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KIKI SMITH

Her Home



Wer drauf schaut auf den menschlichen Körper, der sieht – von subjektiven Unterschieden einmal abgesehen – Haut und Haare. Statuen aus dem antiken Griechenland oder die Skulpturen eines Auguste Rodin bilden in der Kunst das Sichtbare ab und schaffen das Innere höchstens als Charaktereigenschaft oder Gefühlsmoment darzustellen. Die Materie aus Fleisch und Knochen und Sehen aber bleiben der Betrachtung verborgen. Kiki Smith wählt eine andere Annäherung: sie stülpt die Organe nach außen, nimmt Herz, Leber oder Magen als Teil des Körpers genauso ernst wie andere Bildhauer die geschwungene Linie des Beckens oder die stilistische Schönheit der Muskeln.

Das Gesicht trägt einen Zug melancholischer Selbstvergessenheit, die streng nach hinten frisierten Haare und das schmucklose, blaue Kleid verbreiten ein wenig Internatsstimmung. Anmutig könnte man die Frauengestalt nennen, entrückt den modernen Zeiten, einem Ideal zustrebend. Die Idylle verfliegt spätestens dann, wenn man den Blick weg von dieser Skulptur auf eine andere richtet: ein durchsichtiger, künstlicher Magen, geformt aus Glas und separiert von allen anderen Organen dem hemmungslosen Betrachterblick ausgesetzt. Kiki Smith, die Tochter des Bildhauers und Architekten Tony Smith und der Opernsängerin Jane Lawrence, in Nürnberg geboren und in New Jersey aufgewachsen, begann 1985 mit Glasarbeiten in ungewohnten Sujets, arbeitete mit Ton, Wachs, Porzellan und Bronze und kehrte oft das Innere des menschlichen Körpers nach außen. Nicht genug damit: auch die flüssigen Inhalte von Mann und Frau – Blut, Urin, Tränen – siedelte sie in Vergänglichkeitsszenarien an.

Das Museum Haus Esters in Krefeld – ein rein äußerlich als Wohntrakt durchgehendes funktionales Gebäude von Mies von de Rohe – bietet der Künstlerin eine Heimstatt: „Her Home“ bezieht sich ausdrücklich auf die vorgegebenen musealen Räumlichkeiten, ersetzt sozusagen das normale Zuhause durch die Museumsrealität. Kiki Smith verfolgt das Frauenleben von der Geburt bis zum Tod, tastet die Lebenswirklichkeit im historischen Neu-England ab und richtet ihr Augenmerk auf die „Möglichkeiten fraulichen Lebens außerhalb der Ehe“. Stringent und intensiv nutzt die Künstlerin den architektonischen Ist-Zustand zur Präsentation ihrer Werke. So benutzt sie beispielsweise die sechsteilige Fensterfront der Villa als Auffangstation für figurative Glasbilder. Das anheimelnd-heimische erzeugt Kiki Smith durch ihre Tapetengalerie, in der das märchenhafte, alptraumgetränkte Werk seine ganze Wucht entfalten kann.

Die Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper ist für Kiki Smith das zentrale Kunst-Thema. Wichtig ist die Anatomie, nicht die Ästhetik. Ob feministischer Unterton oder radikale Transformationen aus der Natur: Kiki Smith setzt den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Das ist nicht immer freundliche Geste, das ist oft auch eine total eigen-sinnige Sichtweise auf ihre Mitmenschen. In Krefeld begleitet sie die Frau als Wesen von der Geburt bis zum Tod und streift damit fast jeden denkbaren Aspekt der Weiblichkeit.

Bis 24.08.2008 Museum Haus Esters, Krefeld, Wilhelmshofallee 97 Geöffnet: di-so 11-17 Uhr Eintritt: 4/2 Euro
Weitere Infos: www.krefeld.de


Juni 2008
KIKI SMITH
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