Sie heißen Ian Hooper, Craig Saunders und Claudio Donzelli. Gemeinsam sind sie die Band Mighty Oaks und der Bandstandort ist Berlin. Jetzt kommt sie wieder, die übliche Geschichte von Berlin, dem internationalen Flair und den Künstlern, die aus der ganzen Welt nach Berlin ziehen und sich hier zu Bands formieren. So gradlinig ist die kreative Geschichte von Mighty Oaks nicht.
An den Nagel mit der SchauspielereiLos geht nämlich alles in Hamburg. Dort hat Ian Hooper (der übrigens ursprünglich aus den USA, aus den unbekannten Weiten des Nordwestens kommt) seine Studien beendet und aus Langweile zur Gitarre gegriffen. Plötzlich findet er sich als Singer/Songwriter auf kleinen Kneipenbühnen wieder. Craig Saunders stammt aus Bridgewater im Südwesten Englands.
„Ich tummelte mich in Hamburg, weil die Liebe mich dorthin gezogen hatte“, merkt er an, „mit Musik hatte ich zunächst überhaupt nichts am Hut. Doch war ich früher mal von der fixen Idee besessen, ich müsste unbedingt Schauspieler werden. Im Rahmen der dazu nötigen Prüfungen musste ich auch vorsingen. Und es war um mich geschehen. An Schauspielerei habe ich seitdem nicht mehr gedacht.“
Bleibt noch Claudio Donzelli, der aus dem Städtchen Pesaro an der Adriaküste kommt. In treibt lediglich eine diffuse Neugier aus seinem Heimatland. Aber auch er vergisst die Gitarre nicht. Und auch er bleibt in Hamburg hängen.
„Dort gibt es die örtliche Ausgabe der weltumspannenden Melodica Acoustic Festival-Idee“, plaudert Claudio Donzelli drauflos, „dabei handelt es sich um ein von Musikern für Musiker organisiertes Festival. Es kostet keinen Eintritt und legt den Fokus auf intime, akustische Darbietungen.“
Jeder hört jedem bei seinem Auftritt zu und langsam entspinnt sich erst eine freundschaftliche und dann eine künstlerische Verbindung zwischen den Musikern.
„Wobei sich damals noch keiner von uns so richtig als Musiker sah“, fügt Ian Hooper an, „was uns allerdings einte, war der eher leise musikalische Ansatz, der klar in den unterschiedlichsten Traditionen des Folk steht.“
Üppiges und warmes Folkgewand
Von den ersten gemeinsamen schöpferischen Schritten an, tragen die Stücke ein üppiges und warmes Folkgewand, das immer auch mit der Energie einer Kraftstation daher kommt, die eine kleine Stadt versorgen könnte. Dafür hat Craig Saunders eine einleuchtende Erklärung:
„Meine Mutter kommt aus Dublin, also bin ich zunächst mal mit viel irischem Folk beschallt worden. Zudem spielte mein Vater in einer irisch-keltischen Band. Verwundert es da, dass zuhause auch Bob Dylan oder Woody Guthrie lief?“
Als Italiener weiß Claudio Donzelli natürlich, was man mit Mandolinen alles anstellen kann. Deshalb schleppt er das Instrument auch zu den Proben mit Ian Hooper; denn Mighty Oaks startet zunächst als Duo. Dies Zusammenarbeit mündet 2010 in die erste EP, ´Driftwood Seat´, die auf SoundCloud veröffentlicht wird. Diese hatten die Mighty Oaks in Claudio Donzellis Wohnung mit nahezu naiver Ehrlichkeit aufgenommen.
„Wir waren komplett von den Socken, als sich nach und nach mehr als 60.000 Fans auf der Seite einfanden und mehr als 370.000 mal unsere folkigen Lieder abspielten.“
Irgendwie verschlägt es sie dann alle drei unter dem Motto ´Berlin, Berlin - wir gehen nach Berlin´ in den eher unfolkigen Neuköllner Kiez. Inzwischen ist man auch Craig Saunders wieder über den Weg gelaufen und hat ihm einen Bass umgehängt. Nach einem Jahr in Berlin ist der Zuspruch zur Musik von Mighty Oaks so groß, dass die Drei fortan als Vollzeitmusiker los ziehen.
„Da die Leute bei den Konzerte unbedingt auch ein Souvenir mitnehmen wollten, musste eine zweite EP her“, erzählt Claudio Donzelli, „ich erinnere mich noch ganz genau, am 5. Juli 2013 wurde ‚Just One Day’ in Eigenregie und ohne Label veröffentlicht.“
Der Folkpfad wird dabei weiter ausgetreten. Doch dabei sind sie nicht zu klassischen Holzfällerhemdenträgern mutiert und ihre Bärte haben sie auch nicht bis zum Bauchnabel wachsen lassen.
