Als der Münchner Henning Furbach, DJ des ´Atomic Café´, anno 2004 mit „Please Please Please“ die ersten, leisen Hilferufe der Shout Out Louds erhörte, deren Track an vierter Stelle seiner Club-Compilation „Åtömström – The Great Röck´n´Röll Svendle“ neben den Hives, Mando Diao, Moneybrother, Eskobar u.a. platzierte, begann in Deutschland die Glückssträhne des schwedischen Quintetts...
...die sich auch mit der Veröffentlichung des neuen, dritten Longplayers „Work“ fortsetzen sollte (werten wir „Howl Howl Gaff Gaff“ trotz der unterschiedlichen skandinavischen/internationalen Versionen aus 2003/2005 einmal als Debutalbum). Beim ersten „Work“-Showcase auf deutschem Boden animierte dann auch eben jenes „Please Please Please“ das anwesende Publikum inklusive einiger Pressevertreter zum kollektiven mitsingen. Und schon mutierte das Berliner „Lido“ zu einer Sauna...Wenige Tage später fanden sich Ted Malmros (Bass), Eric Edman (Schlagzeug), Carl von Arbin (Gitarre), Adam Olenius (Gesang) und Bebban Stenborg (Keyboards) dann wahrhaftig in einer richtigen, skandinavischen Sauna in einem Hamburger Hotel wieder. In der kuschelig-gemütlichen Atmosphäre der allerdings unbeheizten Location wurden diverse Fotos für verschiedene Publikationen gefertigt. Die nordische Kühle, die an die deutsche Velvet Underground-Sängerin / Schauspielerin Christa Päffgen aka Nico erinnernde Aura von Stenborg bildeten einen weiteren, besonderen Kontrast. Die Frage, ob sie Nico, die legendärste Chanteuse des hiesigen Undergrounds († 1988), kenne, lag natürlich in der Luft. Doch auch in dieser Konstellation (Nico war in ihren letzten Jahren schwer Drogenabhängig) kamen die Interview-Partner(innen) nicht ins Schwitzen.
Stenborg: „Persönlich kannte ich sie nicht. Doch ich nehme die Ähnlichkeit als großes Kompliment!“
Olenius fügte hinzu, dass beide Damen ähnlich talentiert erscheinen. Und beide Frauen begründeten ihren musikalischen Erfolg sozusagen in den USA. Nico verhalf dem Album-Debut von Lou Reed, John Cale & Co zum Erfolg, Stenborg und ihre vier Kollegen erarbeiteten sich dort ebenfalls erste Erfolge. Branchenriese Capitol lizensierte eine internationale Version des ursprünglich in Schweden auf dem bandeigenen Label BudFox veröffentlichten Erstlings „Howl Howl Gaff Gaff“, droppte die Band jedoch zeitnah wieder. So waren die Shout Out Louds overseas frei für Merge Records, dass den Musiker(inne)n von Superchunk (als Quartett feierte die ´Spaß-Grunge-Pop-Formation´ zu Beginn der 90er auch in Deutschland independent Erfolge) gehört, wo zudem Arcade Fire durchstarteten.
Olenius: „All das war nicht wirklich geplant, sondern lediglich eine natürliche Entwicklung. Wir gingen in die Staaten, weil uns Gastspiele generiert wurden. Wir hatten dort eine Menge Shows, verbringen dort viel Zeit. Insgesamt verbrachten wir in letzter Zeit fünf Monate in den USA.“
Das neue Album „Work“ (in Deutschland durch Universal vertrieben) wurde in Seattle eingespielt. Doch wie der Bandname nichts mit „Shout It Out Loud“, dem 1977er Single-Megaseller der Ami-Hardrocker von Kiss zu tun hat, ebensowenig wurde Seattle aufgrund seiner Funktion als Heimat des Grunge-Rock auserkoren.
Olenius: „Der einzige Grund war... unser Produzent Phil Ek wohnt dort! Folglich kennt er dort alle guten Studios, Sound-Ingenieure usw. Wir wollten einfach weg aus Stockholm, auch, um uns von unseren Freunden zu isolieren. Sie sollten auf keinen Fall ständig an die Studio-Tür klopfen (können). ´Grunge-City´ hat also nichts mit uns zu schaffen....“
Die Musiker lachen. Stenborg erläutert mit einem Augenzwinkern andere Aspekte: „Wir gehen überall dorthin, wo die Leute uns wollen...“ Dann ernsthaft: „Im Gegensatz zum letzten (zweiten) Album `Our Ill Wills´ wollten wir auf `Work´ unser gemeinsames Arbeitsleben dokumentieren. Jeder sollte zu jeder Zeit dabei (gewesen) sein. Dieses Vorhaben hätten wir in Stockholm nicht fokussieren können. Jeder hätte seinen Job erledigt, wäre anschließend nach Hause gegangen. Also mussten wir aus unserer Stadt heraus. Was nicht zwangsläufig eine Entscheidung für Seattle war – wir hätten ebenso gut irgendwo in einem entlegenen, kleinen schwedischen Dorf arbeiten können.“
Dennoch liegt den Shout Out Louds gerade die Heimat scheinbar irgendwie sehr am Herzen. Auch Neid oder Missgunst scheint in der Hauptstadt des Landes von Pippi Langstrumpf unbekannt zu sein. Die Diskussion über musizierende Landsleute, z.B. wie Mando Diao, Sugarplum Fairy bringt nicht einen negativen Aspekt hervor. Ganz im Gegenteil.
