Elektronische Musik und digitale Experimente 6 Tage, 3 Städte, 24 Acts – die dritte Ausgabe des Festivals BLAUES RAUSCHEN präsentiert vom 25. September bis zum 3. Oktober 2021 Musikprojekte, Performances und Installationen, aufgestellt im Spannungsfeld der Möglichkeiten digitaler Technologie, analoger Umwelt, handgemachter Kunst und aktiver Bewusstwerdung gesellschaftlicher Herausforderungen. Je unter einem eigenen Tagesthema werden an wechselnden Spielorten im Ruhrgebiet unterschiedliche künstlerische Positionen verhandelt, in denen aktuelle Soundkonzepte und medienübergreifende Experimente, internationale und regionale Impulse aufeinandertreffen.
Oben: Simon/Hattenberger, Liz Alibee / Unten: Rikkert Brok, Julia Eckardt
Hallo hybride Lebenswelt! Mit atemberaubendem Tempo und ungeahnten Konsequenzen vollzieht sich die digitale Transformation des Alltags. Auch kreative Prozesse, Produktion und Aufführung von Kunst und Musik werden durch das Digitale grundlegend beeinflusst und verändert. Das Festival BLAUES RAUSCHEN versteht sich als künstlerisches Labor für eine inhaltliche Standortbestimmung. Geprägt ist das Festival von Künstler*innen, die in experimenteller Auseinandersetzung mit den Schnittstellen zwischen digitaler und analoger Welt die Wechselwirkungen von Technik, Gesellschaft und natürlicher Umwelt ausloten.
Bei der Wahl der Veranstaltungslocations wurden Orte gewählt, die den veränderten Mobilitätsgewohnheiten Rechnung tragen, also gut ohne Auto erreichbar sind. Gleichzeitig lenkt die Verteilung der Veranstaltungen auf drei Festivalstädte die Aufmerksamkeit auf die Idee einer lokalen Vernetzung und Stärkung einer bislang wenig umhegten Kultursparte im Ruhrgebiet im Sinne einer Plattform mit internationaler Bedeutung und Reichweite. In diesem Jahr heißen die Festivalstädte Bochum, Dortmund und Essen. Die Künstler*innen treten hier – angelehnt an die Pecha Kucha Vortragstechnik – in 20-minütigen Slots und nahezu ohne Pause hintereinander auf.
Ein besonderes Format aus dem Bereich der ars acustica, Klangkunst oder Soundcollage wird ergänzend zu den sechs Thementagen unter dem Titel „Wald und Klang“ sowohl in der Bochumer Rotunde als auch in der Essener Galerie Gublia vorgestellt. In 5-minütigen Hörstücken von 10 internationalen Künstler*innen wird der Wald als Gegenstand akustisch-ästhetischer Erkundungen erfahrbar gemacht. Unterschiedliche Aspekte, der Klang des Waldes, seine Atmosphäre und sein Klang, seine Bedeutung als Ressource, unsere persönliche Beziehung zum Wald werden in Collagen und Kompositionen zu Gehör gebracht.
Legierungen
Der Festivalauftakt findet am Abend des 25. Septembers in den Räumlichkeiten der Bochumer Rotunde statt. Dort werden drei Experimente zur Verschmelzung digitaler und analoger Sound- und Videotechnik präsentiert: Das Duo BBB_ konfrontiert das Publikum in „Songs of Cyborgoise“ mit utopischen und dystopischen Welten, in denen sich die Grenzen zwischen dem Menschlichen und dem Digitalen aufzulösen scheinen. Electric Indigo aka. Susanne Kirchmayr nutzt die digitale Entmaterialisierung und verschmilzt virtuelle Metallmoleküle in einer akustisch-visuellen Mediaperformance zu einem ressourcenschonenden "Industrial" Sound mit einem Minimum an Energieverbrauch. In „Optical Machines“ kombiniert Rikkert Brok Licht und Klang zu unberechenbar erscheinenden Neu-Kreationen.
