musikern in Nashville war es auch der Umstand, dass sich Liam therapeutische Hilfe suchte, um wieder auf die rechte Bahn zurückfinden zu können. Eine ganz besondere Art der Erleuchtung erfuhr Liam dabei dann durch eine holistische Zeremonie des "Karmischen Zyklus", zu der ihm seine Frau Ashlea geraten hatte. Was hatte es damit auf sich?
„Du weißt ja was Karma ist, richtig?“ fragt Liam, „es gibt jedes Jahr einen karmischen Zyklus, zu dem man sich spirituell neu aufstellen kann. Am Vorabend des Zyklus hatte ich eine Erfahrung, die ich einfach nur als spirituelles Erwachen bezeichnen kann und aus der ich als eine andere Person hervor ging. Ich war danach jedenfalls nicht mehr der alte Liam. Die Sache hat mit einer Meditation und einer Ohrenkerze zu tun. Man steckt sich diese ins Ohr uns zündet sie an und während sie abbrennt, reinigt sie Deine Chakren. Das ist aber keine religiöse Sache. Ich kann es aber auch nicht anders beschreiben. Ich habe keine Sprache diese Erfahrung zu beschreiben. Es ging dabei aber nur darum, meinen Geist zur reinigen. Ich denke nicht, dass es einen Einfluss auf meine Musik gehabt hat – wohl aber auf mich selbst.“
Wie sieht Liam denn sein heutiges Songwriting? Geht es ihm dabei um Geständnisse?
„Ich denke, es sind einfach meine Erfahrungen, über die ich in meinen Songs berichte“, überlegt er, „ich mag es aber auch, die Geschichten von anderen Leuten zu erzählen. Denn auf diese Weise kann ich ja die Geschichten von Menschen, mit denen ich mich verbunden fühle, erzählen. Die sind ja genauso wichtig, wie meine eigenen. Die Inspiration kann ja aus verschiedenen Richtungen kommen. Was ich nicht so gerne mag, ist über erfundene Sachen zu schreiben. Das mache ich auch schon mal – aber eher als Übung für mich selbst und diese klingen dann für mich eher komisch."
Wonach richtet sich Liam Cromby musikalisch aus? Das neue Album ist ja keine Rockscheibe geworden, sondern eher ein Album im Stile des amerikanischen Heartland-Sounds – jener Art von Musik also, mit der Liam aufwuchs. Denkt er überhaupt in Kategorien wie „Genres“ oder „Formate“?
„Nein ich denke nicht allzu viel über so etwas nach, sondern mache einfach“, führt er aus, „wenn man nämlich zu viel über solche Sachen nachdenkt, dann hört irgendwann die Magie des Musizierens auf. Der Ansatz bei den Aufnahmen war einfach der: 'Hier ist ein Song – der ist wie er ist. Lasst uns einstöpseln und möglichst alles in einem Take zusammen aufnehmen.' Die Jungs, mit denen ich die Songs einspielte, hatten die Demos der Songs erst einen Tag vor den Aufnahmen gehört und konnten deswegen ihre eigenen Ideen einbringen. Es ist nur unheimlich wichtig, die Sachen live zusammen einzuspielen. Ich habe zwar nichts gegen Studiotechnik und Patchwork-Arbeiten – aber dieses Album sollte so rau und direkt und imperfekt sein, wie nur möglich.“
Wie geht es weiter für Liam Cromby? War das neue Album ein Testballon oder ist er jetzt wieder „im Geschäft“?
„Eine Sache, die ich durch diese ganze Erfahrung gelernt habe, ist dass wenn man etwas machen kann, das anderen ein Lächeln ins Gesicht zaubert oder aufmuntern kann, dann sollte man das auch tun. Das ist meine Botschaft an mich selbst: Weiter Musik zu schreiben und aufzuführen und so viele Menschen wie nur möglich zu erreichen.“
Aktuelles Album:
Weitere Infos: https://www.youtube.com/@liamcromby/videos Foto: Basia Krasowska