Mit Pauken, Mandolinen und Gitarren
Was in Hamburg mit der Begegnung von drei künstlerischen Egos mit deckungsgleichen musikalischen Interessen beginnt, hat sich jetzt in Berlin zu einem Trio ausgewachsen, in dem jeder der drei Künstler seinen Platz gefunden hat. So kommen die Texte beispielsweise von Ian Hooper, während die beiden anderen die musikalischen Akzente setzen. „Manchmal aber sind die Texte so angelegt, dass sie eine bestimmte Musik geradezu provozieren“, darauf verweist Ian Hooper. Alle Egokämpfe liegen weit zurück. Das hat Mighty Oaks nur noch schlagkräftiger gemacht. Auf den Livebühnen genauso, wie im Netz.
„Die zunehmende Gefolgschaft ließ uns Konzerte mit Kings of Leon, Dry the River, Shout Out Louds und Chvrches spielen. Und zahlreiche Plattenfirmen hofierten uns“, fährt Claudio Donzelli fort. Den Vorbandstaus haben Mighty Oaks inzwischen hinter sich gelassen. Sie füllen nun selber kleine Arenen. Doch was machen Mighyt Oaks, als sie so ganz oben auf der Erfolgswelle surfen?
„Was sollen wir schon machen?“, fragt Craig Saunders, „das, was Musiker am besten können, wir haben an neuem Material gearbeitet. Haben unseren Klang weiter entwickelt.“ Auf dem Entwicklungsweg sammeln Mighty Oaks Independentnoten, pflücken Countrytöne und ernten Soultakte. Im so angereicherten Folk machen sich flächige E-Gitarren über die zart besaiteten Akustikgitarren her und öffnen die Räume, geben ihnen Volumen. Mandolinen zirpen dazwischen oder sachte gezupfte Banjos, während sanfte, aber satte energetische Basslinien die Lieder durchpluckern und schlichte Paukenschläge den Takt des Puls- und Herzschlages Lieder vorgeben. Der mehrstimmige Gesang könnte kein besseres Klangbett vorfinden.
Musikalische Sehnsuchtsorte
Von den geöffneten Klangräumen mit Platz ohne Ende war bereits die Rede. Aber auch in den Texten werden weite Räume reflektiert.
„Ich komme vom Land, aus einem Ort draußen vor Seattle, das ist direkt am Meer, zwischen zwei Gebirgshügeln, wo die Natur unglaublich schön ist“, blickt Ian Hooper heim über den großen Teich, „dort ist Platz ohne Ende, und wenn du da keinen Menschen sehen möchtest, brauchst du das auch nicht.“
Das scheint in einer großen Stadt, wie Berlin, wohl Heimweh oder Sehnsucht zu produzieren. Und das nicht nur in Richtung von Landschaften, sondern auch im Hinblick auf Menschen, auf die Liebe. Aus diesen Komponenten schöpfen Ian Hoopers Geschichten Größe, Kraft und Melancholie. Und werden so selber zu eigenen musikalischen Sehnsuchtsorten.
„Doch damit da kein Missverständnis aufkommt, ich zwinge mich nicht in das Sehsüchtige“, sagt er weiter, „die Textideen kommen ganz spontan aus dem Bauch heraus, da gibt es kein Muster oder so. Ich versuche das nie zu beeinflussen. Auch auf der neuen Platte sind nur Stücke zu hören, die hauptsächlich unterwegs oder nebenbei entstanden sind.“
Diese Hernahgehensweise tut den Liedern von Mighty Oak unglaublich gut. Sie führt auch dazu, dass die Stücke spontan, locker und luftig leicht bleiben. Da ist nie zu viel gedacht. Nie zu viel gewollt. Sie bleiben einfach ehrlich und echt. Du stürzen nie über die Hoffnungsklippe.
Wer so viel Eigenes zu erzählen hat, in Musik, in Text, wie es Might Oaks haben, dem muss nicht bange sein, was irgendwelche Folkmoden anbetrifft, der wird jede Welle überstehen. Und Mighty Oaks haben sogar das Zeug dazu ein neue, eigene auszulösen. Denn Mighty Oaks kennen die Tradition, in der sie stehen und wissen viel über sie. Doch genau dieses Wissen hält sie davon ab, auch nur daran zu denken, als billige Kopie um die Ecke zu kommen.
Aktuelles Album: Howl (Vertigo/Capitol / Universal Music)
Foto: Universal