Ihr Solo-Debüt-Album „Salt“ konnte die australische Songwriterin Angie McMahon 2019 noch unbehelligt von der Pandemie realisieren und live präsentieren. Das Hereinbrechen der Pandemie traf für Angie dann zusammen mit einer Phase von „Beziehungsveränderungen, privaten Zusammenbrüchen und erschütternden Offenbarungen über sich selbst“, wie es in der aktuellen Bio heißt. Fast schon zwangsläufig ist das nun vorliegende, zweite Album „Light, Dark, Light Again“ eine Reflexion der Gedanken, die sich Angie in dieser Phase machte, um einen Weg zu finden, eine so eingeleitete Abwärtsspirale für sich selbst durchbrechen zu können. Dabei ging es darum, sich den eigenen Dämonen zu stellen, um so zu einem neuen Selbstverständnis finden zu können und die Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind. Auch wenn das aufgrund des rauen Sounddesigns und des teilweise nachdenklichen Tenors gar nicht so offensichtlich ist, war Angie's vornehmlichstes Ziel bei all dem, eine positive Scheibe zu erschaffen.
Musikalisch ist die neue Scheibe sehr unkonventionell strukturiert. Was war denn Angie's Ziel in dieser Hinsicht?„Das kommt natürlich immer auf den Song an“, führt Angie aus, „aber ich denke, dass ich gelernt habe, dem Flow eines Songs zu trauen. Und wenn der dann keine konventionelle Strophe/Refrain-Struktur hatte, war das nicht von so großer Bedeutung. Es gab aber ein paar verschiedene Ansätze. So gab es Songs wie 'Fish', wo ich den Text zuerst hatte, weil ich mit einem Gedicht arbeitete, dass ich zuvor geschrieben hatte. Dann gibt es einen Song namens 'I Am Already Enough', der dadurch entstand, dass ich während einer Autofahrt vor mich hinsang. Es gab aber auch Songs, wo ich meine Gitarre einstöpselte und dann nach einem coolen Gitarrensound suchte, auf dem ich aufbauen konnte. Oder ist stellte mir vor, wie etwas auf der Bühne klingen sollte und versuchte auf diese Weise zu dem Song zu finden. Klassischerweise setze ich mich aber einfach ans Klavier und stelle mir vor, Adele zu sein.“
Und dabei geht es dann auch um einen bestimmten Sound?
„Na ja – ich kann das jetzt nicht exakt beschreiben“, meint Angie, „aber ich denke, ich versuche immer, das was ich mache so sehr nach mir klingen zu lassen, wie möglich. Ich wünschte dabei, ich wäre etwas vorsichtiger gewesen, denn da gibt es einige Sounds, die sich live nicht so gut realisieren lassen – aber das ist OK, denn manchmal hat der Song einfach nach so etwas verlangt. Ein wenig Düsternis ist sicherlich auch in der Musik zu finden – aber das meiste passierte in dieser Hinsicht auf der privaten Ebene. Mir ging es einfach darum, eine positive Scheibe zu machen."
Nun war es ja so, dass man als Künstler in der Pandemie stärker als sonst auf sich selbst zurückgeworfen wurde, weil die üblichen Inspirationen der Außenwelt fehlten. War das auch ein Aspekt, der sich songwriterisch niederschlug.
„Oh das ist ein sehr interessanter Gedanke“, meint Angie, „darüber habe ich so zwar noch nicht nachgedacht aber ich denke schon, dass das so war. Es ist geradezu eine Erleichterung, dass die Leute sich jetzt die LP anhören können, denn ich habe in der Isolation lange Zeit selbst nicht gewusst, was ich davon halten sollte. Es ist im Rückblick so, dass ich ich die Positivität wohl selbst brauchte, weil ich die Scheibe zunächst alleine für mich gemacht habe. Die Positivität war dann wie ein Geschenk an mich selbst. So gesehen, war die Erfahrung für mich eine ganz andere als bei der ersten Scheibe."
Das mit dem Geschenk an sich selbst ist ein gutes Stichwort, denn obwohl die Songs oft in einer Art Dialog-Format geschrieben sind, scheint es so, als adressiere sich Angie vor allen Dingen selbst.
„Ja, das ist auch so“, bestätigt Angie diese Vermutung, „ich versuche da, an einer Freundschaft und einer Beziehung zu mir selbst zu arbeiten."
Und hat sie sich denn mittlerweile gefunden?
„Ich denke schon“, meint Angie, „ich glaube, ich habe mich selbst gefunden. Jedenfalls kenne ich mich heutzutage besser als je zuvor – und das ist eine große Erleichterung."
Ging es dabei vielleicht nicht nur darum, sich besser zu fühlen, sondern sich auch zu besser zu akzeptieren?
„Ja, definitiv“, pflichtet Angie bei, „das war eine große Erkenntnis für mich, die ich auch in der Therapie in den letzten zwei Jahren gewonnen habe: Nämlich zu verstehen wie böse ich unbewusst oft zu mir selbst gewesen war. Ich denke, das hatte ich zuvor einfach nicht realisiert. Mir war nicht bewusst, wie ich mit mir selbst sprach und wie ich versuchte, mich zu verändern – auch in Bezug auf die Wahrnehmung oder in Beziehungen. Ich wusste nur, dass das sehr ermüdend war und von meinen Ressourcen zehrte. Dann sind aber Dinge in meinem Leben passiert, die das sehr offensichtlich machten und mir war klar, dass ich diese Verhaltensmuster durchbrechen musste. Und die Methode das zu erreichen, war mir selbst zu vertrauen."
Was ist denn die größte Herausforderung für die Musikerin Angie McMahon?
„Das kommt dabei auf die Stelle im Prozess an“, meint Angie, „manchmal ist die größte Herausforderung, sein Geschäft zu erlernen, manchmal geht es darum, seine Songs vermarktbar zu machen und oft geht es einfach darum, Selbstzweifel zu überwinden. Eine Sache, mit der ich auch zu kämpfen habe, sind limitierte praktische Fähigkeiten. Ich übe einfach nicht genug auf meiner Gitarre und habe die Tendenz immer auf dieselben Akkordfolgen zurückzugreifen, wenn ich Songs schreibe. Manchmal wünschte ich einfach, mehr technische Fähigkeiten zu haben, um mal was anderes Interessantes machen zu können. Aber an guten Tagen ist mir schon klar, dass diese Limitationen auch hilfreich sein können, weil man so mit vorhandenen Mitteln kreativ sein muss. Und manchmal ist es auch einfach eine Herausforderung, Sachen zu Ende zu bringen. Ich habe bestimmt 2000 Voice-Memos mit unfertigen Ideen. Das reicht dann aber bestenfalls für jede Menge halbfertiger, imaginärer Longplayer..."
Gibt es denn schon Pläne für die Zukunft, die dann eben konkreter sind als die 2000 Voice-Memos?
„Soweit ich das jetzt sagen kann, will ich einfach weiter Scheiben aufnehmen und möchte die Musik mit meiner Band weiterentwickeln. Ich möchte auch weiter live spielen und so die Verbindung zu den Menschen aufnehmen. Mein Plan ist dabei, alle möglichen Arten von Scheiben aufzunehmen. Ich möchte sowohl eine rockorientierte Punk Scheibe, wie auch ein meditatives Ambient-Album ohne Worte machen und auch mal eine richtige Pop-Scheibe. Das ist es, wie ich die Zukunft sehe – der Rest wird sich dann schon finden."
Aktuelles Album: Light, Dark, Light Again (AWAL)
Weitere Infos: https://angiemcmahon.com/ Foto: Bridgette Winter