Stenborg (während sie intensiv auf ihre Fingernägel schaut): „Wir sind eine stramme Gemeinschaft. Wir denken, uns untereinander nicht bekämpfen zu müssen. Mit Mando Diao spielen wir oft gemeinsame Shows.“
Lobenswert! Würden nur in unserem Land der Denker und Dichter einige Leute ähnlich fühlen, anstatt stetig vor Neid zu explodieren. Es wäre fantastisch!
Thematisch nähern wir uns somit eher der Thematik des zweiten Shout Out Louds-Longplayers „Our Ill Wills“(in Deutschland via HaldernPop Recordings / Cargo erschienen). Zur damaligen VÖ hatte Olenius im 2007er WZ-Gespräch erklärt, „´Kranke Wünsche´ sind...böse Gedanken! Der Albumtitel spiegelt für uns unsere dunkle Seite wider. In der Musik ist es einfach, recht schaffend zu sein. Genauso einfach ist es, in der Musik böse´zu sein. Unsere Musik ist irgendwie beides. Es kommt darauf an, in welcher Stimmung wir beim komponieren gerade sind. Zwischen den Worten und der Musik besteht ein großer Kontrast.“
Die Tradition dieser Denkweise wird auf „Work“ von der ersten Auskopplung „Walls“ abermals reflektiert. Während die Akkorde Räume mit akustischem Glanz erfüllen, versinken die Worte im Strudel von Alkohol und Drogen.
Olenius: „Damit demonstrieren wir kraftvoll den Kontrast zwischen Glück und Trauer. Die fröhlichen Akkorde nehmen die Melancholie der Worte in sich auf. Wir versuchen aber keinesfalls, diese Wirkung verkrampft herbei zu führen. Die bittersüßen Momente müssen sich von allein ergeben.“
Ebenfalls zweischneidig ist die Veröffentlichungsstrategie der Band. „Walls“ wurde auf der bandeigenen Homepage zum kostenlosen Download angeboten, während große Plattenfirmen sicher gern auch einzelne Stücke verkaufen würden.
Olenius: „Labels haben ihre eigenen Strategien, wir können mit ihren Plänen gut arbeiten. Andererseits wollten WIR `Walls´ als ersten neuen Song hergeben, um zu zeigen, das WIR dahinterstehen.“
Stenborg: „Die Leute sollten wissen, dass gerade dieser Song etwas besonderes für uns darstellt. Weil es das Lied ist, dass wir ausgewählt haben, um unser neues Album vorzustellen! WIR wollten diesen Song herausbringen!“
Ein großer Schritt für die Fangemeinde, ein kleiner dagegen für die Musiker selbst. Denn das Komponieren ihrer Stücke dauernd durchschnittlich zwei Stunden.
„Es kommt aber ganz darauf an, wie wir uns darüber verständigen, wohin wir eigentlich wollen. ´Show Me Something New´ war Anfangs ein einfacher, kurzer Track. Dennoch hat es eine Ewigkeit gedauert, bis wir die speziellen Beats des Schlagzeugs hatten. Weder im Übungsraum, noch im Studio in Seattle ist es uns gelungen, dieses Problem zu lösen. Nichts passte... Am Schluss haben Eric und ich doch noch etwas zusammen gepuzzelt bekommen. Eric hat es dann mit dem ´Click-Track´ (Olenius hält die Hände an den Kopf) hingekriegt, nachdem wir verschiedene Pattern probiert hatten. Alle anderen Songs haben wir live, zusammen im Studio eingespielt. ´Play The Game´ war im Original allerdings bereits während der letzten Tour entstanden. Wir haben lediglich nachträglich die Gitarren-Läufe geändert, um dem Ganzen noch zu einem schönen Arrangement zu verhelfen. Um damit höhere Stufen zu erklimmen.“
Fazit: Auch wenn die Musiker(innen) es nicht laut herausschreien mögen, mit ihren neuen Arbeiten werden sie noch weitaus höher gelegene Sprossen der Karriereleiter erreichen.... Garantiert!
Aktuelles Album: Work (Vertigo / Universal) VÖ: 26.02.
Weitere Infos: www.shoutoutlouds.com/ Foto: Ralf G. Poppe