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SHEARWATER

Unterm Diktat der Natur

SHEARWATER

Was macht wohl jemand für Musik, der ansonsten Stunden über Stunden damit zubringen kann, Vögel zu beobachten? Im Falle von Jonathan Meiburg ungewöhnliche. So ungewöhnliche Musik, dass man fast meinen könnte, er habe sich von den Vögeln die eine oder andere Weise abgehört. Das wäre nun so abwegig auch wieder nicht, denn zusammen mit seinem Musikerkollegen Will Sheff sind sie die Band Shearwater, im Englischen die Bezeichnung für den Großen Sturmtaucher.

Sinfonische Strukturen

Die Kompositionen von Shearwater auf „The Golden Archipelago“ schließen die Trilogie über den Einfluss des Menschen auf seine Umwelt ab. Die Isolation des Insellebens ist das große Thema. Der Mensch mit und gegen Naturgewalten. Dazu greifen Shearwater auf epische, sinfonische Strukturen zurück und führen ihren orchestralen Rock in die Nähe von Renaissance-Musik.

„Ich bin ein großer Bewunderer der Struktur und der Harmonien dieser klassischen Musik“, legt Jonathan Meiburg ein eindeutiges Bekenntnis ab. Erst mal auf dieser Spur, sind die Ähnlichkeiten frappierend. Bei Shearwater als auch in der Renaissance steht die kleine, überschaubare Besetzung im Zentrum. Die instrumentalen Solostimmen werden sehr reduziert eingesetzt, aber kontrastreich und dynamisch. Und auch die Wiederholung ist in beiden Fällen ein auffallend ähnliches Stilmittel. Darüber legt sich abwechselnd die Kraft seines Baritons oder sein melancholische Falsett.

„Dabei habe ich keine Kontrolle über die Stimme“, sagt Jonathan Meiburg, „sie erkundet systematisch und mit ausdrucksvollen Wendungen die Musik und damit auch die Insel. Praktisch ist das ein Diktat der Natur. Die Stimme folgt nur.“

Um diese subtile Instrumentierung mit der unvergleichlichen Stimme zu verquicken und aufzunehmen, verbrachten Shearwater Monate im Studio. Mit Hilfe des Produzenten John Congleton, der es unter anderem auch schaffte den Polyphonic Spree-Klang zu konservieren, ist es schließlich gelungen.



Von Gezeiten umgeben

Die Insellage bedingt es, dass der Mensch den Gezeiten des Meeres ausgesetzt ist. Mal wild stürmisch. Mal dahinplätschernd ruhig. Shearwater fangen auf beeindruckende Art sowohl die Kraft des Sturms, als auch die Kraft der Ruhe ein. Inspiriert durch bizarre und unfreundliche Naturlandschaften des Eilandes machen Shearwater ebensolche Klangwände. Aber auch der warme Schein der Sonne wird musikalisch reflektiert. Auch das Eingreifen des Menschen in die natürlich Zusammenhänge und die Folgen daraus thematisiert Jonathan Meiburg. Die Inspiration für diese emotionale musikalische Reise holt er sich auf seinen Exkursionen im echten Leben. Dabei sammelt er Skizzen über Skizzen. Sie bilden die Grundlage für die Stücke.

„Ich muss beim Komponieren nur in die Aufzeichnungen hineinhören“, erklärt, er „und sofort sprudelt der Erinnerungsquell. Das Ausformulieren geht dann ganz schnell. Es dauert manchmal nur ein paar Minuten.“

Diese geradezu physische Erinnerung macht den Klang so intensiv und die erzählten Geschichten so tiefgründig.

„Wichtig ist mir das dabei Wort und Musik nicht auf der gleichen Dimensionsebene agieren“, erklärt er seine Herangehensweise an die Kompositionen „wenn sie beide nacheinander übereinander geschichtet werden, ist die Strahlkraft deutlich größer.“

In Amerika kommt die Platte noch um eine großartige optische Dimension erweitert heraus.

„Es wird der CD ein 50-seitiges Buch beigepackt, voll von Notizen, Fotos, und anderen Bilder. Die Inspirationen der Musik werden so noch mal auf andere Weise transparent“, bedauert Jonathan Meiburg das Fehlen dieser Dreingabe in Europa.



Menschenenergetisierer

Das imponierende Album voller Brillanz und Brisanz ist dennoch kein Untergangsszenario.

„Ich will hier keine Botschaften verteilen“, stellt Jonathan Meiburg sein Anliegen dar, aber durch meine Reisen durch die märchenhafte Schönheit dieser Welt, kann ich die Anzeichen des Verschwindens nicht ignorieren. Was ich aber will, ist die Menschen energetisieren, um zumindest Ereignisse in einen Kontext stellen zu können.“

Aktuelles Album: The Golden Archipelago (Matador / Beggars Group / Indigo)

Foto: Amy W. Cooper

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