Transaktion/Korrelation
Dieser Abend im Bochumer "atelier automatique" am 29. September widmet sich dem Aufspüren und der künstlerischen Wahrnehmung von Beziehungen: Tänzerin Hyun Jin Kim untersucht in ihrer Performance, wie der neue digitale Körper angesichts eines zunehmenden medialen Overflows kommuniziert. Über sichtbare Bindungsgefüge hinaus macht das Duo Freya Hattenberger/Peter Simon in einem bioakustischen Experiment auch auf Beziehungen zu nicht-humanen Lebewesen aufmerksam. Die Bratschistin Julia Eckhardt* lenkt uns in ihren hybriden Stimmassemblagen zurück zu den affektiven Qualitäten von Sprache und Klang und lässt sich von diesen zu instrumentellen Improvisationen animieren. Caroline Profanter* webt das Publikum in ein Netz mikrotonaler Feedbacks ein, bis nicht mehr zwischen Ursprung und Echo zu unterscheiden ist.
Mex Appeal goes Blaues Rauschen: Exploring Borders
Am 30. September geht es runter in den legendären Keller des Dortmunder Künstlerhauses. In Kombination mit dem intermedialen und experimentellem Musikprojekt der einzigartigen Reihe „Mex Appeal“ verspricht dies ein kontrastreichen Abend zu werden, der die Grenzen zwischen Klang, Hören, Performance, Musik und Material bewusst übertritt: Miki Yui führt uns in ihr solargetriebenes Kunstlabor und bringt Natur und Technik in Dialog. Liz Allbee überschreitet die Grenzen der reinen Physik der Ventiltechnik ihrer Trompete mit Hilfe elektronischer und digitaler selbstkonstruierter Erweiterungen. Und Wei Kang Beh erzeugt durch Verschiebung eines graphisch animierten Objekts einen intermedialen Energiefluss von Bild und Klang.
Dichotomie – Natur/Kultur
Der Blick auf fortschreitende Umweltzerstörung und Klimawandel erschüttert unser Verständnis davon, was naturgegeben ist und was künstlich geschaffen wurde. Wie sinnvoll ist unser Wirken? Diese existenzielle Frage prägt das Festivalprogramm am 1. Oktober im Essener Club „Hotel Shanghai“: Echo Ho, Bellchild und Ozan Tekin nähern sich dieser Thematik konstruktiv, indem sie natürlich vorkommende und willkürliche Klänge und Klangfolgen in Kompositionen einbinden und sie mit synthetisch erzeugten Sounds verschmelzen. Die Gruppe Moment inszeniert die Wechselwirkung von Mensch/Maschine und Künstler*innen/Publikum.
Transmissionen
Die gezielte Durchdringung mit Ungewissheit und deren Wahrnehmung bestimmt den 2. Oktober im Dortmunder Techno-Club „Tresor-West“: Der Schweizer Bit-Tuner führt dabei in eine von Zweifeln und Irritationen geprägte Welt, die als Film mit entsprechendem Soundtrack erlebbar wird. Rasmus Nordholt-Frieling durchdringt verschiedene musikalische Genres und Epochen und konstruiert aus seinen heterogenen klanglichen Materialien einen ganz eigenen Groove-Kosmos. Pan Daijing konfrontiert das Publikum mit düsteren Drones und stolpernden Patterns und dem Unbehagen einer dystopischen Vision, die in unsere Sinne diffundiert.
Algorithmic Composition & Distribution
Eine unerwartete Rasanz in Bezug auf die Wichtigkeit und Nutzung digitaler Mittel prägt in den vergangenen Monaten das Leben – um zu arbeiten, zu kommunizieren und nicht zuletzt auch um künstlerische Werke zu distribuieren. Mit zwei Lecture-Performances von Enrique Tomás und Balázs Kovács in der Essener Galerie Gublia will BLAUES RAUSCHEN am 3. Oktober die Aufmerksamkeit darauf lenken, wie und inwieweit sich technische Entwicklungen und künstlerische Optionen bedingen, beeinflussen und alternativ nutzen lassen können. Der Eintritt zu dieser Veranstaltung ist frei.
BLAUES RAUSCHEN
Festival für digitale Soundexperimente, elektronische Musik, Performance, Tanz, Installation
25.09. – 3.10.2021, Bochum, Dortmund, Essen
Tageskarten für das Festival sind für 15 Euro (ermäßigt 11 Euro) im Vorverkauf ausschließlich online unterwww.blauesrauschen.de erhältlich.