Was würde der in hiesigen Breitengraden lebende Mensch nicht alles dafür geben, sein Leben unter der australischen Sonne zu verbringen? Am anderen Ende der Welt muss – zumindest unserer Phantasie nach – doch alles paradiesisch zu sein. Die Dukes Of Windsor haben ebendieses schöne Fleckchen Erde verlassen, um sich in Berlin zu entfalten. Verrückte Kerle - wenngleich auch nur bedingt.
Sie sitzen bereits einige Minuten vor dem verabredeten Interviewtermin startklar und frisch im Büro ihrer Plattenfirma. Kein Alkohol, kein Kaffee – nein, über ein Wasser würden sie sich sehr freuen, schließlich haben sie nachher noch einiges zu tun! So wie jeden Tag heißt es nämlich: Ab in den Proberaum und weiter an den neuen Songs arbeiten. Wurde hier etwa der Rock´n´Roll-Spirit in Down Under vergessen!? Noch mal ganz langsam und zum Verständnis aller ein Blick auf das, welchen Film diese beiden Typen beiwohnen: Jack Weaving und Mirra Seigermann sind zwei von fünf jungen Männern, die unter dem Namen Dukes Of Windsor gemeinsam Musik machen. Und sie als Newcomer zu bezeichnen, ist so wahr wie bizarr zugleich. Was sich hierzulande wie ein unbeschriebenes Blatt auf dem Indiesektor ausbreitet, hat auf der anderen Seite des Globus eine beachtliche Vergangenheit. Vor fünf Jahren gründete sich in der Nähe Melbournes aus einer fixen Idee unter Freunden eine Band, die in ihrem Heimatland schnell auf Goldkurs ging. Diese Aufmerksamkeit in Disko, Funk und Werbebranche wurde den Dukes bereits im Zuge ihres Debüts zuteil, das ein Jahr nach ihrer Gründung in Australien erschien. „The Others“ wurde damals von Jonathan Burnside (Faith No More, Nirvana) produziert und final noch einmal von den Schweden Pelle Henricsson and Eskil Lovstrom (Refused, Poison The Well) im kalten Umea, Schweden ins gewünschte Soundlicht gerückt. Ein wirklich glückliches Händchen bewies dann aber erst TV Rock, ein Dance Act aus Down Under, der sich den Titeltrack des Debüts vorknöpfte und mit seiner Version für den Durchbruch der Dukes Of Windsor auf allen Kanälen sorgte.„Da passierte plötzlich etwas mit uns, von dem wir zunächst gar nichts mitbekamen und dem wir auch ziemlich erstaunt gegenüber standen“, erinnert sich Sänger Jack. „Ja, im Grunde fußt diese Band auf einem Haufen von Zufällen. Vor unserem ersten Album haben wir noch eine EP gemacht, die eigentlich nur aus Fehlern besteht und auch eher zufällig entstanden ist. Denn eigentlich wussten wir nicht, wo es hingehen sollte. Wir hatten musikalisch kaum etwas gemeinsam, es gab keine Vision, sondern nur eine leise Ahnung. Und dann kam dieser Remix kurz nach unserem Debüt, der uns in die Dancecharts katapultierte, ohne dass wir etwas damit zu tun hatten. Auch die Leute, die uns aufgrund dieses Songs dann entdeckten, waren etwas verunsichert: Wie, das ist eine Indieband, die Instrumente spielt und es live gerne laut mag!?“
Aber der Mensch - und speziell der Musik hörende - ist ein Gewohnheitstier und Australiens Musikszene freundete sich ungefragt mit den wahren Dukes an.
2008 folgte dann das zweite Album namens „Minus“, dessen Titel als Programm der damals herrschenden Aufnahmesituation zu verstehen ist, denn der Fünfer zog sich erneut zu Pelle und Eskil in die klirrendkalte Einöde Schwedens zurück. Aber diese Kälte ist auch ein essentieller Teil ihrer Musik – wenngleich die Dukes das zu diesem Zeitpunkt vielleicht selbst noch gar nicht wussten. „Robotic Soul“ nannte man das, was die Dukes da machten.
Jack versucht sich heute noch einmal: „Ehrlich gesagt, weiß ich immer noch nicht, was wir da machen, aber das ist auch gut so! Denn wir alle haben unterschiedliche Inspirationsquellen und bauen uns aus diesen Einflüssen etwas Neues zusammen. Wie man das nennt? Das ist mir völlig egal! Grundsätzlich sind wir eine Band, die gerne laut ist. Danach kommt eines zum anderen. Und deshalb würde ich einfach sagen, dass wir eine Rockband sind, die elektronische Elemente für sich nutzt.“
Und so einfach und treffend diese Selbsteinordnung auch ist, so verheimlicht sie doch das entscheidende Spiel, mit dem sich die Dukes ihren Elektrorock zusammenspielen: Es ist das Jonglieren mit den Gegensätzen, das Durchleuchten der Dunkelheit, das Erhitzen des Eises, das Aufweichen des Sterilen - fast so, als würden Pavement mit den Chemical Brothers kopulieren.
Nun kann man diese Newcomer in unseren Ohren vielleicht etwas besser einordnen. Aber klar wird noch immer nicht, warum man um alles in der Welt solch ein Leben auf dem fünften Kontinent aufgibt und stattdessen seinen gemeinsamen Koffer auf unbestimmte Zeit im in Berlin, einer Stadt im alten Europa, aufmacht.
„Deutschland und speziell Berlin fühlt sich für uns wie das Herz Europas an, nicht nur geografisch, sondern auch kulturell gesehen. In jeder Stadt auf dieser Welt sprechen die Menschen von Berlin, von der Musik, die dort spielt, von der Inspiration, die da in der Luft schwebt. Diese Möglichkeit, hier als Band kreativ zu werden, wollten wir für uns nutzen“, erklärt der Jungspund Mirra, Seit knapp einem Vierteljahr sind sie nun dort und verfolgen ihren Plan. Wie lange sie bleiben werden, wissen sie nicht. Nahezu täglich treffen sich die Jungs im Proberaum, arbeiten an ihrem neuen Werk und sind damit quasi auf Musik-Montage.
„Wir proben momentan täglich. Für Interviews und unseren Deutschunterricht in der Volkshochschule gehen wir raus, aber ansonsten bleiben wir drinnen und arbeiten an den neuen Songs, die wir nach und nach live und allein aufnehmen wollen. Wir wollen nicht Tausende von Euro in einen Produzenten stecken; dafür wissen wir mittlerweile gut genug, was wir können und wollen.“
Auch, wenn sie sich manchmal gegenseitig noch zwicken müssen:
„Ja“, so lacht Jack los, „da sitzen wir hier in Berlin, bei 5 Grad unter Null, während wir zur gleichen Zeit in Australien surfen könnten.“
Mirra und Jack streifen sich ihre dicken Winterjacken über und düsen ab in Richtung Proberaum. Weil sie genau wissen, was sie hier tun.
Aktuelles Album: It´s A War (Motor Music / Edel)